Berlin – Der Anteil der wohl noch leichter übertragbaren Omikron-Untervariante BA.2 wächst seit Jahresbeginn kontinuierlich. Auf 48 Prozent beziffert ihn das Robert Koch-Institut (RKI) am Donnerstag. Die Angabe bezieht sich aber auf vorletzte Woche, mittlerweile dürfte BA.2 das Infektionsgeschehen in Deutschland dominieren. Auch die bundesweite 7-Tage-Inzidenz stieg zuletzt wieder. Fragen und Antworten zum Corona-Subtypen, der bislang ohne eigenen Namen auskommt.
Was ist BA.2 eigentlich?
Die weltweit vorherrschende Omikron-Variante von Sars-CoV-2 hat mehrere Subtypen. In Deutschland hat bislang eine Untervariante namens BA.1 für die meisten Fälle gesorgt, während BA.3 kaum eine Rolle spielt. Wie in anderen Ländern auch wird BA.2 jedoch zunehmend zum tonangebenden Subtyp, verdrängt BA.1.
Die Subtypen unterscheiden sich durch eine Reihe von Mutationen voneinander, etwa an entscheidenden Stellen wie dem sogenannten Spike-Protein, mit dem das Virus menschliche Zellen entert. Trotzdem kam eine Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kürzlich zu dem Ergebnis, dass sich BA.1, also der in Deutschland zuerst verbreitete Omikron-Subtyp, und BA.2 sehr ähnlich verhielten und ähnliche Eigenschaften hätten. BA.2 ähnelt anderen Omikron-Subtypen also so sehr, dass es nicht als eigenständige und besorgniserregende Variante eingestuft wird, erhält somit auch keinen eigenen Namen.
Warum wird BA.2 dennoch genauer beobachtet?
Trotz dieser Einschätzung hält die WHO die Gesundheitsbehörden dazu an, den Subtyp getrennt von anderen Omikron-Fällen zu betrachten. Und das hat gute Gründe. „BA.2 hat offensichtlich hohes Wachstumspotential“, sagte der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb. Er berief sich auf dänische Angaben, wonach beispielsweise die Wachstumsrate von BA.2 im Vergleich zu BA.1 um etwa 30 Prozent höher liege.
Dies könne aber zwischen Ländern variieren, zum Beispiel je nach Impfstatus und Kontaktmustern. Laut WHO scheint der Unterschied bei der Übertragbarkeit zwischen BA.1 und BA.2 aber viel geringer zu sein als der Sprung, den es von der zuvor verbreiteten Delta-Variante hin zu BA.1 gegeben hatte.
Wie schafft es BA.2, BA.1 zu verdrängen?
Das größere Wachstumspotenzial, das BA.2 gegenüber anderen Omikron-Subtypen hat, könne an drei Eigenschaften liegen, wie die Wissenschaftsjournalistin Dr. Christina Berndt bei der Süddeutschen Zeitung erklärt. Zum einen ist dies eine höhere Infektiosität. So habe BA.2 offenbar seine Stacheln, mit denen es an menschliche Zellen andockt, weiter optimiert. Auch die Generationszeit spiele eine Rolle – also die Zeit, die ein Virus benötigt, um sich zu verdoppeln. Hier sei BA.2 wohl gut 10 bis 15 Prozent schneller als BA.1. Es erreicht also schneller eine Viruslast, die ausreicht, um andere Menschen anzustecken.
Der dritte Grund für den steigenden BA.2-Anteil: Der Subtyp finde schlicht mehr Opfer, wie Berndt erklärt. BA.2 sei immunresistenter als BA.1, entkomme der Immunität von Geimpften und Genesenen etwas leichter. Diese Immunflucht spiele allerdings nur eine untergeordnete Rolle.
Macht der neue Subtyp schwerer krank?
Weil BA.2 noch relativ jung ist, gibt es zu der Schwere der Krankheitsverläufe noch keine abschließende Meinung. In einer japanischen Studie hatten Tierversuche Hinweise auf schwerere Verläufe ergeben, schrieben die Forschenden in ihrer Vorab-Veröffentlichung. Inwiefern diese Ergebnisse auf Menschen übertragbar sind, ist allerdings unklar.
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Die Beobachtungen der WHO können dies nicht bestätigen, bislang sei keine Zunahme der Krankheitsschwere beobachtet worden. Die Zahlen dazu stammen vor allem aus Ländern mit vielen Geimpften und Genesenen wie Großbritannien, Dänemark und Südafrika. Dort hatten Forschende die Daten von über 90.000 Infizierten analysiert und kamen zu dem Schluss: „Das klinische Profil der Krankheit bleibt gleich.“ Diese Untersuchung ist ebenfalls noch nicht von anderen Wissenschaftlern bestätigt worden.
Der Virologe Christian Drosten sagte kürzlich, er hoffe auf Erkenntnisse aus Hongkong, wo viele Ältere sehr zögerlich mit der Impfung gewesen seien und wo sich in dieser Gruppe durch Omikron eine hohe Krankheitslast zeige. Auch in Deutschland gilt die Sorge von Experten der relativ großen Gruppe älterer Menschen ohne Impfschutz.
Wie gut schützen die Impfungen noch?
Eine größere Immunflucht könnte auch den Impfschutz verringern. US-Epidemiologe Eric Feigl-Ding beispielsweise zeigte sich zunächst besorgt darüber. Die britische Gesundheitsbehörde UKHSA kommt in ihren Beobachtungen aus dem Februar allerdings zu einer beruhigenden Einschätzung: „Die Effektivität der Impfungen gegen symptomatische Erkrankungen ist für BA.1 und BA.2 gleich.“ Und auch der Schutz vor schweren Verläufen sei weiterhin gegeben.
Was bedeutet das für die weitere Entwicklung in Deutschland?
Fachleute befürchten seit Wochen, dass die Ausbreitung von BA.2 die Omikron-Welle verlängern und den Rückgang der Fallzahlen verlangsamen könnte. Berliner Modellierer sprachen von einer erwarteten Trendwende, also wieder steigenden Fallzahlen. So befindet sich die bundesweite Inzidenz inzwischen wieder bei über 1400, bis Anfang des Monats war sie auf knapp 1260 gesunken.
Der Bioinformatiker Lars Kaderali aus Greifswald, Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, sieht Deutschland sogar in einer neuen Corona-Welle. Die angekündigten Lockerungen der Maßnahmen hält Kaderali, Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, dennoch für vertretbar. „Bundesweit steigen die Corona-Zahlen zwar, die Situation in den Krankenhäusern ist aber noch undramatisch“, sagte er. „Man sollte aber nur vorsichtig lockern und nur mit der Option, wieder zurückzugehen, wenn man merkt, dass das zu viel wird.“ Wie genau sich die Lage entwickeln wird, lässt sich letztendlich aber nicht genau vorhersagen und hängt von einigen Faktoren ab: etwa vom Testverhalten, dem Plus an Kontakten durch die Lockerungen und dem Beginn frühlingshafteren Wetters.
Was bedeutet BA.2 für Menschen, die bereits mit Omikron infiziert waren?
Dänischen Erkenntnissen zufolge ist es zwar möglich, sich nacheinander mit BA.1 und BA.2 anzustecken. Es wird aber davon ausgegangen, dass dies relativ selten vorkommt – und dann vor allem bei jüngeren, ungeimpften Menschen. Die WHO hält fest, erste Daten deuteten auf einen starken Schutz durch eine BA.1-Ansteckung vor erneuter Infektion mit BA.2 hin – zumindest in dem kurzen Zeitraum, für den es bisher Daten gibt.
Wie hat BA.2 die Situation in Dänemark verändert?
Das nördliche Nachbarland weist mittlerweile fast ausschließlich BA.2 auf, der Anteil liegt bei etwa 96 Prozent aller Fälle, wie es im jüngsten Tendenzbericht des staatlichen Gesundheitsinstituts SSI hieß. BA.2 hat dort allerdings weder eine neue Welle ausgelöst noch den rückläufigen Trend der Infektionszahlen umgekehrt – und das trotz Aufhebung praktisch aller Beschränkungen seit 1. Februar.
Dem SSI zufolge gehen die Hälfte der Todesfälle und der Krankenhauseinlieferungen coronapositiver Patienten nicht auf Covid-19 zurück, sondern auf andere Ursachen. (mit dpa)