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Pelosi-Besuch: Taiwan fürchtet Blockade durch China

Lesezeit 5 Minuten

Taipeh – Im Streit mit Peking fürchtet Taiwan eine See- und Luftblockade durch chinesische Militärmanöver rund um die demokratische Inselrepublik. Die kommunistische Führung in Peking hatte die Übungen als Reaktion auf den Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, angekündigt. Zum Abschluss ihres 20-stündigen Besuchs - der den lange schwelenden Konflikt um Taiwan weiter anheizte - flog Pelosi am Mittwoch im Rahmen ihrer Asienreise nach Südkorea weiter.

Bei einem Treffen mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen versicherte Pelosi ihr die Unterstützung der USA zu. Bei einem gemeinsamen Auftritt in Taipeh sagte die US-Spitzenpolitikerin: „Wir bleiben eisern in unserem Einsatz zur Verteidigung der Demokratie in der Welt und in Taiwan.” Der Besuch ihrer Kongress-Delegation zeige, „dass wir unsere Verpflichtungen gegenüber Taiwan nicht aufgeben werden”.

Ungeachtet aller Warnungen aus Peking war die 82 Jahre alte Demokratin am Vortag zum höchstrangigsten Besuch aus den USA in einem Vierteljahrhundert in der Inselrepublik eingetroffen. China sieht Taiwan als Teil der Volksrepublik an, lehnt offizielle Kontakte anderer Länder zu Taipeh strikt ab und hatte die USA vehement vor dem Besuch Pelosis gewarnt. Als Reaktion startete Chinas Militär Manöver mit Schießübungen in sechs Meeresgebieten, die Taiwan umringen.

China lässt die Muskeln spielen

Die bis Sonntag angekündigten Übungen gelten als das größte militärische Muskelspiel seit der Raketenkrise 1995, als China zur Einschüchterung Raketen über Taiwan geschossen hatte und die USA zwei Flugzeugträgergruppen entsandten. Die Meeresgebiete für die Übungen gehen noch weit über die damaligen Sperrzonen hinaus, reichen nahe an Taiwan und liegen teils in dessen Hoheitsgebieten. Dutzende Flüge mussten bereits abgesagt oder verschoben werden. Auch beriet Taiwan mit Japan und den Philippinen über alternative Schifffahrtsrouten.

Als weitere überraschende Maßnahme untersagten die chinesischen Behörden die Einfuhr von landwirtschaftlichen Produkten von mehr als 3000 taiwanischen Firmen. Der Schritt wurde allerdings mit Problemen der Nahrungsmittelsicherheit wie etwa Spuren des Coronavirus oder auch Rückständen von Chemikalien begründet. Aus Protest gegen den Besuch Pelosis bestellte das Außenministerium den US-Botschafter ein.

Die US-Spitzenpolikerin versicherte Taiwans Präsidentin, dass die USA immer an der Seite der freiheitlichen Inselrepublik stünden. Mit einem indirekten Hinweis auf die Drohungen der kommunistischen Führung in Peking gegen Taiwan sagte Pelosi: „Mehr als je zuvor ist die amerikanische Solidarität entscheidend.” Die Unterstützung in den USA für Taiwan sei parteiübergreifend. „Heute steht die Welt vor der Wahl zwischen Demokratie und Autokratie”, sagte Pelosi.

Taiwan will nicht „klein beigeben”

Taiwans Präsidentin sagte, der Einmarsch Russlands in die Ukraine habe das Augenmerk auf den Konflikt mit China um Taiwan gelenkt. „Jede Aggression gegen das demokratische Taiwan hätte starke Auswirkungen auf die Sicherheit der Indopazifik-Region.” Unter Hinweis auf die Bedrohung Chinas sagte Tsai Ing-wen: „Taiwan wird nicht klein beigeben.” Es werde alles tun, was notwendig sei, um seine Selbstverteidigungsfähigkeiten zu stärken.

Die US-Regierung erwartet auch noch längerfristige Reaktionen Chinas wie weitere Manöver oder wirtschaftliche Maßnahmen. Bislang bewege sich die Reaktion Chinas aber voll im Rahmen dessen, was die US-Regierung erwartet habe, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, in Washington.

Vor dem Abflug nach Seoul traf Pelosi noch Menschenrechtsaktivisten wie Wuer Kaixi, einst Anführer der 1989 blutig niedergeschlagenen Demokratiebewegung in China. Auch sprach sie mit dem früheren Hongkonger Buchhändler Lam Wing-kee sowie den sozialen Aktivisten Lee Ming-chee, die beide in China gefangengehalten worden waren.

Baerbock ruft zur Deeskalation auf

Außenministerin Annalena Baerbock rief derweil zur Deeskalation auf. Mit Blick auf den Besuch von Pelosi sagte sie in Kanada: „Besuche wie derzeit dürfen nicht als Vorwand für militärische Drohgebärden genutzt werden.”

Baerbock bekräftigte, dass Deutschland an seiner Ein-China-Politik festhalte, also die Volksrepublik China als einzigen souveränen chinesischen Staat anerkenne. Im Rahmen dieser Politik unterhalte Deutschland enge Beziehungen zu Taiwan, das als gefestigte Demokratie mit hohen Menschenrechtsstandards „ein wichtiger Wertepartner” Deutschlands sei, sagte die Außenministerin. Sie betonte: „Eine Änderung des Status quo in der Straße von Taiwan kann nur friedlich und im gemeinsamen Einvernehmen aller Beteiligter erfolgen.”

Lob und Kritik aus Deutschland

Die Visite löste auch in Deutschland eine Debatte aus. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen hält den Zeitpunkt für falsch. „Durch den russischen Angriffskrieg gibt es zurzeit mehr als genug internationale Spannungen.” Der Besuch habe rein symbolische Bedeutung, „durch die China wiederum sich unvermeidbar provoziert fühlt”, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Chinas Drohgebärden seien allerdings inakzeptabel.

Hingegen sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: „Dieser Besuch ist weder aggressiv noch provokativ.” Der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Ulrich Lechte, begrüßte, dass Pelosi sich von den Einschüchterungsversuchen Pekings nicht habe beeindrucken lassen.

Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, lobte die Reise. „Wir können dem Konflikt mit China über zentrale Fragen nicht aus dem Weg gehen”, sagte er der Mediengruppe. Der Linken-Politiker Gregor Gysi sagte dem Nachrichtenportal watson, Provokationen sollten unterbleiben. China lasse Taiwan in Ruhe, solange es keine Gefährdung für die Ein-China-Politik sehe.

Der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer forderte die EU auf, sich den Besuch von Pelosi zum Vorbild zu nehmen - trotz der scharfen Kritik Chinas. „Auch wir in Europa dürfen nicht achselzuckend zusehen, wie die Volksrepublik versucht, die Welt an die Vorstellung zu gewöhnen, dass eine erzwungene Einverleibung Taiwans unvermeidlich sei”, sagte Bütikofer.

© dpa-infocom, dpa:220802-99-240192/42 (dpa)