Seit fast 20 Jahren wird über eine der größten Freihandelszonen der Welt mit 700 Millionen Einwohnern in Europa und Südamerika verhandelt.
Brasiliens Präsident Lula in BerlinKommt nun das Freihandelsabkommen?
Nach achtjähriger Pause kommen die Regierungen Deutschlands und Brasilien erstmals wieder zu umfassenden Beratungen über ihre Zusammenarbeit zusammen. Unter der Leitung von Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wird es am Montag im Berliner Kanzleramt um die wirtschaftliche Zusammenarbeit, Energie und Klimaschutz sowie die Außen- und Sicherheitspolitik gehen. Spannendste Frage: Können die jahrelangen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur und der Europäischen Union endlich zum Abschluss gebracht werden?
Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnern angepeilt
Mit dem Abkommen würde eine der weltweit größten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Einwohnern entstehen. Die Gespräche der EU mit den vier Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay darüber laufen bereits seit weit mehr als 20 Jahren. Eine Grundsatzeinigung aus dem Jahr 2019 wird jedoch wegen anhaltender Bedenken - etwa beim Regenwaldschutz - nicht umgesetzt.
Die deutsche Wirtschaft fordert einen schnellen Abschluss. Der Grünen-Parteitag hatte zuletzt aber gegen den Willen des Bundesvorstands Nachverhandlungen verlangt, um dem „intensiven Abbau von Rohstoffen im globalen Süden für den Konsum des globalen Nordens“ ein Ende zu setzen. Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP dagegen machte vor wenigen Tagen im Bundestag deutlich, zum geplanten Handelsabkommen zu stehen.
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Zahlreiche Vereinbarungen geplant
An dem Treffen nehmen auf beiden Seiten mehrere Minister teil, auf deutscher Seite sind es neun. Es sollen zahlreiche Vereinbarungen unterzeichnet werden, unter anderem zur Artenvielfalt und zum Meeresschutz, zur Wiederaufforstung von Regenwäldern, zur Digitalisierung und Gewinnung mineralischer Rohstoffe.
Brasilien hat seit 1. Dezember den G20-Vorsitz
Brasilien hat am 1. Dezember den Vorsitz der G20-Runde der führenden Wirtschaftsmächte übernommen und richtet im nächsten Jahr den Gipfel in Rio de Janeiro aus. Es ist aber auch in der Brics-Gruppe mit China, Russland und Indien vertreten, die von vielen als Konkurrenz zur G7 der westlichen Industrieländer gesehen wird.
Sicherheitspolitisch gibt es deutliche Differenzen zwischen Deutschland und Brasilien, unter anderem zum Gaza- und zum Ukraine-Krieg. Während sich Deutschland lediglich für Feuerpausen zwischen Israel und der islamistischen Hamas einsetzt, um humanitäre Hilfe zu ermöglichen, fordert Brasilien eine sofortige und dauerhafte Waffenruhe. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine setzt sich Brasilien seit langem für Friedensverhandlungen ein, während Deutschland die Entscheidung darüber der Ukraine überlässt.
Konsultationspause wegen Bolsonaro
Die Bundesregierung verabredet sich regelmäßig mit Ländern zu Regierungskonsultationen, mit denen es eine besonders enge Partnerschaft gibt oder die für Deutschland von besonders großer strategischer Bedeutung sind. Die Kabinette Deutschlands und Brasiliens hatten sich 2015 erstmals in Brasília getroffen, um ihre Beziehungen breiter aufzustellen. Unter dem rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro, der sich den Spitznamen „Tropen-Trump“ einhandelte, lagen die Konsultationen aber jahrelang auf Eis. Nach der Rückkehr von Lula an die brasilianische Staatsspitze wurde die Idee wiederbelebt. Im Januar vereinbarten Lula und Scholz bei dessen Antrittsbesuch in Brasilia, die Beratungen wieder aufzunehmen. (dpa)