Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Putins Dogma vs. US-Präsident„Russland knallt Donald Trump die Tür vor der Nase zu“

Lesezeit 7 Minuten
Kremlchef Wladimir Putin hat US-Präsident Donald Trump erneut auflaufen lassen. Moskau beharrt weiter auf die eigenen Kriegsziele. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin hat US-Präsident Donald Trump erneut auflaufen lassen. Moskau beharrt weiter auf die eigenen Kriegsziele. (Archivbild)

Moskau versucht ein neues Manöver – und bekräftigt seine Bedingungen. Die Prognosen von Experten fallen eindeutig aus. Eine Analyse. 

Der Kreml hat seine für die Ukraine inakzeptablen Bedingungen für ein Ende des Krieges gegen das Nachbarland bekräftigt. Zuvor hatte US-Präsident Donald Trump Kritik an Kremlchef Wladimir Putin geäußert. Es scheine, als würde der russische Präsident ihn „an der Nase herumführen“ und vielleicht gar kein Kriegsende wollen, hatte Trump nach einem Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Samstag im Petersdom erklärt.

Wladimir Putins neustes Manöver

Der US-Präsident war am Rande der Beisetzung von Papst Franziskus erstmals seit dem Eklat im Weißen Haus wieder persönlich mit Selenskyj zusammengekommen – und scheint seinen vor allem in Europa viel kritisierten „Kuschelkurs“ gegenüber Moskau zumindest vorerst abgeschwächt zu haben. Auf ein neues Manöver Putins reagierte das Weiße Haus am Montag erneut reserviert.

Der Kremlchef hatte zuvor einen dreitägigen Waffenstillstand verkündet, der allerdings erst kurz vor den russischen Feierlichkeiten zum Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg am 8. Mai in Kraft treten und kurz danach wieder enden soll. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach am Montag generös von einer „Geste des guten Willens“.

Weißes Haus: Donald Trump will mehr

Tatsächlich – darin scheint man sich diesmal in Washington und Kyjiw einig zu sein – handelt es sich wohl nur um eine Verzögerungstaktik des Kremls. US-Präsident Trump ließ sich davon offenbar nicht überzeugen. „Der Präsident hat deutlich gemacht, dass er zunächst einen dauerhaften Waffenstillstand will“, kommentierte Pressesprecherin Karoline Leavitt die Ankündigung aus Moskau.

Auch Selenskyj wurde angesichts der neuerlichen Volte des Kremls deutlich – und erinnerte an die mehrmaligen Angebote der Ukraine für einen 30-tägigen Waffenstillstand. „Russland hat alles konsequent abgelehnt und versucht weiterhin, die Welt zu manipulieren und die Vereinigten Staaten zu täuschen“, schrieb Selenskyj auf der Plattform X.

„Wir schätzen Menschenleben, keine Paraden“

Putins „Waffenstillstand“ sei nur ein „weiterer Manipulationsversuch“, erklärte der ukrainische Staatschef. „Aus irgendeinem Grund sollen alle bis zum 8. Mai warten, bevor sie das Feuer einstellen – nur um Putin die Ruhe für seine Parade zu verschaffen“, stellte Selenskyj klar. „Wir schätzen Menschenleben, keine Paraden. Deshalb glauben wir, dass es keinen Grund gibt, bis zum 8. Mai zu warten“, hieß es weiter.

Dass Russland höchstwahrscheinlich weiterhin kein Interesse an einer ernstzunehmenden Waffenruhe hat, stellte zeitgleich zu Putins Versuch, Trump zu befrieden, Außenminister Sergej Lawrow erneut klar. An Moskaus Kriegszielen habe sich nichts geändert, erklärte der russische Top-Diplomat im Gespräch mit der brasilianischen Zeitung „O Globo“ – und erteilte Hoffnungen auf Kompromisse eine Absage.

Sergej Lawrow lässt keine Zweifel aufkommen

Es sei „zwingend erforderlich“, dass die von Russland besetzten ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja „international als russische Gebiete anerkannt werden“, gleiches gelte für die Halbinsel Krim, bekräftige Lawrow den Anspruch auf Territorien, die Russland teilweise bisher nicht einmal erobern konnte.

Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit Außenminister Sergej Lawrow. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin zusammen mit Außenminister Sergej Lawrow. (Archivbild)

Außerdem müsse die Ukraine auf einen Nato-Beitritt verzichten und die „Herrschaft des Neonazi-Regimes“ in Kyjiw beendet werden, forderte Lawrow. „Auf der Tagesordnung stehen die Aufgaben der Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine, die Aufhebung von Sanktionen, Klagen und Haftbefehlen sowie die Rückgabe im Westen ‚eingefrorener‘ russischer Vermögenswerte“, bekräftigte der dienstälteste russische Minister.

Moskau rückt Kriegsende in weite Ferne

Die russischen Bedingungen kommen somit weiterhin einer ukrainischen Kapitulation gleich. Ein Kriegsende rückt Moskau damit in weite Ferne – und scheint Trump mit vermeintlichen „Gesten des guten Willens“ vorerst bloß bei Laune halten zu wollen.

Kyjiw hat derweil bereits mehrfach betont, dass es die annektierten Gebiete niemals als russisch anerkennen wird – selbst, wenn sie vorerst unter der Kontrolle Moskaus verbleiben würden. Ebenso lehnt die Ukraine jegliche „Entmilitarisierung“ ab. Insbesondere bei einem Verzicht auf einen Nato-Beitritt stände das Land sonst quasi schutzlos da.

„Je mehr Trump nachgibt, desto mehr fordert Putin“

Moskaus Reaktion entspreche einer „bewährten Dynamik“ ordnete Garri Kasparow am Montag die Worte Putins und Lawrows ein. Der ehemalige Schachweltmeister ist einer der lautstärksten russischen Kremlkritiker. „Je mehr Trump Russland nachgibt und die Ukraine unter Druck setzt, desto mehr fordert Putin“, schrieb Kasparow weiter bei X. „Tyrannen und Diktatoren sehen Zugeständnisse und Verhandlungen als Schwäche an.“

Wenn Putin einen Waffenstillstand wolle, könne er „seine mörderische Invasionsarmee zusammenpacken und noch heute nach Russland zurückkehren“, erklärte der Schach-Großmeister und fügte an: „Warum warten?“

„Russland knallt Trump die Tür vor der Nase zu“

Der Grund scheint offensichtlich: „Russland knallt Trump die Tür vor der Nase zu“, sagte der Historiker Matthäus Wehowski dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu Putins jüngster Volte. Eine Überraschung sei das jedoch nicht, so der Russland-Experte.

Lawrows Worte verdeutlichten, dass Putin „unverändert bei seiner Linie vom Februar 2022 bleibt“, erklärte Wehowski. Moskaus Ziel sei nach wie vor die „bedingungslose Kapitulation“ der Ukraine und die Aufgabe der „politischen und kulturellen Souveränität“ des Landes.

Wladimir Putins „alternative Realität“

„Der Kreml hat sich vollständig in seiner alternativen Realität eingemauert“, erklärte Wehowski weiter. Der Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland, den Putin nun mit seinem Waffenstillstand feiern will, diene dabei stets als Rechtfertigung.

Mit dem Krieg gegen die Ukraine habe Moskau den „Kampf gegen den Nazismus“ in die Gegenwart verlagert. Die „Spezialoperation“ sei zur „Fortsetzung“ des Kampfes der Roten Armee geworden, der „nur die vollständige Kapitulation des Gegners akzeptiert“, so Wehowski.

Putins „Heiliges Dogma“ steht Trump im Weg

Putin habe diese Haltung „zum heiligen Dogma erhoben, das keinerlei Kompromiss möglich macht“, erklärte der Russland-Experte weiter und prognostizierte: „Daran wird sich auch Trump die Zähne ausbeißen.“

„Nur wer sich Illusionen hingab“, habe davon ausgehen können, dass Russland von „den Forderungen nach einer Kapitulation der Ukraine“ absehen werde, schrieb auch der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger bei X. Der Kreml habe dafür schlichtweg keinen Grund, führte der Professor der Universität Köln aus. Europa habe sich als „zu unfähig erwiesen, sich in drei Jahren zu ertüchtigen, und USA sind auf dem Weg raus“, erklärte Jäger.

Kritik und Umfragetief: Trump unter Druck

Ob Trumps jüngste Zweifel an den Motiven Moskaus daran etwas ändern, darf angesichts der bisher erratischen Politik des US-Präsidenten ohnehin bezweifelt werden. Eine schnelle Lösung scheint dem Republikaner wichtiger zu sein, als ukrainische Interessen ausreichend zu berücksichtigen.

Der Druck auf Trump steigt allerdings auch in der Heimat weiter. Zu einem historischen Umfragetief gesellt sich zuletzt auch immer mehr parteiinterne Kritik am Kuschelkurs gegenüber dem Kreml.

„Höflich als Trottel bezeichnet“

Es habe „zweifellos geholfen“, dass mehrere republikanische Senatoren Trump zuletzt „als Trottel bezeichnet haben, wenn auch höflich, weil er Russlands fortgesetzte völkermörderische Angriffe auf die Ukraine herunterspielt und so tut, als wolle Putin entgegen allen Beweisen immer noch Frieden“, schrieb Kremlkritiker Kasparow zur jüngsten Kritik an Trump aus der eigenen Partei. „Mehr ist nötig.“

Zuvor hatte etwa Senator Chuck Grassley von Trump gefordert, die „härtesten Sanktionen“ gegen Putin zu verhängen. Auch nach Trumps Tadel für den Kremlchef am Wochenende ebbt die Kritik am Kurs des Weißen Hauses, wie von Kasparow gewünscht, nicht ab.

Senator: Müssen bereit sein, Putin in „Fischfutter zu verwandeln“

Putin habe Trump „bei jeder Gelegenheit über den Tisch gezogen“, sagte der republikanische Senator John Kennedy nun gegenüber Fox News. „Ich glaube nicht, dass es besser wird, bis wir Putin klarmachen, dass wir bereit sind, ihn und sein Land in Fischfutter zu verwandeln“, führte der Senator aus.

„Wir müssen Russland in die Knie zwingen und sie erdrosseln“, legte Kennedy Trump einen harten Kurs gegenüber Putin ans Herz. „Sonst werden sie nicht an den Tisch kommen.“

Russland greift weiter ukrainische Städte an

Russland unterstrich seinen Kurs derweil und setzte seinen Terror gegen die Ukraine auch am Montag fort. Seit Tagesbeginn sei es zu 92 Gefechten gekommen, teilte der Generalstab in Kyjiw am Abend mit. In der Nacht sei eine Zwölfjährige bei einem Drohnenangriff getötet worden, berichtete Kyjiw. Besonders Pokrowsk stehe derzeit jedoch im Fokus der russischen Angriffe, hieß es weiter.

„Die russischen Terroristen versuchen nun, Pokrowsk von der Landkarte zu tilgen“, kommentierte die ukrainische Aktivistin und ehemalige Lokalpolitikerin Olena Halushka die Angriffe bei X. „Sie lachen über die Friedensbemühungen und betrachten jedes Zugeständnis als Gelegenheit, mehr zu fordern.“