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Kommentar

Chaos im Bundestag
Sündenfall für die Demokratie

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender und Chef der Unions­bundestags­fraktion, nimmt an einer Sitzung im Plenarsaal des Bundestages teil. Das Gesetz, das er mit seiner Union zur Debatte stellte, fiel durch. Hannes P Albert

Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender und Chef der Unions­bundestags­fraktion, nimmt an einer Sitzung im Plenarsaal des Bundestages teil. Das Gesetz, das er mit seiner Union zur Debatte stellte, fiel durch.

Die Parteien der Mitte sind nicht fähig, in einer Krise einen Kompromiss zu finden. Das politische Theater im Bundestag offenbart, dass es an versöhnenden Persönlichkeiten fehlt.

Nun haben wir also in rasendem Tempo einen Vorgeschmack auf österreichische Verhältnisse bekommen und werden schmerzlich an Weimar erinnert. Die Parteien der Mitte sind nicht fähig, in einer Krise einen Kompromiss zu finden. Es fehlen ihnen die versöhnenden Persönlichkeiten mit kühlem Kopf, die über ihre Partei­grenzen hinweg einen Konsens erzielen und damit Deutschland vor wachsendem Einfluss von Rechts­extremisten schützen.

Ganz grundsätzlich haben sich Demokraten an diesem 31. Januar 2025 an der Demokratie versündigt. Schämt Euch!

Der Auslöser für die politische Eruption im Land ist schwer­wiegend. Innerhalb eines halben Jahres haben vier Männer aus Syrien, Afghanistan und Saudi-Arabien in vier Städten Menschen, auch kleine Kinder, ermordet. Männer, denen Deutschland Schutz vor Menschenrechts­verletzungen in ihren Ländern gewährt hat. Das muss Konsequenzen haben. Der Rechtsstaat muss wehrhaft sein. Gesetze müssen verschärft werden, aber – ganz wichtig –, auch angewendet werden. Dafür müssen Behörden besser ausgestattet werden.

Das politische Klima in Deutschland wird weiter vergiftet

Zu den Fakten: Die Ampel­parteien hatten der Verschärfung des Europäischen Asylsystems zugestimmt und ein zusätzliches Sicherheits­paket beschlossen. Beides wird von der Union im Bundesrat blockiert, weil ihr das nicht weit genug geht. Es passiert also nichts. Und auch die neuen Vorschläge der Union zur Verschärfung der Migrations­politik werden nicht Realität. Es passiert also weiter nichts. Aber das politische Klima in Deutschland wird weiter vergiftet.

Zu Friedrich Merz. Er hat nicht davon abgelassen, erstmals in der Geschichte der Bundes­republik für ein Gesetz eine Mehrheit durch die Hilfe einer rechts­radikalen Partei in Kauf zu nehmen. Gegen den Willen regierender CDU-Politiker in den Ländern. Sie hatten angekündigt, dieses Gesetz im Bundesrat scheitern zu lassen, weil sie wie SPD und Grüne einen Stopp des Familien­nachzugs für subsidiär Schutz­berechtigte, deren Leben in ihrer Heimat gefährdet ist, für unvereinbar mit Grundgesetz und EU-Recht halten.

Friedrich Merz hat sein Wort gebrochen. Im November hatte der Unions­fraktions­vorsitzende gesagt, er wolle nicht auch nur ein einziges Mal mit der AfD eine Mehrheit herbei­führen. Er klang überzeugt und glaubwürdig. Und dann hat er sich bereits am Mittwoch für einen Antrag zur Migrations­politik eine Mehrheit mithilfe der AfD beschafft. Das ist ein großer Triumph. Für die in Teilen rechts­extreme AfD. Und das ist Spalt­potenzial für die demokratische Gesellschaft in Deutschland. Und seine Union.

Der Mann, der Bundes­kanzler werden will und dafür in Ermangelung einer absoluten Mehrheit einen Koalitions­partner suchen müsste, hat bereits als Mann der Opposition die Suche nach einem Kompromiss verweigert. Er ist nicht davor zurück­geschreckt, gemeinsame Sache mit Rechts­extremisten zu machen. SPD und Grüne baten am Ende einer dramatischen Debatte flehentlich darum, doch noch einmal in Ruhe zu verhandeln – so wie es die FDP zu Beginn des Tages als Brücke vorgeschlagen hatte, sich dann davon aber keinen Erfolg mehr versprach.

Es gibt diesen Spruch, wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Merz hat sein Versprechen gebrochen, keine Mehrheit mithilfe der AfD herbei­zuführen. Nun verspricht er, nach der Wahl am 23. Februar keine Koalition mit der AfD einzugehen. In Österreich hatte die konservative ÖVP jegliche Kooperation mit der FPÖ ausgeschlossen. Und nun wird ein Rechts­extremer Bundes­kanzler. Immerhin: Das Gesetz wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt, obwohl Union, FDP, AfD und BSW Zustimmung angekündigt hatten und zusammen eigentlich über genügend Stimmen verfügt hätten.