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„Letzter erfolgreicher Test“Putin schwärmt von mit Atomsprengköpfen bestückbarem „Sturmvogel“

Lesezeit 4 Minuten
Russian President Vladimir Putin gestures while addressing the annual meeting of the Valdai Discussion Club in the Black Sea resort of Sochi, Russia, Thursday, Oct. 5, 2023. (Sergei Guneyev, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)

Russian President Vladimir Putin gestures while addressing the annual meeting of the Valdai Discussion Club in the Black Sea resort of Sochi, Russia, Thursday, Oct. 5, 2023. (Sergei Guneyev, Sputnik, Kremlin Pool Photo via AP)

Wladimir Putin präsentiert einen neuen Marschflugkörper und erwägt den Ausstieg aus einem Atomwaffentest-Abkommen.

Russlands Präsident Wladimir Putin erwägt den Teil-Ausstieg aus einem globalen Vertrag über ein Verbot von Atomwaffentests. Dies gab der Kreml-Chef am Donnerstag in Sotschi am Schwarzen Meer beim internationalen Waldai-Diskussionsforum bekannt. Putin erwähnte vor Vertretern aus rund 40 Ländern, dass Russland die Ratifizierung des sogenannten umfassenden nuklearen Teststoppvertrags, CTBT, rückgängig machen könnte.

Die Entscheidung darüber liege bei der Staatsduma, so Putin. Der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen wurde 1996 unterzeichnet und von Russland im Jahr 2000 ratifiziert.

Wladimir Putin deutet Ausstieg Russlands aus Atomwaffentest-Abkommen an

Der 1996 verabschiedete Atomteststopp-Vertrag, der ein umfassendes Testverbot vorsieht, ist jedoch noch gar nicht in Kraft getreten, weil ihn bislang nicht alle Staaten ratifiziert haben, die über Atomtechnologie verfügen. Russland hatte das Abkommen Jahr 2000 ratifiziert. Die Aussagen von Wladimir Putin könnten demnach als Drohung verstanden werden, Atomtests durchzuführen.

Der Chef der Atomteststopp-Organisation (CTBTO), Robert Floyd, hat vor dem Ausstieg Russlands aus dem globalen Vertrag über den Stopp von Nukleartests (CTBT) gewarnt. „Es wäre besorgniserregend und äußerst bedauerlich, wenn ein Unterzeichnerstaat seine Ratifizierung des CTBT überdenken würde“, sagte Floyd am Freitag.

Putin äußerte die Erwägung bezüglich des CTBT-Abkommens wohl nicht zufällig, nachdem er in Sotschi auch über die Entwicklung eines nuklearbetriebenen Marschflugkörpers gesprochen hatte. Laut Angaben von Putin habe man große Fortschritte gemacht. Das Geschoss mit dem Namen Burewestnik (deutsche Übersetzung: „Sturmvogel“) sei einem „letzten erfolgreichen Test“ unterzogen worden, sagte Putin am Donnerstag in Sotschi. Weitere Details nannte er nicht.

Marschflugkörper Burewestnik kann Atomsprengkopf tragen – Putin spricht von „erfolgreichem Test“

In der Vergangenheit waren mehrere Tests der Burewestnik allesamt gescheitert. Der strategische Marschflugkörper mit Kernenergieantrieb ist imstande, eine nukleare Nutzlast zu tragen. Ein Einsatz sei ursprünglich nur bei einem Nuklearangriff auf Russland vorgesehen, so die Analysten von „Nuclear Threat Initiative“, einer gemeinnützigen Gruppe, die sich mit Rüstungskontrolle befasst. Laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Tass von 2019 werde der Marschflugkörper von einem „kleinen Kernkraftwerk“ angetrieben.

Vorgestellt wurde die Burewestnik 2018 von Wladimir Putin als eine von sechs strategischen Atomwaffen. „Ein niedrig fliegender und schwer zu beobachtender Marschflugkörper mit nuklearem Sprengkopf, der eine nahezu unbegrenzte Reichweite, eine unvorhersehbare Flugbahn und die Fähigkeit zur Umgehung von Abfanglinien besitzt, ist für alle bestehenden und fortschrittlichen Luft- und Raketenabwehrsysteme unbesiegbar“, beschrieb das russische Verteidigungsministerium die Burevestnik damals.

Vor wenigen Tagen hatte die US-Zeitung „New York Times“ mit Verweis auf Satellitenbilder vermutet, dass Russland möglicherweise gerade Burewestnik-Tests in der Arktis vorbereite. Nun bestätigte Wladimir Putin diese Vermutung selbst.

Putin verkündete nun außerdem, dass die Arbeiten an der neuen, mit Atomsprengköpfen bestückbaren Interkontinentalrakete vom Typ Sarmat „faktisch abgeschlossen“ seien. Diese war vor einigen Wochen in den Dienst gestellt worden. Ursprünglich geplant war das allerdings schon für 2022 gewesen.

Kremlsprecher Dmitri Peskow bestreitet Planung von Atomtests

Am Freitag kommentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow die von Putin angedeutete mögliche Rücknahme der CTBT-Ratifizierung. Dieser mögliche Schritt bedeute nicht, dass Russland Tests durchführen wolle, so Peskow laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria.

„Es bedeutet keine Absichtserklärung zur Durchführung von Atomtests“, zitiert die Agentur Peskow. Gleichzeitig berichtet Ria, dass der Sprecher des Unterhauses, Wjatscheslaw Wolodin, erklärt habe, der Duma-Rat werde auf seiner nächsten Sitzung die Rücknahme der Ratifizierung des CTBT erörtern.

Weitere Äußerungen von Wolodin legen nahe, welches Resultat am Ende dieser Erörterung stehen könnte. Er bediente die russische Propagandaversion, Washington und Brüssel hätten „einen Krieg“ gegen Russland entfesselt, dies erfordere „neue Lösungen“. Die nächste Sitzung des Duma-Rates soll russischen Medien zufolge am 9. Oktober stattfinden.

Putin-Propagandistin fantasiert von Szenario mit Atombombenexplosion über Sibirien

Während im Kreml also darüber diskutiert wird, ein Abkommen zu Atomtests zurückzuziehen, schlägt eine russische Propagandistin viel schärfere Töne an. RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan, in Russland als eine der vehementesten Befürworterinnen des Ukraine-Kriegs bekannt, fantasierte in einem achtminütigen Video, das in ihrem Telegram-Blog eingestellt ist, über eine Atombombenexplosion über Sibirien. Diese solle in mehreren hundert Kilometern Höhe stattfinden.

Ein derartiges Manöver über russischem Staatsgrund würde in Russland keinen großen Schaden anrichten und solle den Westen als Warnung einschüchtern. Sibirische Politiker empfanden Simonjans Äußerungen als Beleidigung, sogar der Kreml äußerte sich und verwies ein solches Szenario ins Reich der Fabeln. Kremlsprecher Peskow dagegen verwies gegenüber der russischen Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ darauf, dass Simonjan nicht für „offizielle Stellen“ tätig sei, weshalb ihre Worte „nicht immer die offizielle Position“ widerspiegelten.