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„Ein neuer Akteur betritt die Bühne“Gamechanger? Ukraine zerstört russisches Munitionsdepot mit neuer Hybrid-Rakete

Lesezeit 4 Minuten
Ein Screenshot aus einem Video, das der ukrainische Diplomat Olexander Scherba veröffentlicht hat, soll Explosionen nach einem Angriff mit Paljanyzja zeigen.

Ein Screenshot aus einem Video, das der ukrainische Diplomat Olexander Scherba veröffentlicht hat, soll Explosionen nach einem Angriff mit Paljanyzja zeigen.

Erstmals hat Kiew wohl die weitreichende Raketendrohne Paljanyzja eingesetzt – mit Erfolg. Wird die Waffe zum Gamechanger?

Wird diese Waffe zum „Gamechanger“ für die Ukraine? Zum ersten Mal haben die ukrainischen Streitkräfte ihre neue Raketendrohne mit dem Namen Paljanyzia am vergangenen Wochenende zum Einsatz gebracht, das erklärte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag.

„Gestern gab es den ersten erfolgreichen Kampfeinsatz unserer neuen Waffe - einer ukrainischen weitreichenden Raketendrohne vom Typ ‚Paljanyzja‘“, schrieb Selenskyj auf Facebook. Dieser Hybrid sei in der Lage, die Flugplätze zu bekämpfen, von denen russische Kampfjets und Bomber aufstiegen, um ukrainische Städte und Ortschaften zu attackieren.

Ukraine setzt erstmals Raketendrohne Paljanyzja ein

Um die genauen Fähigkeiten der neuen Hybridwaffe aus einer Drohne und einer Rakete macht Kiew derweil ein großes Geheimnis. Nur wenige Daten zur Paljanyzja sind bekannt geworden. Die lassen jedoch aufhorchen.

Denn die neue ukrainische Waffe dürfte über mindestens eine ähnliche Reichweite verfügen, wie die weitreichenden Raketen, die Kiew von westlichen Unterstützern erhalten hat, aber bisher nicht gegen Militärstützpunkte tief innerhalb Russlands einsetzen darf. Nun scheint die Ukraine das Problem der mangelnden Einsatzerlaubnis mit einer eigenen Waffe umgehen zu wollen.

Paljanyzja: Hybrid aus Rakete und Drohne von Ukraine selbst entwickelt

Die Entwicklung des Hybrids aus Rakete und Drohne habe eineinhalb Jahre in Anspruch genommen, sagte Selenskyj. Er machte keine Angaben zur Reichweite der Paljanyzja, kündigte jedoch an, deren Produktion rasch auszuweiten. Schon am Vorabend hatte Selenskyj die Einführung der neuen Waffe angekündigt.

Selenskyj machte zwar keine Angaben dazu, wo Paljanyzja eingesetzt wurde. Nach Einschätzung von Militärexperten könnte die Raketendrohne aber das erste Mal zum Beschuss eines Munitionsdepots im Gebiet Woronesch eingesetzt worden sein. Am Samstag hatte es Berichte über den Brand eines Munitionsdepots im Landkreis Ostrogoschsk gegeben, der durch einen Drohneneinschlag ausgelöst worden sei.

Paljanyzja-Premiere: Massive Explosion in Woronesch

Auch ein Beitrag des ukrainischen Diplomaten Olexander Scherba deutet darauf hin, dass die Paljanyzja in Woronesch erstmals zum Einsatz gekommen ist – und das offenbar erfolgreich. Scherba veröffentlichte ein Video auf der Plattform X, das die Folgen des ukrainischen Angriffs zeigen soll.

Darauf sind mehrere heftige Explosionen zu sehen, die auf für einen direkten Treffer auf das russische Munitionsdepot sprechen. „Es scheint, als betrete ein neuer Akteur die Bühne des Krieges“, schrieb Scherba außerdem und verwies auf die neue Raketendrohne aus eigener Produktion.

Wird die neue Hybridrakete zum „Gamechanger“ im Krieg?

Zu einem kleinen „Gamechanger“ könnte die neue Waffe daher offenbar tatsächlich werden. Vieles spricht dafür, dass die Paljanyzja über eine große Reichweite verfügt, offizielle Angaben gibt es dazu jedoch nicht.

Allerdings teilte Selenskyj am Sonntag auch ein Video, das einige Informationen über die Rakete lieferte, kurz ist darin auch eine Karte zu sehen, auf der russische Militärstützpunkte markiert sind, die für Paljanyzja erreichbar sein sollen. Darunter finden sich auch russische Flugfelder, die mehrere hundert Kilometer von der Grenze entfernt liegen.

Zwischen 230 und 250 militärische Ziele in Russland in Reichweite?

Zwar können auch ukrainische Drohnen bereits jetzt große Strecken zurücklegen, sind jedoch deutlich langsamer unterwegs und daher einfacher abzufangen. Auch die Sprengkraft der konventionellen Drohnen dürfte deutlich schwächer ausfallen als die der Paljanyzja. Für die Ukraine bieten sich damit nun offenbar neue Möglichkeiten.

Wie das US-Institut für Kriegsstudien berichtet, belegen Satellitenfotos, dass zwischen 230 und 250 militärische Ziele in einem Radius von rund 300 Kilometern von der ukrainischen Grenze entfernt in Russland liegen, darunter auch viele Militärflugplätze.

Ukraine darf bisher nur HIMARS für Ziele in Russland nutzen

Bisher kann die Ukraine jedoch nur amerikanische HIMARS-Raketen für Angriffe auf russischen Territorium nutzen. Lediglich 20 der bekannten Ziele seien damit erreichbar, berichteten die US-Analysten. Die Reichweite der HIMARS-Geschosse liegt unter 100 Kilometern.

ATACMS-Raketen haben hingegen, in der an Kiew gelieferten Ausführung, eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern. Washington erlaubt den Einsatz dieser Waffe bisher jedoch nur gegen Ziele in den besetzten ukrainischen Gebieten. Mit Paljanyzja dürften nun also dutzende Ziele für die Ukraine erreichbar werden, die vorher nur mit günstigen konventionellen Drohnen angegriffen werden konnten.

USA geben weiterhin keine Erlaubnis für ATAMCS

In der Vergangenheit hatte Kiew die westlichen Partner immer wieder um die Erlaubnis gebeten, weitreichende Waffensysteme gegen russisches Territorium einsetzen zu können. Damit sollten unter anderem auch Militärflugplätze in Russland beschossen werden.

Westliche Staaten haben diese Erlaubnis jedoch stets verweigert. Sie sorgen sich, in den Krieg hineingezogen zu werden. Diese Haltung haben die Unterstützer auch nach der ukrainischen Gegenoffensive auf russischem Gebiet in Kursk bisher beibehalten. (mit dpa)