Die Ukraine braucht mehr Waffen, soviel ist klar. Auch Kanzler Scholz will die drei Milliarden locker machen – knüpft dies aber an Bedingungen.
Parteipolitik statt Hilfe?„Erpressung“, „Tiefpunkt“ – Vorwürfe gegen Scholz wegen Ukraine-Milliarden
Die Unionsfraktion im Bundestag signalisiert Zustimmung zu einem zusätzlichen Waffenpaket für die Ukraine im Wert von drei Milliarden Euro noch vor der Bundestagswahl im Februar. „Bei diesem Drei-Milliarden-Paket geht es insbesondere um die Stärkung der ukrainischen Luftabwehr. Das heißt, es geht um den Schutz von Wohnvierteln, Krankenhäusern und Schulen vor russischen Raketen- und Drohnenangriffen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Einer entsprechenden Vorlage im Haushaltsausschuss würde die Unionsfraktion daher zustimmen.“
Die zusätzlichen Ukraine-Hilfen sollten nach Ansicht der Union allerdings nicht über neue Schulden finanziert werden. „Es wäre eine außerplanmäßige Ausgabe“, sagte Frei. Er ergänzte: „Ein Grund, die Schuldenbremse aufzugeben, ergibt sich daraus allerdings in keiner Weise.“ Es solle nicht vergessen werden, dass der Bund trotz der Schuldenbremse auch in diesem Jahr etwa 50 Milliarden Euro an weiteren Schulden aufnehmen könne. „Die Bundesregierung hat genügend Flexibilität“, sagte der CDU-Politiker.
SPD besteht auf Aussetzen der Schuldenbremse
Die SPD will noch vor der Bundestagswahl eine Entscheidung über neue Waffenlieferungen an die Ukraine im Wert von drei Milliarden Euro herbeiführen. Zur Finanzierung besteht sie aber auf ein Aussetzen der Schuldenbremse wegen einer besonderen Notlage. Diese Haltung hatte Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch in einem RTL-Interview im Rahmen des „Kandidatencheck“ erläutert. Die Hilfe sei nur über eine gesonderte Kreditaufnahme möglich, „weil sonst das Geld nicht da ist“, sagte er.
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Neu ist der Vorschlag nicht: Scholz hatte dies bereits in der Endphase der Ampel-Regierung im vergangenen Jahr vorgeschlagen – wissend, dass die FDP einem Aussetzen der Schuldenbremse niemals zustimmen würde. Letztlich zerbracht die Ampel an dieser Frage.
„Erpressung“, „Winkelzug“: Röttgen und Wadephul kritisieren Scholz
„Ich würde auch jetzt das noch beschließen, wenn alle mitmachen bei einem Beschluss: Wir finanzieren das extra über Kredite“, sage Scholz jetzt zu dem von ihm vorgeschlagenen „Überschreitensbeschluss“. Aber dann müssten „einige über ihren Schatten springen“, sagte der Kanzler in Richtung CDU und FDP. Wer das nicht wolle, müsse sagen, wo die fehlenden Mittel herkommen sollten. Scholz bezifferte das Loch in dem noch nicht beschlossenen Haushalt 2025 auf 26 Milliarden Euro.
CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen äußerte sich auf der Plattform X, ehemals Twitter, empört über die Haltung der SPD. Röttgen, ein ausdrücklicher Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine, wirft der Kanzlerpartei vor, das angegriffene Land erneut zum Spielball von innenpolitischer Taktik zu missbrauchen. Die Ukraine diene der SPD als „reines Erpressungsinstrument“, schreibt Röttgen.
Auch Unionsfraktionsvize Johann Wadephul warf Scholz ein durchsichtiges Wahlkampfmanöver vor. „Scholz' neuer Winkelzug in der Frage weiterer Hilfe für die stark bedrängte Ukraine ist ein echter Tiefpunkt im derzeitigen Wahlkampf“, kritisierte der Verteidigungsexperte. Der Kanzler versuche, die wirtschaftlichen Sorgen vieler Menschen gegen die notwendige Solidarität mit der Ukraine auszuspielen. Es sei bei einem geplanten Haushalt 2025 von fast 490 Milliarden Euro nur schwer nachvollziehbar, dass es nicht möglich sein solle, drei Milliarden Euro auch ohne Aussetzen der Schuldenbremse aufzubringen.
Ex-General: Keine Parteipolitik bei Ukraine-Hilfe
Gegen das Vermischen der Ukraine-Unterstützung mit deutscher Parteipolitik sprach sich auch Egon Ramms aus. In einem Phoenix-Interview betonte der ehemalige Nato-General, wie wichtig unter anderem weitere Waffenlieferungen aus Deutschland seien. Die Ukraine sei vom Westen abhängig, bisher seien die Hilfen zu gering und zu spät ausgefallen. „Parteipolitische Verzögerungsprozesse“ würde letztlich Menschenleben dort kosten.
Auch FDP und Grüne haben sich für die zusätzlichen Ukraine-Hilfen ausgesprochen. Wie die Union wollen sie diese Hilfen aber nicht über neue Schulden, sondern über eine „außerplanmäßige Ausgabe“ finanzieren. FDP-Generalsekretär Marco Buschmann sprach bei X ähnlich wie CDU-Politiker Röttgen von „Erpressung“. Scholz sei es nie um die Ukraine gegangen.
Die Grünen erhöhten zuletzt auch den Druck auf den Kanzler, die drei Milliarden freizugeben. Anton Hofreiter bezeichnete das Verhalten von Scholz als „beschämend“, da zusätzliche Waffenhilfe in der Ukraine vor allem für den Schutz der Infrastruktur und der Zivilbevölkerung benötigt werde.
Pistorius will Ukraine-Milliarden als außerplanmäßige Ausgabe
Auch Hofreiters Parteifreundin Außenministerin Annalena Baerbock befürwortet ausdrücklich die zusätzliche Milliardenhilfe. Aber auch in der SPD gibt es Politiker, die der Ukraine gerne schneller mehr Waffen zur Verfügung stellen würden. Verteidigungsminister Boris Pistorius drückt sich allerdings diplomatischer aus. Er sprach nicht von einer „Blockade“, sondern von einem „fiskalischen Problem“, das lösbar sei. Wie auch FDP-Chef Christian Lindner will Pistorius die drei Milliarden über eine außerplanmäßige Ausgabe finanzieren.
SPD-Außenpolitiker Michael Roth kritisiert die Haltung weiter Teile seiner Partei zur Ukraine seit langem. Wer wirklich Frieden wolle, müsse die Ukraine stärken, so Roth im Interview mit „Politico“ und positioniert sich indirekt gegen die vom Kanzler häufig für sich reklamierte Haltung der „Besonnenheit“.
Eine solche „außerplanmäßige Ausgabe“ wäre nach Artikel 112 des Grundgesetzes nur unter einer Bedingung möglich: „Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden.“ Ein Beispiel für eine solche Ausgabe waren 2013 Soforthilfen für Flutopfer nach schweren Überflutungen in Teilen Deutschlands. (cme/dpa)