Christian Lindner soll in Kiew vor allem über Finanz- und Wirtschaftshilfe sprechen, doch ein anderes Thema begleitet seine Reise.
Finanzminister in KiewLindner zeigt Sympathie für Taurus-Lieferungen
Es ist der erste Besuch von Christian Lindner in Kiew, seit Russland im Februar 2022 seinen Krieg gegen die Ukraine aufs gesamte Land ausgeweitet hat. Lindner kommt dabei einerseits in seiner Rolle als FDP-Chef: Es sei ein bewegend, wieder hier zu sein, sagt er am Morgen nach seiner Ankunft mit dem Zug in die TV-Kameras – und wirkt tatsächlich angefasst: „Ich bin zuletzt Anfang 2020 in Kiew gewesen“, erzählt er über seine damaligen Gespräche mit Regierung, Opposition und Wirtschaft.
„Ich hab seinerzeit eine Gesellschaft und ein Land kennengelernt, die sich entschieden haben für Demokratie, Marktwirtschaft, für einen Weg in Richtung auf den politischen Westen und seine Werte“, sagt Lindner. Gerade wegen der Entscheidung „für die Gemeinschaft der liberalen Demokratien“ werde die Ukraine von Russland angegriffen.
Lindner wägt ukrainische Forderungen gegen deutsche Zwänge ab
Zugleich kommt Lindner aber als deutscher Finanzminister, und in dieser Rolle trifft er auf ganz konkrete Forderungen der Ukraine, die er gegen deutsche Zwänge abwägen muss. So betont zwar auch er – wie zuvor Bundeskanzler Olaf Scholz, mehrere Bundesminister und andere deutsche Spitzenpolitiker bei deren Kiew-Besuchen –, dass man weiter an der Seite des angegriffenen Landes steht: „Die Ukraine darf diesen Krieg nicht verlieren“, proklamiert Lindner.
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Aber als Finanzminister weiß er auch: Deutschland hat die Ukrainer bereits mit 22 Milliarden Euro unterstützt, inklusive der Milliardenhilfen für ihre Geflüchteten in Deutschland sowie Militärhilfen von mehr als 12 Milliarden Euro. Beides ist in der deutschen Bevölkerung nicht unumstritten, und auch deshalb wird Lindners Kiew-Besuch schon wieder von einer Debatte um Waffenlieferungen begleitet.
Am Wochenende hatte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erneut um deutsche Taurus-Marschflugkörper gebeten und versichert, sie würden nicht gegen russisches Territorium eingesetzt. Denn diese Sorge äußern die Gegner solcher Lieferungen, zuletzt etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU): „Ich bin ganz klar gegen die Lieferung von Marschflugkörpern“, sagte er dem „Spiegel“. „Wollen wir wirklich in Kauf nehmen, dass deutsche Raketen in Russland einschlagen könnten?“
Großbritannien und Frankreich liefern vergleichbare Waffen, die USA nicht
Die Ukraine, deren Gegenoffensive bislang kaum vorankommt, fordert die Marschflugkörper, um Stellungen russischer Streitkräfte auch hinter der Frontlinie angreifen und um Bunker und geschützte Gefechtsstände zerstören zu können. Auf bis zu 500 Kilometer sind die Taurus einsetzbar.
Scholz hält die Entscheidung offen. Im ZDF sagte er zur Taurus-Frage nur, die Bundesregierung prüfe jede einzelne Entscheidung stets sorgfältig. Das ist jedenfalls keine Absage, und bislang gingen die meisten Prüfungen letztlich zugunsten von Lieferungen aus. Scholz selbst verwies darauf, dass Deutschland inzwischen nach den USA größter Waffenlieferant der Ukraine sei. Laut Medienberichten spricht das Verteidigungsministerium bereits mit der Rüstungsindustrie über die Taurus-Waffen – auch über die Frage, deren Reichweite technisch zu begrenzen.
Gegen solche Lieferungen sprachen sich am Montag neben Kretschmer auch die Linkspartei und mehrere SPD-Abgeordnete aus – während Stimmen aus FDP, Grünen und Union sich dafür stark machen und auch SPD-Chefin Saskia Esken sie nicht ausschließt: „Es bleibt beim besonnenen Kurs, der sich eng an der Abstimmung mit unseren westlichen Partnern orientiert“, sagte sie der „Rheinischen Post“. Großbritannien und Frankreich liefern vergleichbare Waffen, die USA nicht.
Lindner zeigt Sympathien für die Lieferung
Lindner lässt in Kiew nun Sympathien für die Lieferungen erkennen: Deutschland werde im Kreis der Verbündeten beraten, was möglich sei, sagt er auf einer Pressekonferenz zur Taurus-Frage. „Da ich weiß, dass viele für eine solche Unterstützung Sympathie haben, wie ich selbst auch, hoffe ich auf eine baldige, sehr baldige Klärung dieser Fragen.“
Er habe mit seinem Amtskollegen Serhiy Marchenko und mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko jedoch auch über viele andere konkrete Hilfsprojekte gesprochen: etwa darüber, das Land attraktiver für ausländische Direktinvestitionen zu machen, und über Kredite für den Wiederaufbau. Klitschko verkündet danach, ihm seien die Taurus-Lieferungen besonders wichtig gewesen: Er habe gegenüber Lindner darauf gedrängt, dass es dabei keine Verzögerungen geben dürfe.