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Plötzlich ist er der „Opa“Harris schaltet direkt in Angriffsmodus – Braucht Trump eine neue Strategie?

Lesezeit 4 Minuten
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump, hier während einer Schweigeminute am letzten Tag der Republican National Convention 2024, ist nach dem Ausscheiden von Joe Biden der älteste Kandidat aller Zeiten.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump, hier während einer Schweigeminute am letzten Tag der Republican National Convention 2024, ist nach dem Ausscheiden von Joe Biden der älteste Kandidat aller Zeiten.

Die Vorzeichen im US-Wahlkampf haben sich nach dem Rückzug von Joe Biden grundsätzlich geändert. Donald Trump macht jedoch weiter wie immer.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris startet mit viel Rückenwind als mögliche Ersatzkandidatin für Joe Biden in den Präsidentschafts-Wahlkampf. Die 59 Jahre alte Demokratin hat laut Medien-Schätzungen derzeit die Unterstützung von genügend Delegierten der Demokraten, um im November als Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei gegen den Republikaner Donald Trump anzutreten.

Doch auch wenn es Harris entgegen der Erwartungen am Ende nicht werden sollte, sicher ist schon jetzt, dass der 78-jährige Trump wohl gegen einen demokratischen Kandidaten antreten wird, der deutlich jünger ist als er. Mit Bidens Rückzug ist Trump plötzlich der älteste Präsidentschaftskandidat in der Geschichte der USA – ein Umstand, der Angriffsfläche bietet, wie Trump selbst nur allzu gut weiß.

Donald Trump ist jetzt der älteste Präsidentschaftskandidat aller Zeiten

Kaum überraschend also, dass erste Demokraten bereits auf dem fortgeschrittenen Alter des Ex-Präsidenten herumreiten. Die linke Wahlkampfgruppe „Occupy Democrats“ postete ein Bild in den sozialen Medien, das Trump nach seiner Abwahl 2020 zeigt. „Meine Wahl wurde gestohlen“, wird der Republikaner zitiert. Der Personenschützer antwortet daraufhin: „Klar, Opa. Ich bring Dich erstmal zur Toilette.“

Und auch Trump-Gegner in der eigenen Partei kramten jüngst ein Zitat der damaligen republikanischen Trump-Herausforderin Nikkie Haley aus dem Januar hervor: „Die erste Partei, die ihren 80 Jahre alten Kandidaten in die Rente schickt, wird die Partei sein, die die Wahl gewinnt.“

Da Bidens Versprecher oder Stolper-Auftritte nun der Vergangenheit angehören, wird Donald Trump in den Fokus rücken. Auch er leistete sich in der Vergangenheit Fehler, sprach den Namen seines eigenen Arztes falsch aus, gab an, Barack Obama sei immer noch Präsident oder verwechselte seine republikanische Rivalin Nikki Haley mit Nancy Pelosi. Seine abschweifenden und mitunter konfusen Wahlkampfreden ganz außen vor.

Donald Trump: Alter wird nach Rückzug von Biden plötzlich Thema in den USA

Große US-Medien wie die „Washington Post“, der „Miami Herald“ oder „The Independent“ berichteten zum Wochenstart über Trumps Alter und dessen Gesundheitszustand. Einige Berichte thematisierten mögliche Probleme mit dem Herzen oder durch Übergewicht, andere nahmen Donald Trumps „mentale Ausrutscher“, die „bisher von Bidens überschattet wurden“, in den Fokus.

Vizepräsidentin Kamala Harris will für die Demokraten gegen den republikanischen Kandidaten Donald Trump antreten.

Vizepräsidentin Kamala Harris will für die Demokraten gegen den republikanischen Kandidaten Donald Trump antreten.

Zum jetzigen Zeitpunkt allerdings zweifeln kaum potenzielle Trump-Wählerinnen und Wähler an der geistigen Verfassung des Kandidaten. Seine Umfragewerte sind nach wie vor stark. Der Rückzug von Biden und der Erfolg von Harris wecken bei den Demokraten dennoch die Hoffnung auf die langersehnte Wende im Wahlkampf.

Kamala Harris bezeichnet Donald Trump indirekt als Verbrecher, Betrüger und Schwindler

Das Narrativ von Trump als verurteiltem Verbrecher, der gegen die ehemalige Staatsanwältin antreten muss – falls Harris die Nominierung erhält – bemühte die 59-Jährige gleich zum Start in ihren Wahlkampf. „Verbrecher, die Frauen missbraucht, Betrüger, die Verbraucher abgezockt und Schwindler, die Regeln zu ihrem eigenen Vorteil gebrochen haben. Hört mir also zu, wenn ich sage, dass ich Typen wie Donald Trump kenne“, so Harris.

Trump selbst, nach dem versuchten Attentat auf ihn kurzfristig versöhnlich gestimmt, hat bereits vor einigen Tagen zurück in den von Beleidigungen und Tiraden geprägten Wahlkampf geschaltet, mit dem er eh und je bei seinen Wählerinnen und Wählern gepunktet hatte. Ob diese Aggressivität allerdings auch gegen Harris oder einen anderen neuen Kandidaten oder eine Kandidatin zum Erfolg führt, bleibt abzuwarten.

Demokraten im US-Wahlkampf wieder zuversichtlich: „Es wird ein anderes Rennen“

„Wie er eine Frau angreift, ist etwas ganz anderes, aber man kann schon an der Art und Weise, wie er Biden am Sonntag angegriffen hat, erkennen, dass er nicht klar denken kann. Seine Wut hat wieder die Oberhand gewonnen“, so Hank Sheinkopf, Stratege der Demokraten laut dem englischen „Guardian“. „Wir haben eine grundlegende Neuausrichtung der Kampagne vorgenommen“, sagte der ehemalige demokratische New Yorker Kongressabgeordnete Steve Israel im „BBC“-Podcast.

„Die Demokraten werden Harris als offensive Schachfigur in den Vororten des Landes, das Recht der Frauen auf freie Wahl und reproduktive Freiheit nutzen können und hoffen, dass Trump es vermasselt, indem er überreagiert, damit sie ihm vorwerfen können, dass er sich aufgrund seines Alters nicht unter Kontrolle hat“, sagte Sheinkopf. „Es wird ein anderes Rennen“, ist er sich sicher. Analysten teilen diese Einschätzung. Nachdem Donald Trump in den vergangenen Wochen schon fast wie der sichere Sieger ausgesehen hatte, sind die Karten nun neu gemischt. „Jetzt könnten die Amerikaner einen echten Wahlkampf erleben“, zieht das „Wall Street Journal“ ein vorläufiges Fazit nach den turbulenten letzten Tagen.