Roderich Kiesewetter fordert konkrete Schritte. General Bundeswehr-Chef Carsten Breuer sagt, Deutschland müsse „kriegstüchtig“ werden.
Warnungen aus Bundeswehr und CDU„Dann werden wir Kriegspartei – genau das, was Russland will“
Der CDU-Politiker und Bundeswehr-Oberst Roderich Kiesewetter hat in einem Gespräch mit der „Deutschen Welle“ gefordert: „Der Krieg muss nach Russland getragen werden.“ Von einem Einsatz deutscher Waffen sprach er diesbezüglich nicht, erklärte jedoch: „Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden.“ Deutschland müsse „alles tun, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände“, forderte Kiesewetter.
Der CDU-Politiker setzt sich bereits lange für eine Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine ein. Das deutsche Waffensystem hat eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Für Kiew würden sich damit neue Möglichkeiten im Kampf gegen russische Nachschubwege eröffnen. Bisher lehnt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der am Wochenende bei US-Präsident Joe Biden zu Gast war, eine Taurus-Lieferung jedoch ab. Kiesewetter forderte nun, der Kanzler müsse sich für diesen Schritt „grünes Licht“ in Washington geben lassen.
Roderich Kiesewetter fordert ukrainische Angriffe auf russische Ministerien
Der CDU-Politiker begründete seine Forderungen unterdessen auch mit der Wirkung, die Schläge auf russischem Gebiet auf die Menschen in Russland entfalten würden. Es sei an der Zeit, „dass die russische Bevölkerung begreift, dass sie einen Diktator hat, der die Zukunft Russlands opfert, der die Zukunft der russischen Jugend, auch der ethnischen Minderheiten opfert“, so Kiesewetter.
Der CDU-Politiker warnte zudem vor einer ukrainischen Niederlage: „Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer würden das Land verlassen, sie würden den Zusammenhalt der europäischen Staaten gefährden.“ Sollte die USA ihre Hilfe an die Ukraine einstellen, habe das „nicht auszudenkende Konsequenzen“, erklärte Kiesewetter weiter. „Dann ist auch die deutsche Friedensordnung, ist die Europäische Union Geschichte, und wir werden Kriegspartei – genau das, was Russland will.“
Warnung von Kiesewetter: „Dann werden wir Kriegspartei, genau das, was Russland will“
Die Forderung Kiesewetters folgt unterdessen auf Warnungen vor einem Angriff Russlands auf Nato-Staaten in den nächsten Jahren. Nachdem zuvor bereits Verteidigungsminister Boris Pistorius vor einem solchen Szenario gewarnt und von notwendiger „Kriegstüchtigkeit“ gesprochen hatte, bekam der SPD-Politiker nun Rückendeckung von Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer.
Die Bundeswehr müsse innerhalb von fünf Jahren „kriegstüchtig“ werden, erklärte nun auch Breuer gegenüber der „Welt am Sonntag“. Erstmals seit Ende des Kalten Krieges werde ein möglicher Krieg von außen vorgegeben. „Wenn ich den Analysten folge und sehe, welches militärisches Bedrohungspotenzial von Russland ausgeht, dann heißt das für uns fünf bis acht Jahre Vorbereitungszeit.“ Das heiße nicht, dass es dann Krieg geben werde – aber er sei möglich. „Und weil ich Militär bin, sage ich: In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein.“
Bundeswehr-Chef Carsten Breuer: „In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein“
Es gehe am Ende darum, sich verteidigen zu können und dadurch für einen Gegner das Risiko so hoch anzusetzen, dass er sich gegen einen Angriff entscheide. „Das ist Abschreckung. Für mich ist das Sondervermögen schon ein Ausdruck dessen, dass das in der Politik angekommen ist.“
Auf die Frage, wie hoch er die Wahrscheinlichkeit einschätze, dass Wladimir Putin über die Ukraine hinausgreife, sagte Breuer der „Welt am Sonntag“: „Dazu gehört zunächst die Intention. Die erkenne ich bei Putin aus dem, was er geschrieben und gesagt hat – und aus seinen Handlungen in der Ukraine.“ Weiter gehöre ein militärisches Potenzial dazu. „Wir haben gesehen, dass in Russland per Duma-Beschluss auf Kriegswirtschaft umgestellt worden ist. Das Potenzial wächst also zurzeit.“
Bedrohliche Worte von Wladimir Putin in Richtung Baltikum
Kremlchef Putin hat zuletzt mehrere Anlässe genutzt, um bedrohliche Worte in Richtung der Ukraine und des Baltikums zu äußern. So sprach der russische Diktator von einer „entmilitarisierten Zone“, die in der Ukraine geschaffen werden solle, und dehnte den vom Kreml erfundenen Vorwurf, in Kiew sei ein „Nazi-Regime“ an der Macht, auch auf baltische Staaten aus. Auch der Vizechef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, hatte zuletzt damit gedroht, dass von der Ukraine lediglich die Region Lwiw übrig bleiben werde.
In einem Interview mit dem rechten Influencer Tucker Carlson, das eher einer Audienz glich, erklärte Putin schließlich lang und breit, dass er historischen Anspruch auf die Ukraine erhebt. Eine faktische Grundlage dafür gibt es ebenso wenig, wie einen Grund, den Worten des Kremlchefs Glauben zu schenken, der in dem Gespräch versicherte, Russland wolle keine Nato-Staaten angreifen. Der Kreml hatte jedoch auch bis kurz vor dem Angriff auf die Ukraine versichert, ein militärisches Vorgehen sei nicht geplant.
Estland: „Werden Pläne nicht ändern, nur weil Putin ein Interview gegeben hat“
Dementsprechend warnt nun auch Estland davor, Putin zu glauben. „Wir erhöhen gerade unsere Bereitschaft. Und das ist es, was alle tun müssen. Nicht nur hier in Estland, sondern alle anderen auch“, sagte der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur indessen am Sonntag. „Wir werden unsere Pläne nicht ändern, nur weil Putin ein Interview gegeben hat.“ (mit dpa)