Sigmar Gabriel fordert eine deutlich härtere Gangart gegen Russland – für seine Worte gibt es Kritik, auch aus der eigenen Partei.
Kritik aus eigenen Reihen„Niederringen wie im Kalten Krieg“ – Gabriel offen für Bundeswehr-Einsatz in der Ukraine
Angesichts der anhaltenden russischen Angriffe in der Ukraine dringt der frühere Bundesaußenminister Sigmar Gabriel auf eine härtere Gangart des Westens. Notfalls könne dies auch ein weitergehenderes Engagement der Bundeswehr bedeuten, sagte der frühere SPD-Chef dem Magazin „stern“. So würde er nicht ausschließen, „dass deutsche Raketenabwehrsysteme mithilfe der Bundeswehr Flugverbotszonen in der Ukraine durchsetzen“, um damit ukrainische Städte vor den russischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung zu schützen.
„Ich hätte nicht gedacht, das einmal sagen zu müssen: Aber wir werden Russland noch einmal so niederringen müssen, wie wir das im Kalten Krieg mit der Sowjetunion gemacht haben“, sagte der frühere SPD-Vorsitzende weiter. „Putin muss erkennen, wie ernst wir es meinen“, forderte er. „Es braucht das klare Signal an Putin: Stopp diesen Krieg – oder wir tragen ihn zu dir.“
Sigmal Gabriel über Wladimir Putin: „Er führt Krieg gegen den Westen“
„Niemand wünscht sich, die Bundeswehr in einen Krieg führen zu müssen“, stellte Gabriel klar. „Aber wenn die Gefahr wächst, dass die Ukraine verliert, dann zerstört das auch unser bisheriges Leben in Frieden und Sicherheit in Europa“, warnte er. Putin denke längst weit über die Ukraine hinaus: „Er führt einen Krieg gegen den Westen, den er für dekadent hält, dessen Werte er ablehnt und als Gefahr für seine Macht sieht. Deshalb müssen wir Russland weit härter entgegentreten, als wir das bislang tun.“
Konkret warb Gabriel, der mit seiner Forderung einen gegensätzlichen Kurs zu führenden SPD-Politikerin wie Bundeskanzler Olaf Scholz oder Fraktionschef Rolf Mützenich einschlägt, für eine Doppelstrategie: „Putin unseren Eisenfuß entgegenstellen und zugleich nach Gesprächsformaten und damit nach Auswegen aus dem Krieg suchen.“
Sigmar Gabriel setzt auf Friedenskonferenz mit China
Dazu gehöre auch eine weitere Friedenskonferenz. „Neben der Konferenz in der Schweiz bedarf es einer zweiten Friedenskonferenz, auf der sich Russlands Gesprächspartner treffen.“ Die Gruppe der Russland-nahen Länder könne dabei von China geführt werden, so Gabriel. Die jetzt anstehende Friedenskonferenz soll am Wochenende in der Schweiz beginnen, aber ohne eine Teilnahme Russlands. Aus der ukrainischen Regierung hieß es am Mittwoch, zu einem zweiten Gipfeltreffen könnten auch russische Vertreter eingeladen werden.
Für seinen China-Kurs gab es für Gabriel Kritik aus den eigenen Reihen. SPD-Politiker Michael Roth schrieb bei X, Gabriels Umgang mit China zeige, „dass man nichts aus den Fehlern der Vergangenheit lernen will oder kann“. Zuvor hatte der Politikwissenschaftler Thorsten Benner sich kritisch zu Gabriels China-Kurs geäußert.
Lob aus der FDP und Kritik aus den eigenen Reihen für Sigmar Gabriel
Der von Gabriel erwähnte „Eisenfuß“ gegenüber Putin funktioniere nicht, wenn man Peking weiter einen „Blankoscheck“ ausstelle, erklärte Benner. China sei „Putins größter militärischer, wirtschaftlicher und politischer Unterstützer“, erklärte Benner bei X und fügte an: „Das aber tut Gabriel.“
Parteikollege Roth kommentierte zudem Gabriels früheren russlandfreundlichen Kurs als Außenminister. „Bitte erinnert mich daran, wenn ich als Ex das komplette Gegenteil von dem sage, was ich noch zu Amtszeiten für richtig hielt“, schrieb SPD-Abgeordnete.
Sigmar Gabriel: „Ich gehöre zu den Politikern, die sich in Russland geirrt haben“
Gabriel, der derweil von FDP-Politiker Oliver Luksic für seine Aussagen als „kluger Sozi“ gelobt wurde, hatte sich zuvor im „stern“ auch zu seiner früheren Politik geäußert. „Ich gehöre zu den Politikern, die sich in Russland und seinem Präsidenten geirrt haben“, räumte der ehemalige Außenminister ein. „Ich möchte diesen Fehler kein zweites Mal machen.“
Nichts sei ihm lieber als ein schnelles Kriegsende, führte Gabriel aus. „Aber ich befürchte, dass wir dem Rat Friedrich Dürrenmatts folgen und die Wende zum Schlimmstmöglichen für denkbar halten müssen.“ Dabei gehe es nicht darum, einen offenen Krieg zwischen Russland und der Nato herbeizuführen, sondern darum „gerade das zu verhindern“. (mit afp)