Köln – Wenn zurzeit über die Frage diskutiert wird, welcher Impfstoff am besten vor Sars-CoV-2 schützt, wird viel mit Zahlen argumentiert. Genauer gesagt mit Prozentzahlen. Impfstoff X hat eine Wirksamkeit von 95 Prozent und ist damit besser als Impfstoff Y mit 65 Prozent. Diese Zahlen zu vergleichen ergibt auf den ersten Blick Sinn. Doch so einfach ist es nicht. Ein Überblick.
Für was stehen die Prozentzahlen in Bezug auf die Impfstoffe eigentlich?
Es ist nicht genau untersucht, was Menschen bei den Prozentwerten denken. Möglich scheint es, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil glaubt: Wenn ein Vakzin zu 90 Prozent wirksam ist, dann bedeutet das, dass 90 Prozent aller Geimpften vor Sars-CoV-2 geschützt sind. Tatsächlich meint die Zahl aber etwas anderes.
Man spricht in aller Regel über ein bestimmtes Szenario: Es gibt zwei Testgruppen. Der eine Teil bekommt einen Impfstoff verabreicht, der andere Teil bekommt nur ein Placebo. Die Spritzen werden gesetzt, ohne dass die Probanden wissen, ob sie nun einen Impfstoff oder ein unwirksames Placebo bekommen. Dann wird abgewartet, bis sich die ersten Studienteilnehmer anstecken. Nachdem sich immer mehr Menschen infiziert haben, wird gezählt, wie viele davon in die Placebo-Gruppe und wie viele in die Impfstoff-Gruppe gehören. Die Prozentangabe sagt also etwas darüber aus, wie viel wahrscheinlicher man sich ansteckt, wenn man einer bestimmten Gruppe angehört.
Was bedeutet das in der Praxis?
Es geht also um eine relative Zahl, die sich nicht auf die Gruppe aller Geimpften bezieht, sondern nur auf die Zahl der Infizierten. Das kann man sich schwer intuitiv vorstellen. Das Robert Koch-Institut veranschaulicht das auf seiner Website mit einem Beispiel (Unterpunkt „Wirksamkeit und Sicherheit“).
Man stelle sich vor, in einer Gegend mit vielen aktiven COVID-19-Fällen treten etwa 20 Fälle je 1000 Personen auf. Würde in dieser Gegend dann ein Teil der Bevölkerung geimpft werden, würden nachfolgend noch 20 von 1000 ungeimpften Personen an COVID-19 erkranken, aber nur etwa 6 von 1000 geimpften Personen. Wenn eine mit dem Vektor-basierten COVID-19-Impfstoff geimpfte Person mit dem Erreger in Kontakt kommt, wird sie also mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erkranken. Dazu zählt etwa der Impfstoff von Astrazeneca, bei den mRNA-Impfstoffen, etwa von Biontech und Moderna, besteht eine noch geringere Wahrscheinlichkeit.
Wie ist die Wirksamkeit bei anderen Impfungen?
Die Aussagekraft der Prozentwerte sinkt noch weiter, wenn man sich die jährliche Grippeschutzimpfung einmal genauer ansieht. „In einer Saison mit geringer Verbreitung des Grippevirus liegt die Wirksamkeit der Grippeschutzimpfung etwa bei 50 Prozent“, erklären Forscher des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. „Diese Zahl bedeutet aber nicht, dass 5 von 10 Geimpften vor der Grippe geschützt sind. Sie bedeutet, dass von je 100 Personen ohne Impfung zwei eine bestätigte Influenzainfektion bekamen, und von je 100 Personen mit Impfung nur eine."
Kann es sein, dass ich trotz Impfung schwer an Covid-19 erkranke?
Menschen, die zwar geimpft sind, sich aber trotzdem infiziert haben, müssen laut aktueller Studienlage keinen schweren Verlauf fürchten. Denn ein Impfstoff kann trotz einer Infektion Schlimmeres verhindern, etwa, dass die Viren auf die Lunge übergreifen.
Das gilt unter anderem für den Impfstoff von Johnson & Johnson, der nur einmal verabreicht werden muss. Die Wirksamkeit wird mit 66 Prozent angegeben. Das klingt zunächst nicht so gut. Die Zahl relativiert sich allerdings, wenn man den Blick auf die schweren Verläufe legt, wo die Wirksamkeit bei 85 Prozent liegt – und das in allen Altersgruppen.
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Auch Charité-Virologe Christian Drosten macht klar, dass die Unterschiede bei den Prozentzahlen sich eher auf die Verläufe mit schwachen Symptomen beziehen. In einem seiner jüngsten NDR-Podcasts erklärte er: „Was uns aber doch eigentlich interessiert, ist die Frage: Sind wir mit einer Impfung gegen einen schweren Verlauf geschützt?" Und da laute die Antwort: „Alle diese Impfstoffe sind gegen schwere Verläufe total gut wirksam", sagt Drosten.
Doch was ist mit den Mutationen?
Eine Studie der Universität Oxford zeigt, dass die südafrikanische Mutation B.1.351 der Immunantwort teilweise ausweicht. So soll der Astrazeneca-Impfstoff nur einen „minimalen Schutz“ gegen milde und mittelschwere Krankheitsverläufe bieten. Das ist aber kein Grund zur Sorge. Zum einen waren die Teilnehmer der Studie sehr jung. Zum anderen gebe es keine Hinweise darauf, dass der Impfstoff gegen schwere Verläufe von Covid-19 nicht schütze, sagte Alejandro Cravioto, der Vorsitzende eines Expertenrats, der die WHO berät. Das gilt auch für die in Südafrika weniger wirksamen Impfstoffe von Novavax und Johnson & Johnson.