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FDP-VizeKubicki sieht Laschet als kommenden Kanzlerkandidaten

Lesezeit 5 Minuten
Wolfgang Kubicki Grönert

Wolfgang Kubicki während seines Interviews für den „Kölner Stadt-Anzeiger“.

  1. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP nimmt im großen Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ Stellung zur politischen Lage.
  2. Wolfgang Kubicki geht besonders mit der SPD hart ins Gericht – und stellt eine gewagte Prognose für die Kanzlerschaft der Union auf.

Herr Kubicki, vor genau einem Jahr haben Sie das baldige Ende der großen Koalition vorhergesagt und einen Eintritt der FDP in ein Jamaika-Bündnis. Haben Sie sich verspekuliert?

Wolfgang Kubicki: Nein, ich habe nur zu große Erwartungen in die SPD gesetzt. Aber weil die deutsche Sozialdemokratie mental am Ende ist, wird sie sich jetzt auch in der Koalition bis 2021 durchschleppen. Wenn die SPD vorher ausstiege, womit wollte sie im Wahlkampf denn antreten? Ich sehe auch nicht, wie die SPD die Kurve kriegen sollte. Wenn Ahnungslosigkeit und Unfähigkeit für den Parteivorsitz qualifiziert, dann ist diese Partei erledigt. Und vom Ausstiegs-Getöse „raus aus der Groko!“, das für den Erfolg des Duos Esken/Walter-Borjans mitentscheidend war, ist schon jetzt nicht mal mehr heiße Luft übrig. Als ich vor fast 50 Jahren in die FDP eintrat, war es mein Traum, einmal so stark zu werden wie die SPD. Heute sind wir kurz davor.Traurig für die SPD. Traurig auch für uns, weil uns eine Koalitionsoption abhandengekommen ist.

Warum dringt die FDP trotzdem nicht stärker durch? Liegt das am Vorsitzenden?

Alles zum Thema Armin Laschet

Ich sehe das nicht so. Ich habe noch keine Phase erlebt, in der die FDP so lange so stabil bei mehr als acht Prozent lag. Das ist eine tolle Ausgangsposition.

Die Grünen kommen inzwischen auf das Dreifache.

Warten Sie mal ab! Wenn wir die CDU erst einmal auf 15 Prozent gebracht haben, kommen wir – wie die Grünen - auch auf 20. Das sind kommunizierende Röhren.

Mit dieser Rechnung landen Sie 2021 bei Jamaika, was Christian Lindner 2017 nicht wollte.

Wir alle wollten, dass Jamaika gelingt, sonst wären wir nicht in die Gespräche gegangen. Und der Ausstieg war keine Einzelentscheidung von Christian Lindner. Die gesamte FDP-Delegation war dafür, als klar wurde, dass wir nichts umsetzen konnten. Abgesehen davon halte ich Jamaika 2021 für die wahrscheinlichste Konstellation. Das hat mit den dann handelnden Personen zu tun, aber auch mit einem gewachsenen Vertrauen. Gerade in Schleswig-Holstein haben wir mit Jamaika gute Erfahrungen gemacht.

Was heißt das für den Wahlkampf der FDP?

Ich werde Ihnen jetzt keinen Strategieplan entwickeln. Aber die größte Konkurrentin im Wählermarkt ist und bleibt die Union.

Warum wäre Ihnen dann Friedrich Merz als Spitzenkandidat der Union lieber als Armin Laschet?

Weil Merz die Diskussionslage in Richtung der Frage verschieben würde, was eigentlich die wirtschaftlichen Grundlagen unserer Leistungsfähigkeit als Gesellschaft sind. Davon würden wir profitieren, weil uns in diesem Bereich viel Kompetenz zugemessen wird. Armin Laschet schätze ich sehr. Er ist ein sympathischer, gewinnender Mensch, der gut zusammenführen kann – als Meister des Unverbindlichen. Übrigens gehe ich davon aus, dass er genau deswegen Kanzlerkandidat der Union werden wird. Kein anderer wird die verschiedenen Kräfte ähnlich gut unter einen Hut bringen können.

Auch keine andere – also die CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer?

Ich glaube, sie weiß inzwischen selbst, dass ihr stärkster Beitrag darin bestehen wird, auf die Kanzlerkandidatur zu verzichten und einen anderen auf den Schild zu heben. Ihr fehlt es einfach an der nötigen Ausstrahlung, die eine Führungspersönlichkeit in diesen Zeiten braucht.

Was macht die Klima-Bewegung eigentlich mit Ihnen persönlich?

Nichts. Ich habe kein schlechtes Gewissen. Ich habe mein Leben nicht geändert und habe das auch nicht vor. Ausnahme: Meine Frau und ich achten darauf, weniger Plastiktüten zu verwenden.

Damit sind Sie Anwärter auf den „Dinosaurier des Jahres“.

Das ist mir herzlich egal. Zu glauben, dass Askese uns weiterbringt, ist ein Fehler. Wir werden den Klimawandel nicht durch persönlichen Verzicht in den Griff bekommen, sondern nur durch Innovation und technischen Fortschritt.

Der Brexit ist nun vollzogen, aber vieles im künftigen Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU ist noch ungeklärt. Was erwarten Sie, einen glimpflichen Ausgang oder doch noch den großen Knall?

Die Briten dürften massiv die Unternehmenssteuern senken, um ihre Wettbewerbsnachteile nach dem Ausscheiden aus dem gemeinsamen Binnenmarkt auszugleichen. Das wird die EU in Zugzwang bringen, was ich Liberaler mit gelassener Sympathie sehe. Aus EU-Sicht können wir nur hoffen, dass es den Briten mit ihrer Entscheidung nicht ganz so gut geht. Sonst würde der Brexit zur Blaupause für weitere Ausstiege, die zum Zerfall der EU führen würden.

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Ist die EU dann in der schwächeren Position?

Auf britisches Steuerdumping zum Beispiel mit Strafzöllen zu reagieren, wird im Rahmen der WTO schwierig sein. Allerdings lassen sich schon verschiedene Szenarien denken, um den Briten die Werkzeuge zu zeigen: Visa-Beschränkungen, strengere Regeln für den Grundbesitz in der EU, Nichtzulassung von Finanzprodukten des Londoner Börsenplatzes. Aber das sind nur hypothetische Daumenschrauben. Problematisch sind dann aber auch die herrschenden Fliehkräfte in der Rest-EU. Die Union ist eben nicht eins. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz zum Beispiel hat eben erst erkennen lassen, dass er die Finanztransaktionssteuer verhindern will. Das ist ein Fußtritt vors Schienbein der deutschen Regierung, zumal Finanzminister Olaf Scholz die Einnahmen aus der Steuer ja schon verplant hat.

Die Grundrente könnte die Regierung dann vergessen.

Die wird sowieso nicht kommen. Der bürokratische Aufwand ist so groß, dass die Rentenversicherung ihn sich nicht leisten kann. Und die Union setzt auf Hinhalten.

Das Gespräch führten Carsten Fiedler, Joachim Frank und Wolfgang Wagner

Wolfgang Kubicki, geboren 1952, ist stellvertretender Vorsitzender der FDP. Der Schleswig-Holsteiner ist seit 2017 auch Vizepräsident des Bundestags. (jf)