Im künftigen Nato-Land Finnland bahnt sich ein Regierungswechsel an. Sanna Marins Sozialdemokraten können zulegen, müssen aber trotzdem die Konservativen und wohl auch die Rechtspopulisten an sich vorbeiziehen lassen.
WahlenFinnland wählt Konservative an die Macht – Regierungschefin Sanna Marin räumt Niederlage ein
Die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Sanna Marin (37) sind nach der Parlamentswahl in Finnland nicht mehr stärkste Kraft im Parlament. Trotz Zugewinnen lag die Partei nach Auszählung fast aller Wählerstimmen am späten Sonntagabend hinter der konservativen Nationalen Sammlungspartei und der rechtspopulistischen Partei Die Finnen nur auf Rang drei.
Die Konservativen von Ex-Finanzminister Petteri Orpo standen vor einem knappen Wahlsieg und 48 der 200 Mandate. Die Finnen-Partei lag bei 46 Mandaten, Marins Sozialdemokraten bei 43. Damit steht Finnland vor einem Regierungswechsel.
Finnland: Konservative um Petteri Orpo erklären sich zum Wahlsieger
„Wisst ihr was? Das war ein großer Sieg“, sagte der 53 Jahre alte Orpo am späten Abend vor jubelnden Parteianhängern in Helsinki. Die Gespräche über die Bildung einer neuen finnischen Regierung würden unter Führung seiner Partei beginnen. Marin wies vor Unterstützern darauf hin, dass die Partei der Regierungsspitze erstmals seit langer Zeit Zugewinne verzeichnet habe. „Wir haben es gut gemacht“, sagte sie. „Die Demokratie hat gesprochen.“
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Zuvor hatte Finnland einen packenden Wahlabend erlebt. Ein erster Trend unmittelbar nach Schließung der Wahllokale hatte Konservative und Sozialdemokraten fast gleichauf gesehen. Die Rechtspopulisten um ihre Vorsitzende Riikka Purra folgten zu dem Zeitpunkt mit kleinerem Abstand, holten im Laufe des Abends aber auf. Nach Auszählung von über 99 Prozent der Stimmen lagen die Konservativen mit 20,8 Prozent vor der Finnen-Partei mit 20,0 und Marins Sozialdemokraten mit 19,9 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 71,9 Prozent und damit in etwa auf dem Niveau der letzten Parlamentswahl 2019.
Wahl in Finnland: Stärkste Partei erhält traditionell auch Auftrag zur Regierungsbildung
Welche Partei stärkste Kraft wird, ist deshalb wichtig, weil deren Chef oder Chefin in Finnland traditionell zuerst den Auftrag für eine Regierungsbildung erhält. Für eine Parlamentsmehrheit dürfte der Wahlsieger auf eine weitere der großen Parteien sowie mindestens eine der mittelgroßen und kleineren Parteien angewiesen sein. Sanna Marin ist seit Ende 2019 finnische Regierungschefin. Seitdem hat sie sich zu einer der gefragtesten Politikerinnen innerhalb der EU entwickelt.
Die 37 Jahre alte Sozialdemokratin führt eine aus fünf Parteien bestehende Mitte-links-Koalition an. Viele Finninnen und Finnen schätzen sie als junge, moderne und schlagkräftige Anführerin. Ihre Regierung führte das nördlichste Land der EU erst durch die Corona-Pandemie und dann gemeinsam mit Präsident Sauli Niinistö durch den Nato-Beitrittsprozess, der in Kürze abgeschlossen sein wird: Alle 30 derzeitigen Bündnismitglieder haben der Aufnahme der Finnen nun zugestimmt, in wenigen Tagen wird Finnland nach Nato-Angaben offiziell 31. Mitglied der Verteidigungsallianz. Im Wahlkampf hatte der Nato-Beitritt allerdings keine Rolle gespielt.
Marins Kritiker werfen ihr vor, die Staatsschulden in die Höhe getrieben zu haben
Stattdessen ging es vor allem um innenpolitische Themen wie die gestiegenen Staatsausgaben. Marins Gegner werfen ihr vor, die Staatsschulden in die Höhe getrieben zu haben. Orpo versprach eine neue Wirtschaftspolitik. Bereits bei der letzten Parlamentswahl vor vier Jahren trennte die drei Parteien weniger als ein Prozentpunkt - mit dem besten Ausgang für die Sozialdemokraten, die damals auf 17,7 Prozent gekommen waren. Dass sie nun auf ein besseres Ergebnis als damals zusteuern, ist für finnische Verhältnisse ungewöhnlich und wird vor allem der Popularität Marins zugeschrieben.
Normalerweise verliert die Partei an der Spitze der Regierung in Finnland im Laufe ihrer Amtszeit an Zuspruch, während die Opposition Zugewinne verzeichnet. Auffällig an den Zahlen: Die drei größten Parteien lagen allesamt recht deutlich über ihren Stimmanteilen von 2019. Alle aktuellen Regierungsparteien bis auf die Sozialdemokraten erlebten dagegen Verluste, besonders die Grünen stürzten deutlich ab.
Da sich der Wahlkampf sehr auf die Teilung zwischen links und rechts fokussiert habe, sei es für ihre Partei schwierig gewesen, sich Gehör zu verschaffen, sagte Grünen-Chefin Maria Ohisalo schon früh am Abend. „Natürlich ist das eine Enttäuschung.“ (dpa)