Nach der US-Wahl rückt die Ukraine in den Fokus. Trump will schnellen Frieden. Putin will das für seine Zwecke nutzen, sagen Insider.
Insider über Putins KalkülMoskau will „nützliche Eigenschaft“ von Trump ausnutzen
Donald Trump ist wieder da. Der Republikaner wird erneut US-Präsident, Kamala Harris ist geschlagen – mit internationalen Auswirkungen. Vor allem für ein Land in Europa war die Präsidentschaftswahl in den USA besonders richtungsweisend. Seit Februar 2022 führt Russland unerbittlich Krieg gegen die Ukraine.
Bisher halten Kiews Truppen dem täglichen russischen Terror stand, dennoch rückt Moskaus Armee zuletzt in bedrohlich großen Schritten vor. Dass die Ukraine sich überhaupt verteidigen kann, liegt auch an amerikanischen Waffenlieferungen. Doch wird es die unter Donald Trump in Zukunft noch geben?
Donald Trump will Frieden: Wie viel Ukraine wird es dann noch geben?
Welche Pläne hat der Republikaner für die Ukraine? Welcher Deal mit dem von ihm oft gepriesenen Kremlchef Wladimir Putin schwebt Trump vor? Und wie viel von der Ukraine wird es nach Trumps „Friedensinitiativen“ noch geben? Trumps Rückkehr wirft Fragen auf.
Der Republikaner hat immer wieder damit geprahlt, Russlands Krieg in der Ukraine in kürzester Zeit beenden zu können, sollte er erneut US-Präsident werden. Innerhalb von 24 Stunden nach seiner Wahl, mindestens aber noch vor seinem Amtsantritt werde Frieden herrschen, versprach Trump sogar – und blieb stets eine Erklärung schuldig, wie dieses Vorhaben gelingen soll.
Deutliche Worte aus Moskau: „Die Ziele werden erreicht werden“
Moskau, das wurde rund um die US-Wahl überdeutlich, hat offenbar nicht vor, Trump ein Antrittsgeschenk zu machen oder in der Ukraine klein beizugeben. Auch wenn Trumps Wiederwahl das Wunschergebnis des Kremls ist, scheint das an Moskaus Kurs nichts zu ändern, so die eindeutigen Signale. Im Gegenteil scheint man im Kreml in Trump vor allem die Chance zu sehen, die eigenen Ziele mit weniger Widerstand zu erreichen – und dabei auch Europa schwächen zu können.
„Die Ziele der militärischen Spezialoperation bleiben unverändert und werden erreicht werden“, stellte der frühere Kremlchef Dmitri Medwedew noch am Wahlmorgen fest. Und zeigte damit auch direkt auf, welchen Nutzen man in Russland aus der US-Wahl ziehen will. Donald Trump habe „eine für uns nützliche Eigenschaft“, erklärte Medwedew.
„Er hasst es, Geld für Mitläufer und Schmarotzer auszugeben“
„Er hasst es absolut, Geld für Mitläufer und Schmarotzer auszugeben, für törichte Verbündete, sinnlose Wohltätigkeitsprojekte und aufgeblähte internationale Organisationen“, führte der Putin-Vertraute aus. Die Ukraine falle in diese Kategorie, so Medwedew.
Trump sei aber nicht stärker als „das System“, das ihn dazu bringen werde, ebenfalls zum Krieg beizutragen, orakelte der nunmehrige Vizechef des russischen Sicherheitsrates weiter. Kurz vor der Wahl hatte Medwedew Trump sogar noch mit drastischer Wortwahl gedroht, er „könnte der neue JFK“ werden, sollte er versuchen, den Krieg zu beenden.
„All die Russophobiker werden das Weiße Haus hoffentlich verlassen“
Dass Moskau dennoch auf Trumps Wahlsieg gehofft hat, ist offenkundig. „Diejenigen, die gewinnen, sind diejenigen, die mit Liebe für ihr eigenes Land leben und nicht mit Hass gegen andere“, schrieb die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa bei Telegram. „All die glühenden Russophobiker, die gegen Russland agiert haben, werden das Weiße Haus nun hoffentlich verlassen“, erklärte Walentina Matwijenko, Sprecherin des russischen Oberhauses, laut russischen Medien.
Gleichzeitig bremst man in Moskau Hoffnungen auf eine schnelle diplomatische Lösung für den Krieg. Die Politik der USA werde sich „nicht drastisch ändern“, so Matwijenko. Auch Leonid Slutsky, Duma-Abgeordneter der Regierungspartei, gab sich zurückhaltend.
Mit Trump als Präsident: Moskau hofft auf Ende von US-Hilfe für Ukraine
„Eine Chance“ für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Moskau und Washington sei Trumps Wahl vor allem, da die Republikaner „nicht beabsichtigen, weiterhin amerikanische Steuergelder in einen Stellvertreterkrieg gegen Russland zu stecken“, so Slutsky. Moskaus Ziele in der Ukraine bleiben also bei jeder denkbaren Annäherung im Fokus.
Unter der Bedingung der Anonymität wurden Moskauer Regierungsbeamte derweil noch deutlicher, wie die „Moscow Times“ berichtet. Demnach schilderten mehrere Moskauer Insider der Zeitung die Pläne im Kreml nach Trumps Wahlsieg.
Putins Plan mit Trump: „Bis zur Amtseinführung voranschreiten“
„Bis zur Amtseinführung werden wir weiter voranschreiten“, zitierte die Zeitung eine ihrer Quellen. Sollte die Ukraine durch weitere militärische Fortschritte dann noch mehr in Bedrängnis geraten sein, werde es für Trump nur noch einfacher, auf Verhandlungen zu setzen, schilderte der Beamte das Kalkül in Moskau.
Die Wahl des Republikaners sei eine Chance dafür, den Krieg „zu Gunsten Russlands zu beenden“, berichtete die „Moscow Times“ weiter über die Einschätzung ihrer Quellen im Kreml. Trump werde „verzweifelt“ nach Möglichkeiten suchen, sein Wahlversprechen des schnellen Friedens umzusetzen, glaubt man demnach in Moskau.
Macht Moskau sich Donald Trumps Eitelkeit zu Nutze?
„Trump wird das wollen, vorausgesetzt, er steht im Mittelpunkt und kann dann seinen Friedensnobelpreis einfordern“, hieß es demnach aus Kreisen des Außenministeriums. Dort will man Trumps Eitelkeit offenbar für sich nutzen. „Sein Eigeninteresse war immer wichtig und wird es auch bleiben“, so einer der Insider.
Erschwert werden könnte der Plan, den Krieg mithilfe Trumps zu Gunsten Russlands zu entscheiden, allerdings durch die Demokraten, die nun noch zwei Monate am Ruder seien, fürchtet man in Moskauer Regierungskreisen. Da US-Präsident Joe Biden nichts mehr zu verlieren habe, könnte Washington etwa Angriffe tief auf russischem Territorium genehmigen – und damit die Gespräche mit Trump erschweren.
Stört Biden mögliche Verhandlungen zwischen Trump und Putin?
Dass Trump das Engagement der USA für die europäische Sicherheitsarchitektur nach Amtsantritt verringern will, sieht man in Moskau derweil positiv – aus simplem Grund. „Wenn er beschließt, die Last den Europäern zu überlassen, wäre das positiv für uns, weil Europa nicht die finanziellen Ressourcen dafür hat“, zitierte die „Moscow Times“ einen russischen Diplomaten.
Allerdings weiß auch in Moskau noch niemand so genau, was Trump überhaupt vorhat. Über die Pläne des Republikaners ist inhaltlich nur wenig bekannt geworden. Die Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine, auf die man in Moskau spekuliert, wurde immer wieder als eine von Trumps Überlegungen berichtet. Der Republikaner hatte sich mehrmals kritisch über die US-Hilfe für Kiew geäußert. Gleichwohl genehmigte Trump in seiner ersten Amtszeit Waffenlieferungen an Kiew.
Was plant Donald Trump für Russlands Krieg in der Ukraine?
Zu diesem Kurs würde ein Vorschlag von Mike Pompeo passen, der als Verteidigungsminister in Trumps Kabinett gehandelt wird. Pompeo setzt dabei auf eine deutlich härtere Gangart gegenüber Moskau – inklusive der Aufrüstung der Ukraine und der Aufnahme des Landes in die Nato, das allerdings wohl mit Zeitverzug. Gebietsverluste müsste Kiew auch bei Pompeos Plan hinnehmen. Und ob die Waffen noch aus den USA kommen würden, scheint derzeit auch völlig offen.
„Wir können Ausbildung und andere Unterstützung leisten, aber der Lauf der Waffe wird europäisch sein“, sagte ein Mitglied von Trumps Team nach dem Wahlsieg des Republikaners nun dem „Wall Street Journal“ – und bestätigte damit, dass der neue US-Präsident das Engagement der USA deutlich reduzieren will.
„Das sollen die Polen, Deutschen, Briten und Franzosen machen“
„Wir schicken keine amerikanischen Männer und Frauen, um den Frieden in der Ukraine zu sichern. Und wir werden auch nicht dafür bezahlen. Das sollen die Polen, Deutschen, Briten und Franzosen machen“, hieß aus dem Trump-Lager. Auch eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine sei erst in einigen Jahren denkbar, so die Pläne in Washington. Warum Putin einen solchen Deal annehmen sollte, blieb offen. Auch ob und wie Kiew in diesen Prozess eingebunden werden soll, ist unklar.
In der ukrainischen Hauptstadt scheint man zu wissen, dass unsichere Zeiten auf das Land zukommen dürften. Präsident Wolodymyr Selenskyj lobte Trump überschwänglich und gratulierte dem Republikaner als einer der ersten zu seinem „historischen Erdrutschsieg“ bei der US-Wahl. Er habe ein „ausgezeichnetes Gespräch“ mit Trump geführt, erklärte Selenskyj. „Wir sind übereingekommen, einen engen Dialog zu führen und unsere Zusammenarbeit voranzutreiben“, hieß es aus Kiew.
Viktor Orbán über Donald Trump: „Wir haben große Pläne für die Zukunft“
Wladimir Putin, der Verhandlungen mit Kiew ausgeschlossen hat, solang sich ukrainische Truppen auf russischem Territorium befinden, wollte Trump unterdessen zunächst nicht zum Wahlsieg gratulieren. Einer der glühendsten Unterstützer Putins innerhalb der Europäischen Union zeigte sich weniger zurückhaltend.
„Mar-a-Lago ruft an“, verkündete Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán am Mittwoch. „Ich hatte gerade mein erstes Telefongespräch mit Präsident Trump seit den Wahlen“, berichtete der Ungar, der ein vehementer Gegner von westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine ist, von seiner Unterredung mit Trump. „Wir haben große Pläne für die Zukunft“, fügte Orbán an. Nicht nur in Kiew dürfte man sich da fragen, wie die wohl aussehen.