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Steigende Corona-ZahlenExperten fordern deutliche Reduzierung der Kontakte

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Symbolbild

Berlin – Die Wucht der vierten Corona-Welle und die Ausbreitung einer im südlichen Afrika entdeckten Virusvariante erhöhen den Druck auf die Politik in Deutschland, schnell härtere Corona-Maßnahmen zu ergreifen. Die bisherigen Schritte reichen aus Sicht führender Wissenschaftler nicht aus, um die Lage unter Kontrolle zu bringen.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina fordert eine rasche und deutliche Reduzierung von Kontakten, auch bei Geimpften und Genesenen. Der voraussichtlich neue Kanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von „neuen dramatischen Herausforderungen“ und betonte, es gebe nichts, was nicht in Betracht gezogen werde.

Leopoldina: Impfquote ist nicht ausreichend

Die Sieben-Tages-Inzidenz erreichte am Samstag mit 444,3 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner einen neuen Höchstwert. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 67 125 Corona-Neuinfektionen und 303 Todesfälle. Die Impfkampagne gewinnt derweil an Fahrt. Inzwischen haben mehr als 10 Prozent (8,6 Millionen Menschen) der Bevölkerung eine Auffrischungsimpfung erhalten. 56,9 Millionen Menschen und damit 68,4 Prozent der Gesamtbevölkerung sind vollständig geimpft, 59,1 Millionen Menschen mindestens einmal. Das entspricht einer Quote von 71,1 Prozent, wie aus Zahlen des RKI vom Samstag hervorgeht.

Aus Sicht der Leopoldina ist das nicht ausreichend. Die Impfkampagne müsse massiv verstärkt und eine Impfpflicht stufenweise eingeführt werden, betont die Akademie in ihrer am Samstag veröffentlichten Stellungnahme. Ungeimpfte müssten so schnell wie möglich geimpft werden, dazu müssten sie motiviert oder in die Pflicht genommen werden.

Wichtig sei eine rasch eingeführte berufsbezogene Impfpflicht für Ärzte, Pflegekräfte und medizinische Fachberufe. Insgesamt sollten bis Weihnachten neben Erst- und Zweitimpfungen rund 30 Millionen Drittimpfungen ermöglicht werden, so die Leopoldina.

Kontakte müssten „deutlich reduziert werden"

„Unmittelbar wirksam ist es aus medizinischer und epidemiologischer Sicht, die Kontakte von Beginn der kommenden Woche an für wenige Wochen deutlich zu reduzieren“, verlangen die Wissenschaftler, zu denen auch der Berliner Virologe Christian Drosten gehört. „Aufgrund der nachlassenden Immunität müssten diese Maßnahmen vorübergehend auch für Geimpfte und Genesene gelten, die in dieser Zeit eine Auffrischungsimpfung erhalten müssen.“ Neue Virusvarianten machten schnelles und konsequentes Handeln noch dringlicher.

Mit Blick auf Kinder und Jugendliche empfiehlt die Leopoldina vorgezogene Weihnachtsferien und regelmäßige Corona-Tests mindestens dreimal pro Woche. Während des gesamten Aufenthalts in den Schulen sollten Lehrer und Schüler aller Klassenstufen Masken tragen. „Eine Aussetzung der Präsenzpflicht und ein Wechselunterricht an Schulen sowie die Schließung von Kitas sollten möglichst vermieden werden.“

RKI-Chef Wieler spricht sich gegen Großveranstaltungen aus

Auch RKI-Chef Lothar Wieler mahnte erneut, um die vierte Welle zu brechen, sei es wesentlich, Kontakte zu verringern. Großveranstaltungen dürften nicht stattfinden, sagte Wieler bei einem virtuellen Bürgerdialog. Die Impflücke müsse schnell geschlossen werden. Der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bezeichnete die Verlegung von Intensivpatienten als „Weckruf“, sich impfen zu lassen.

Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz (GMK), Bayerns Ressortchef Klaus Holetschek (CSU), verlangte rasche Beratungen über die Forderungen der Leopoldina. Diese könnten nicht ignoriert werden, sagte Holetschek der Deutschen Presse-Agentur in München. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach von einem „einen Warn- und Weckruf an Berlin“. „Die Lage ist ernster, als die meisten glauben“, sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage. „Und Omikron könnte zu einer neuen Bedrohung werden“, betonte er mit Blick auf die im südlichen Afrika entdeckte Variante. „Wir sollten daher die Hinweise der Leopoldina sehr ernst nehmen und rasch beraten.“

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Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) rief in der „Berliner Morgenpost“ den Bund auf, „eine Bundesnotbremse einzusetzen“. Mehrere Länderchefs dringen auf eine rasche Ministerpräsidentenkonferenz, andere halten dies aber nicht für erforderlich.

Der amtierende Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sagte „Bild“: „Wir brauchen dringend einen klaren, sachkompetenten Ansprechpartner in der zukünftigen Regierung.“ Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte in der „Bild“ umgehend ein Team aus altem und neuem Minister. „Die Ampel darf Corona nicht verschleppen, es droht ein nationales Corona-Drama.“ SPD-Kanzlerkandidat Scholz versicherte am Rande des Juso-Bundeskongresses in Frankfurt, es gebe eine derzeit eine enge Zusammenarbeit der künftigen und der jetzigen Regierung.

Auch Kommunalverbände halten die jetzt geltenden Corona-Maßnahmen für unzureichend. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Unser Gesundheitssystem kommt an seine Grenzen, die Infektionszahlen steigen ungebremst.“ Volle Fußballstadien und Großveranstaltungen setzten ein vollkommen falsches Signal. Die bisher von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen reichten zur wirksamen Bekämpfung der Pandemie erkennbar nicht aus. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, sagte der dpa: „Wenn die Situation weiter außer Kontrolle gerät, führt kein Weg an erneuten Kontaktbeschränkungen vorbei.“

Omikron-Variante breitet sich aus

Sorgen bereitet auch die zuerst im südlichen Afrika nachgewiesene Omikron-Variante (B.1.1.529). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft sie als „besorgniserregend“ ein. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC spricht von ernsthaften Sorgen, dass die Variante die Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe erheblich verringern und das Risiko von Reinfektionen erhöhen könnte.

Welche genauen Auswirkungen die Variante hat, steht aber noch nicht fest.Wegen der Variante stuft die Bundesregierung Südafrika, Namibia, Simbabwe, Botsuana, Mosambik, Eswatini, Malawi und Lesotho ab Sonntag, 0.00 Uhr, als Virusvariantengebiete ein, wie das RKI am Freitagabend mitteilte. Fluggesellschaften dürfen damit im Wesentlichen nur noch deutsche Staatsbürger oder in Deutschland lebende Personen von dort nach Deutschland befördern. Für Einreisende gilt eine zweiwöchige Quarantänepflicht - auch für Geimpfte und Genesene.

Zwei Fälle der Omikron-Variante wurden in Großbritannien entdeckt, wie Gesundheitsminister Sajid Javid am Samstag mitteilte. In Deutschland gibt es nach Angaben von Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) einen Verdachtsfall bei einer Person, die bereits am 21. November eingereist war. Bei einem am Freitagabend in München angekommenen Flug aus Kapstadt wurden laut bayerischem Gesundheitsministerium zwei Menschen positiv auf das Coronavirus getestet. Um welche Variante des Virus es sich dabei handelt, war zunächst unklar. Die Genomsequenzierungen laufen bei den Fällen in Hessen und Bayern, in Frankfurt wird am Montag ein genaues Ergebnis erwartet.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte am Freitagabend in den ARD-„Tagesthemen“, wenn die möglicherweise gefährliche Variante auch Deutschland erreichen würde, dann wäre das ein riesiges Problem. „Denn es ist nichts schlimmer, als eine besonders gefährliche Variante in eine laufende Welle hineinzubekommen.“ (dpa)