Fakten von Populismus zu unterscheiden, ist nicht immer einfach. Wir schauen uns die Zahlen zu Kriminalität und Zuwanderung ganz genau an.
Faktencheck zu ZUEDoch, man kann sich in Deutschland noch auf die Straße trauen
Ja, Nordrhein-Westfalen nimmt mehr Geflüchtete auf als jedes andere Bundesland in Deutschland. Doch, man kann sich trotzdem noch auf die Straße trauen. Auch als Frau. Auch in Orten, in denen Zentrale Unterbringungseinrichtungen (ZUE) stehen.
Wir überprüfen Vorbehalte zum Thema ZUE in der Region. Unser Faktencheck zeigt Zahlen und Fakten aus Statistiken und ordnet diese ein.
Wir schauen in insgesamt vier Teilen auf Daten für Kriminalität und insbesondere sexualisierte Gewalt (in diesem Teil), Religion, Infrastruktur und die Rente.
„Man kann als Frau nicht mehr abends auf die Straße gehen“
Check: Fallzahlen steigen, aber die Ursachen sind nicht so eindeutig.
Im Folgenden geht es um Fallzahlen und Gerichtsstatistiken sexualisierter Gewalt in Deutschland. Wir schildern nicht detailliert Einzelfälle sexualisierter Gewalt. Falls Sie sensibel auf diese Themen reagieren, wir befassen uns hier allgemeiner mit einem Faktencheck zum Thema Kriminalität.
Zunächst: Jede Vergewaltigung oder Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist eine zu viel. Egal, von wem sie begangen wird und auch egal an wem sie begangen wird. Opferverbände mahnen immer wieder, dass die Dunkelziffern hoch sind und längst nicht jeder Übergriff zur Anzeige gebracht, geschweige denn verurteilt wird. Anekdotische Evidenz dafür gibt es viele.
Anekdotische Evidenz ist aber genau das, worauf wir uns bei diesem Faktencheck nicht verlassen wollen. Ist es also tatsächlich so, dass mit den Geflüchteten im Land seit Merkels „Wir schaffen das“ mehr (deutsche) Frauen vergewaltigt oder angegriffen werden? Nein.
Zahl der sexuellen Übergriffe steigt seit 2016 in Deutschland deutlich
Es stimmt, dass die Zahlen sowohl für Tatverdächtige, als auch für Verurteilte bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den vergangenen Jahren auf einem traurigen Höchststand ankamen. Hier ist aber ein genauerer Blick in die Daten wichtig. Insbesondere nach 2016 zeigt die Statistik mehr zur Anzeige gebrachte Übergriffe: In dem Jahr wurde auf Gesetzesebene geändert, was als Übergriff strafbar ist und was nicht.
Insbesondere nach #MeToo (einem Schlagwort, unter dem zahlreiche Frauen von sexualisierten Übergriffen berichteten. Infolge der Berichterstattung und Vorwürfe wurden mehrere Männer verurteilt, darunter Harvey Weinstein.) reagierte der Gesetzgeber auf Forderungen, auch Übergriffe unter Strafe zu stellen, die (noch) keine sexuellen Handlungen im eigentlichen Sinne sind: zum Beispiel das Anfassen von Brüsten gegen den Willen der Person. Außerdem sollen die neuen Gesetze Opfer schützen, die zwar einer Handlung durch ein „Ja“ zugestimmt haben, das aber unter Zwang geäußert wurde – sowie Opfer, die gar nicht in der Lage sind, bewusst und absichtlich zum Sex Ja zu sagen, weil sie zu stark angetrunken sind oder unter dem Einfluss anderer Drogen stehen.
Mehr als 900 Vergewaltiger im Jahr 2007 in Deutschland verurteilt
Die Folge der Gesetzesänderung sind mehr Tatverdächtige und auch mehr Verurteilte für sexualisierte Übergriffe insgesamt, aber kein deutlicher Anstieg der Verurteilungszahlen für Vergewaltigung an sich. Zwischen 2012 und 2022 wurden 2021 die meisten Vergewaltiger verurteilt. Das Jahr erreicht mit 650 Verurteilten aber nicht den Höchstwert des 21. Jahrhunderts in Deutschland: 2007 sprachen die Gerichte mehr als 900 Verurteilungen wegen Vergewaltigung aus.
Allerdings: Unter den verurteilten Vergewaltigern sind Ausländer, also Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, im Vergleich zu ihrem Anteil an der Bevölkerung überrepräsentiert. Zwischen 2016 und 2020 hatten von 10 Vergewaltigern stets mindestens 4 nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. In den vergangenen Jahren nimmt dieser Anteil wieder ab. Der Begriff „Ausländer“ in der Statistik ist aber keinesfalls gleichzusetzen mit Geflüchteten. Unter „Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft“ können auch EU-Bürgerinnen und Bürger, Touristinnen und Touristen oder Menschen mit einem Visum fallen.
Wenn Zugewanderte zu Opfern werden, sind mehr als die Hälfte der Täter Deutsche
2023 wurden 4392 Personen Opfer einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei denen mindestens einer der Tatverdächtigen ein Zuwanderer oder eine Zuwanderin war. In diesem Fall sind Menschen gemeint, die Asyl in Deutschland suchen und/oder geduldet werden. Von diesen Opfern waren 3070 Menschen, also mehr als zwei Drittel, Deutsche. Das hebt das Bundeskriminalamt in „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ hervor.
1115 Zuwanderinnen und Zuwanderer wurden in ihrer sexuellen Selbstbestimmung verletzt (unabhängig von der Nationalität der Tatverdächtigen), das sind 2,7 Prozent aller Opfer, die in diesem Zusammenhang in der PKS registriert sind. Außerhalb des Kontextes der Sexualstraftaten: „5,3 Prozent aller in der PKS registrierten Opfer waren Zuwanderinnen/Zuwanderer“, schreibt das BKA zusammenfassend. Demgegenüber sind 8,9 Prozent aller Tatverdächtigen zugewandert.
Zugewanderte wurden im vergangenen Jahr mindestens 66.586 Mal Opfer einer Straftat - das sind 19,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Für mehr als die Hälfte der Straftaten an ihnen – zum größten Teil Körperverletzungen – hält die Polizei eine oder einen Deutschen für verantwortlich.
Den größten Anteil haben Zugewanderte an Vermögens- und Fälschungsdelikten (12,8 Prozent), gefolgt von Diebstahl (12,3 Prozent) und Straftaten gegen das Leben (11,2 Prozent) – hier zählt die Statistik 420 tatverdächtige Zugewanderte in 2023. Darunter fällt nach aktueller Rechtssprechung übrigens auch ein Schwangerschaftsabbruch: 16 zugewanderte Frauen ließen in 2023 eine Schwangerschaft abbrechen.