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SPD-Fraktionschef im Bundestag Rolf MützenichDer leise Machtmensch aus Köln

Lesezeit 4 Minuten
Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, im Bundestag.

Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, im Bundestag.

Der 64-Jährige ist für zwei weiter Jahre zum SPD-Fraktionschef gewählt worden. Seine zurückhaltende Art kommt Bundeskanzler Olaf Scholz gelegen.

Rolf Mützenich dankt. Gern und oft. Anerkennung für andere ist Teil seiner ausgesuchten Höflichkeit, die einem in dieser Ausprägung so selten begegnet, dass man anfangs Zweifel haben mag, ob sie ernst gemeint ist. Erst recht in der Politik.

Obendrein meidet der SPD-Fraktionschef noch das Scheinwerferlicht. Er geht nicht in Talk-Shows. Zu viel Effekthascherei, zu wenig Austausch – er formuliert das natürlich nicht so, sondern sagt lieber, er wolle sich nicht „aufdrängen“. Er bedient sich auch nicht aus dem Füllhorn der medialen Verbreitungsmöglichkeiten. Er sucht keine Kamera, drängt nicht auf Fotos, und die Mitteilungsplattform Twitter ist auch unter ihrem neuen Namen X nichts für Mützenich.

Der 64-Jährige Kölner wirkt wie aus der Zeit gefallen – aus dieser hektischen, schnelllebigen, oft aggressiven gegenwärtigen Politik. Er macht da einfach nicht mit. Er macht es einfach anders. Leiser, zurückhaltender, bescheidener. Seit Hans-Jochen Vogel vor mehr als 30 Jahren die Fraktion führte, konnte oder wollte sich niemand länger als vier Jahre an ihrer Spitze halten. Mützenich, der 2019 ad hoc als Übergangslösung nach dem Rücktritt von Andrea Nahles einen durch Intrigen, Missgunst und Hilflosigkeit verwüsteten Laden übernahm, ist nun am Montag zum dritten Mal gewählt worden, die SPD-Fraktion im Bundestag zu führen.

Mützenich ist zäh und hat politisches Gewicht

Warum übergibt er den Staffelstab nicht Jüngeren? Sein Stellvertreter Matthias Miersch (54) war im vorigen Jahr als Nachfolger gehandelt worden. Ausgerechnet in einer Phase, als Mützenich wegen einer Corona-Infektion in Quarantäne war. „Der Spiegel“ schrieb damals, es sei ein „offenes Geheimnis“, dass er nicht bis 2025 amtieren wolle. Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 wirke Mützenich ausgelaugt. Gut in Erinnerung ist da noch, dass Mützenich 2021 am liebsten Bundestagspräsident geworden wäre, aber seiner Parteikollegin Bärbel Bas den Vortritt lassen musste.

Bei einer Fraktionsklausur in Dresden stellt er den Journalisten in der Ecke eines Flurs später zur Rede. Er beklagt sich nicht über die Spekulation, sondern darüber, dass der Text veröffentlicht wurde, als er gesundheitlich geschwächt war und nicht in Berlin sein konnte. Das fand er unfair.

Mützenich ist aber zäh. Ohnehin von schlanker Statur, hatte er im Wahlkampf 2021 noch einmal etliche Kilos verloren, dass man sich schon Sorgen machte. An Körpergewicht hat er nur wenig zugelegt. Politisch ist es deutlich mehr geworden.

Er hat es geschafft, die Fraktion zur Ruhe zu bringen. Seine Vorgehensweise, wenn es schwierig wird: Passende Gelegenheit abwarten, Visier hoch, Tacheles reden. Höflich natürlich. Nicht laut. Aber man sollte sich nicht täuschen. Mützenich ist trotzdem ein Machtmensch. Nur eben leise. Auch das hat dazu geführt, dass Olaf Scholz Bundeskanzler geworden ist. Geschlossenheit von Parteien strahlt mehr Sicherheit aus.

Rolf Mützenich präferiert zum Ukraine-Krieg einen defensiven Kurs

Mützenich ist als Sohn einer Arbeiterfamilie groß geworden. Nach der Hauptschule wechselte er aufs Gymnasium und studierte danach Politikwissenschaft, Geschichte und Wirtschaftswissenschaften, er promovierte mit einer Arbeit über atomwaffenfreie Zonen und internationale Politik.

Seit 2002 gehört er dem Bundestag an und innerhalb der SPD zur Parlamentarischen Linken. Sein Schwerpunkt war jahrelang die Außen- und Friedenspolitik. Bis heute wählt er auch einen defensiven Kurs, wenn es um Russlands Krieg gegen die Ukraine geht, der ihn zutiefst erschüttert.

Sein Ziel? Der Streit in der Ampel müsse aufhören. Er habe nichts dagegen, wenn die SPD „als vernünftige und mäßigende Kraft“ angesehen werde. „Aber wenn die Koalition vor allem über den Streit wahrgenommen wir, schadet das allen Teilen der Koalition. Deswegen sollten wir das abstellen.“

Die Ampel habe bisher rund 100 Gesetze, Projekte oder Maßnahmen angestoßen oder umgesetzt. „Trotzdem wird fast ausschließlich über die Handvoll geredet, wo etwas hakt. Dieses Verhältnis würde ich künftig gern umkehren, dazu können auch andere in der Koalition beitragen.“ Dass sich FDP und Grüne gefälligst endlich am Riemen reißen sollen, käme ihm nicht öffentlich über die Lippen. Man kann es aber so übersetzen.