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Protest vor dem Brandenburger TorWas die Bauern in Berlin zu hören kriegten

Lesezeit 4 Minuten
Demonstration von Landwirten am Montag in Berlin vor dem Brandenburger Tor: Demonstrationsteilnehmer zeigen Schilder mit der Aufschrift „Ist der Bauer ruiniert, wird das Essen importiert“ und „Ohne Bauern stirbt unser Land“.

Demonstration von Landwirten am Montag in Berlin: Höhepunkt einer Aktionswoche.

Tausende Bauern ziehen vor das Brandenburger Tor. Finanzminister Christian Lindner solle „abhauen“, fordern sie. Doch es gibt auch Zeichen einer Annäherung.

Dem Bundesfinanzminister bläst eisiger Wind entgegen. Das miese Wetter ist das eine, die miese Stimmung der Bauern das andere. Christian Lindner steht auf einer Bühne am Brandenburger Tor vor Tausenden wütenden Landwirtinnen und Landwirten, die zum Abschluss ihrer Protestwoche noch einmal nach Berlin gekommen sind und die Hauptstadt mit ihren Riesenfahrzeugen partiell lahmgelegt haben. Der FDP-Politiker versucht erst einmal, Sympathiepunkte bei den Bauern zu sammeln. Die lassen sich aber nicht von solchen Bekundungen beeindrucken, dass es ihn schon das Ausmisten einer Pferdebox anstrenge und er wisse, was die Bauern leisteten.

„Hau ab! Hau ab!“, wird ihm zugebrüllt. Bauernpräsident Joachim Rukwied, der den Konflikt mit verbalen Attacken gegen die Ampel ordentlich angeheizt hatte, will nun beschwichtigen. Lindner müsse doch zugehört werden. „Es macht keinen Sinn, ihn auszubuhen“, mahnt der Verbandschef. Lindner nimmt seinen Faden wieder auf. Die „schrecklichen Bilder“, die auch er bei den Bauernprotesten der vergangenen Woche befürchtet hatte, habe es nicht gegeben, lobt er. „Und dafür danke ich Ihnen.“ Anders als die „Klimakleber“ hätten die Bauern das Brandenburger Tor hinter ihm auch nicht beschmiert, sondern „geehrt“. Die Eloge zieht aber nicht bei den Demonstranten.

Landwirte skandieren in Berlin: „Ampel muss weg“

In der Menge geht jedoch etwas unter, das SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wenig später wieder aufgreift. Die Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen waren parallel zu der großen Abschlusskundgebung der Bauern-Protestwoche zum Gespräch mit Vertretern der Bauernverbände zusammengekommen. Mützenich sagt, ihm sei berichtet worden, dass Lindner auch Bewegung der Politik signalisiert habe. „Dem werden wir nachgehen“, verspricht der SPD-Mann. Weil der Finanzminister auf der Schuldenbremse steht, ist er derzeit in der SPD nicht sehr gelitten. Ihrer Ansicht nach ist das mit eines der gegenwärtigen Hauptprobleme: sparen statt mehr zu investieren.

Bei den Bauern, Lkw-Fahrern und ihren Unterstützern, die auf dem Platz des 18. März stehen, wird immer wieder Chor skandiert: „Ampel muss weg“. Einzelne Demonstranten zünden Signal- und Rauchfackeln. Die Polizei, die den Protest mit 1300 Einsatzkräften begleitet, nimmt mehrere Personen vorläufig fest. Der schwarze Rauch verfliegt schnell wieder. Die Wut der Bauern bleibt. Rukwied spricht von 30.000 Demonstrationsteilnehmenden, die Sprecherin der Hauptstadtpolizei sagt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), ihre Behörde habe etwa 8500 gezählt. Aller Distanzierung durch den Bauernverband zum Trotz hatten auch Rechtsextreme zur Teilnahme an der Kundgebung aufgerufen.

Lindner rechtfertigt die Pläne der Ampel zu schrittweisen Kürzung der Agrardieselsubventionen, zeigt sich aber offen für Erleichterungen an anderer Stelle, weil es „kein Sonderopfer der Landwirtschaft“ geben solle. Er weist zugleich darauf hin, dass es jährlich neun Milliarden Euro öffentliche Forderung aus Brüssel und Berlin gebe. Aber wenn der Agrardiesel auslaufe, müssten Zug um Zug auch die Belastungen für die Betriebe auslaufen. Der Minister spricht von Bürokratievorgaben, Umwelt- und Tierhaltungsauflagen an.

Traktoren, Lastwagen und Autos stehen am Morgen auf der Straße des 17. Juni in Berlin.

Traktoren, Lastwagen und Autos stehen am Morgen auf der Straße des 17. Juni in Berlin.

Den Grünen könnten sich eine Tierwohlabgabe vorstellen - Fleisch, Eier, Milch würden ein paar Cent teurer. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nennt es den „Tierschutzcent“. Das Geld müsse bei den Bauern verbleiben, sagt sie nach dem Gespräch mit den Verbandsvertretern. Es müsse darüber geredet werden, warum nicht mehr Einkommen auf den Höfen bleibe. Eine Antwort nimmt sie vorweg: „Weil die Marktmacht der großen Lebensmittelkonzerne viel zu hoch ist.“ Das gelte für die Milchbauern und die Landwirtschaft insgesamt. Es brauche keine neuen Kommission. „Wir haben kein Erkenntnisdefizit. Wir haben ein Handlungsdefizit.“

Bauernpräsident Rukwied: „Es wurden Themen diskutiert, die wir seit 30 Jahren diskutieren“

Mützenich macht diesen Vorschlag, dem die Landwirte erst einmal skeptisch gegenüber stehen dürften: Bis zur Sommerpause sollten im Parlament mit den Stimmen der Ampel-Fraktionen strukturelle Entscheidungen getroffen werden, die für die Landwirtschaft Planungssicherheit und Entlastungen bedeuteten. Zu einer Agrardebatte am Donnerstag im Bundestag werde die Koalition dafür einen Entschließungsantrag für eine „Art Fahrplan“ für konkrete Erleichterungen einbringen. FDP-Fraktionschef Dürr kritisiert bürokratische Belastungen der Landwirte. Sie seien Unternehmer und wollten ihr Geld am Markt verdienen. Fehlentscheidungen in der Vergangenheit nennt er „verschüttete Milch“. Nun sollten „faire Rahmenbedingungen“ geschaffen werden.

Die Bauern fordern aber, dass die Kürzungen beim Agrardiesel komplett zurückgenommen werden. Rukwied beklagt: „Es gab keine Ergebnisse, wir sind keinen echten Schritt nach vorne gekommen. Es wurden Themen diskutiert, die wir seit 30 Jahren diskutieren.“ Ob es weitere Proteste gebe, hänge davon ab, wie Bundesregierung und Bundestag am Ende entscheiden. Immerhin: Nun warten wir aber das Ergebnis der Haushaltsberatungen Donnerstagabend ab. Ich empfehle den Ball jetzt Flach zu halten. Jetzt ist die Zeit für Gespräche und wir sind lösungsorientiert.“