- Zum ersten Mal gibt es Bilder vom Besuch einer deutschen Abgeordneten-Delegation in der Ukraine.
- Bundeskanzler Olaf Scholz dagegen hat angekündigt, erstmal nicht in die Ukraine reisen zu wollen.
- Eine kommentierte Bildbetrachtung.
Sie sehen ein wenig aus wie die Hauptdarsteller der nächsten Netflix-Mystery-Serie, wenn sie so düster und geschlossen in die Kamera blicken: Das Bild, was die Delegation deutscher und ukrainischer Parlamentarier am Mittwoch von ihrem Treffen in der Westukraine senden, hat aber eine viel ernstere Botschaft: Wir stehen zusammen, wir sind eine Einheit, sagen die sieben Gesichter unisono. Ein Bild mit historischer Strahlkraft auf dem eine Person leider fehlt: Bundeskanzler Olaf Scholz.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist von Beginn an auch ein Krieg der Bilder gewesen, und er ist es immer noch. Da ist der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der Arm in Arm ein Selfie mit seinem Verteidigungsminister macht, während Russlands Präsident Putin seine Minister an der langen Tafel empfängt. Selenskyj, wie er mit seinen Mitstreitern durch die Straßen Kiews läuft, Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko in Militär-Montur.
Ukraine-Besuch lässt selbst Boris Johnson gut aussehen
Ebenso beeindruckend der Handschlag von EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola mit Selenskyj in Kiew, gefolgt vom Besuch des britischen Premierministers Boris Johnson oder von EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen.
Es sind Bilder, die nicht nur Einigkeit und Unterstützung symbolisieren, sie lassen selbst den krisengeschüttelten Johnson auf einmal sympathisch wirken. Der Auftritt von Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer bei Wladimir Putin wurde dagegen eher negativ beurteilt.
Aus deutscher Sicht fehlten diese Symbolbilder bis zum Wochenanfang, als mit Michael Roth (SPD), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) und Anton Hofreiter (Grüne) drei Bundestagsabgeordnete der Ampel-Koalition auf ukrainische Parlamentarier trafen. Das Foto vor einem zerbeulten und zerstörten Wassertank ist beeindruckend und wichtig zugleich, zeigt es doch, dass die deutsche Ukraine-Politik aus mehr als Worten und Versprechungen besteht.
Verpasste Chance für Olaf Scholz
Und dennoch ist es auch eine verpasste Chance in der deutschen Symbolpolitik: Denn es ist eben nicht Bundeskanzler Olaf Scholz, der dort mit den ukrainischen Abgeordneten steht, sondern „nur“ eine Gruppe deutscher Abgeordneter.
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Dass Scholz zudem am Mittwoch verkündete, vorerst nicht nach Kiew zu reisen, mag zum einen eine Retourkutsche für Selenskyjs Absage an Frank-Walter Steinmeier sein, zum anderen ist es vielleicht die Angst, plötzlich als Kriegspartei in den Russland-Ukraine-Konflikt zu geraten.
Unabhängig davon zahlt es aber auf das Image des zögerlichen Kanzlers ein, das sich Olaf Scholz in seinen fünf Monaten im Amt aufgebaut hat. Der SPD-Politiker gilt als jemand, der lieber erst seine Arbeit bis ins letzte Detail macht, bevor er sie präsentiert.
Ukraine: Olaf Scholz spielt ein gefährliches Spiel
Als Bundeskanzler kann er sich lange Schweigephasen in der Öffentlichkeit aber nicht ständig erlauben, vor allem in einer sich so schnell verändernden Lage. Scholz will als sachlicher Bundeskanzler verstanden werden, kommt aber derzeit eher als zögerlicher Zauderer daher.
Sonst muss er sich nicht wundern, wenn nach Steinmeier auch ein Bundeskanzler in Kiew nicht als Gast erwünscht ist. Ob eine Absage an Scholz, wenn er das Zaudern überwunden hat, klug wäre, steht natürlich auf einem völlig anderen Blatt Papier. (shh)