Kurz vor Weihnachten reiste eine Frau vom Flughafen London-Heathrow nach Frankfurt am Main. Kaum gelandet machte sie wie alle Passagiere einen Corona-Schnelltest – und wurde zur ersten Person in Deutschland, bei der eine Mutation von Covid-19 nachgewiesen werden konnte: Die britische Variation B.1.1.7. Heute macht das Ursprungsvirus nur noch einen kleinen Teil der Neuinfektionen aus, die dritte Welle gilt auch als Welle der Mutationen. Doch welche Mutationen gibt es weltweit, welche davon sind bei uns in der Region angekommen? Und wie gut wirken die Impfstoffe gegen die veränderten Viren?
Britische Coronavirus-Mutation: B.1.1.7
Als die Mutation sich in Großbritannien ausbreitete, versuchte Europa noch den Ausbruch auf die Insel zu beschränken: Der Warenverkehr stand still, der Eurotunnel blieb geschlossen, Flieger in Richtung Festland blieben am Boden. Doch es nützte nichts: Die Covid-19-Variante aus Großbritannien ist heute die dominierende Mutation in Deutschland. Knapp 90 Prozent aller Neuinfektionen in Deutschland lassen sich auf sie zurückführen, in Köln wurde diese Virusvariante 3748 Mal nachgewiesen (Stand: 11. April 2021). Vermutlich steigen die Corona-Zahlen gerade wegen der Variante in Deutschland wieder an, selbst den ursprünglichen Virusstamm hat sie mittlerweile verdrängt. Von diesem unterscheidet sie sich in 14 Aminosäuren, außerdem fallen drei Proteinbausteine komplett weg.
Gefährlichkeit: Alleine wie schnell sich die Mutation in Deutschland ausbreitet zeigt, dass sie deutlich ansteckender ist als das Ursprungsvirus. Wie viel ansteckender die Mutation genau ist, darüber sind sich Wissenschaftler nicht ganz einig, man geht von 30 bis 70 Prozent aus. Die Mutation ist jedoch auch gefährlicher für Infizierte: Diese haben ein 60 bis 70 Prozent höheres Risiko, im Krankenhaus behandelt zu werden, so Virologe Christian Drosten. Eine Infektion mit der britischen Mutation endet ungefähr 67 Prozent häufiger tödlich.
B.1.1.7. führt etwas häufiger zu Husten, Müdigkeit, Gliederschmerzen und Halsschmerzen, dafür leiden Infizierte seltener unter einem Geruchs- und Geschmacksverlust. Bei der Kurzatmigkeit, Kopfschmerzen, Durchfall und Erbrechen konnten die Forscher keine Unterschiede erkennen.
Wirksamkeit der Impfstoffe: Laut dem RKI gibt es derzeit keine Hinweise „auf eine substantiell verringerte Wirksamkeit der Impfstoffe“. Eine Corona-Impfung schützt also sowohl gegen das Ursprungsvirus als auch gegen die britische Mutation. Bei den mRNA-Impfstoffen von Moderna und Biontech liegt die Wirksamkeit bei rund 90 Prozent, Astrazeneca erreichte 75 Prozent.
Südafrikanische Coronavirus-Mutation: B.1.351
Im November 2020 entdeckten Forscher in Südafrika erstmals die Variante B.1.351. Mittlerweile ist die Mutation in dem Land längst zur dominierenden Virus-Variante geworden, in Deutschland sind die Zahlen noch überschaubar: B.1351 macht rund ein Prozent der Neuinfektionen aus, in Köln wurde die Mutation bisher 288 Mal nachgewiesen (Stand: 11. April). Das Virus gehört zu den sogenannten Escape-Mutationen, auf deutsch Fluchtmutationen. Mutationen am sogenannten Spike-Protein erleichtern es ihnen, an den menschlichen Zellen anzudocken, gleichzeitig weichen sie der Immunantwort aus – sie „fliehen“ also vor den Antikörpern. Hat der Körper bereits Antikörper gegen Covid-19 gebildet, können diese schlecht an der Mutation andocken. Menschen, die eine Corona-Infektion bereits überstanden haben, können sich also nochmal infizieren.
Gefährlichkeit: Diese Virusvariante ist einerseits deutlich ansteckender – bis zu 60 Prozent – zum anderen auch gefährlich für Menschen, die eine Corona-Infektion schon überstanden haben. Die Antikörper, die diese Menschen im Körper haben, können das Virus nicht gut bekämpfen. Es wird vermutet, dass die südafrikanische Variante häufiger schwere Krankheitsverläufe auslöst, Beweise dafür gibt es aber noch nicht.
Wirksamkeit des Impfstoffes: Die Impfstoffe wirken allesamt schlechter gegen die südafrikanische Mutation als gegen das Ursprungsvirus – wie viel schlechte ist von Impfstoff zu Impfstoff unterschiedlich. Bei dem Vakzin von Astrazeneca liegt der Schutz vor leichten und mittelschweren Krankheitsverläufen bei unter 10 Prozent. Die Impfstoffe von Biontech und Moderna zeigten sich in Studien zwar wirksam gegen B.1.351, doch sie bekämpfen die Mutation weitaus schwächer als das Ursprungsvirus. Das untermauert auch eine Studie aus Israel: Bei den Geimpften lag der Anteil an Infizierten mit der südafrikanischen Mutation achtmal höher als bei nicht-immunisierten Personen.
Auch die beiden Impfstoffe von Novax und Johnson & Johnson, die kurz vor einer Zulassung stehen, wirken schlechter gegen die südafrikanische Mutation. Es besteht jedoch Hoffnung, dass die Impfstoffe viele schwere Verläufe verhindern können.
Das könnte Sie auch interessieren:
Brasilianische Coronavirus-Mutation: P.1
Brasilien erlebt derzeit seine verheerendste Corona-Welle seit Beginn der Pandemie. Am 6. April starben innerhalb eines Tages 4.000 Menschen an Corona – ein trauriger Rekord. Die Intensivstationen der Krankenhäuser sind überlastet, währenddessen rät Präsident Jair Bolsonaro seinem Volk: „Hört doch auf mit dem Geheule.“
Grund für die rasant steigenden Fallzahlen ist die brasilianische Covid-Mutation P.1, die für etwa 90 Prozent der Neuinfektionen in dem südamerikanischen Land verantwortlich it. Die Mutante, erstmals nachgewiesen am 10. Januar, hat sogar 17 Mutationen. Dem RKI zufolge ähnelt P.1 der südafrikanischen Variante: Auch sie gehört zu den Escape-Mutationen, die der Immunantwort entkommen. Die brasilianische Mutation wurde auch in Deutschland nachgewiesen, ist jedoch noch deutlich seltener als die südafrikanische Variante. Köln meldete bisher sieben Infektionen mit der brasilianischen Mutation (Stand: 11. April).
Gefährlichkeit: Zu der Übertragbarkeit von P.1 gibt es noch keine genauen Daten, das RKI geht jedoch davon aus, dass die brasilianische Mutation deutlich ansteckender ist als das Ursprungsvirus. Wie die südafrikanische Variante befällt auch die brasilianische Mutation Menschen, die bereits Genesen sind: Nachdem Manaus, Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, bereits vor einigen Monaten zum Hotspot der Pandemie wurde, hofften Wissenschaftler, dass die Bevölkerung größtenteils immun ist. Mit P.1 erlebte Manaus jedoch eine schwere Pandemie-Welle. Hinweise darauf, dass die brasilianische Mutation zu einem schwereren Krankheitsverlauf führt, gibt es bisher nicht.
Wirksamkeit der Impfstoffe: Ähnlich wie bei der südafrikanischen Virus-Variante ist auch hier die Wirksamkeit der Impfstoffe eingeschränkt. Wie gut die Impfstoffe tatsächlich helfen, ist noch unklar, weil in Brasilien nur wenig geimpft wurde. Bei Versuchen im Labor bildeten die Vakzine von Biontech und Astrazeneca zwar Antikörper gegen das P.1, doch sie sind nicht so effektiv wie gegen das Ursprungsvirus. Auch hier bleibt aber die Hoffnung, dass Impfungen schwere Verläufe verhindern.
Britische Form mutiert erneut, neue Varianten in Frankreich und Tansania
Die britische, südafrikanische und brasilianische Virusvarianten sind weltweit am meisten verbreitet. Die einzigen Mutationen sind sie jedoch nicht: Im März endeckten Mediziner in der französischen Bretagne eine Virus-Mutation, die nur schwer durch einen PCR-Test nachzuweisen ist. Laut dem französischen Gesundheitsministerium ist die Variante jedoch weder ansteckender noch gefährlicher.
Erst kürzlich meldete Tirol in Österreich eine neue Mutation, die über hundert Menschen infizierte. Hier mutierte die die britische Variante B.1.1.7 zu einer Escape-Variante, was bedeutet: Das hochansteckende Virus umgeht wie die brasilianische und südafrikanische Mutation große Teile der Immunantwort von Geimpften und Genesenen. Diese Mutation der britischen Form wurde bereits zwölf mal in Köln nachgewiesen.
Grund zur Sorge gibt auch eine neue Mutation aus Afrika: Mediziner konnten bei Reisenden aus Tansania in Angola eine Variante mit 40 Mutationen nachweisen. Tansania gibt seit Mitte 2020 keine genauen Corona-Zahlen mehr heraus, wie verbreitet diese Mutation ist, lässt sich also kaum erahnen. Auch wie diese Mutation auf den Impfstoff reagiert, weiß noch niemand.
Was passiert, wenn eine Mutante auftaucht, gegen die die Impfstoffe nicht wirken?
Bisher wirken alle Impfstoffe gegen Mutationen des Coronavirus, wenn auch zum Teil sehr abgeschwächt. Virologe Jörg Timm zeigte sich gegenüber dem Kölner-Stadt-Anzeiger optimistisch, dass die Vakzine wenigstens schwere Verläufe bei allen Mutanten verhindern können. Pharmakonzern Moderna testet außerdem einen neuen Impfstoff, der auch gegen die südafrikanische Mutation B.1.351 gut wirken soll.
Doch was passiert, wenn ein Impfstoff gegen eine neue Mutation gar nicht mehr wirkt? Wenn das Vakzin sie noch nicht einmal hemmen kann? Kanzleramtschef und Mediziner Helge Braun warnt vor genau diesem Szenario. Die Gefahr dahin steige, wenn die Corona-Zahlen bei laufenden Impfungen weiter steigen, so der CDU-Politiker gegenüber der „Bild am Sonntag“. Bei einer teilimmunen Bevölkerung setzen sich solche Mutationen leichter durch.
Sollte es zu dem Worst-Case-Szenario kommen und eine Mutation entstehen, die gegen alle Impfstoffe komplett resistent ist, müssten die Unternehmen ihre Impfstoffe anpassen und bereits Geimpften einen Auffrischungs-Boost verpassen. Einen neuen Impfstoff gegen Mutationen zu entwickeln geht schnell - Wissenschaftler würden dafür circa sechs bis acht Wochen brauchen. Deutlich mehr Zeit verginge, bis der Impfstoff seine Zulassung erhält und breit verfügbar wäre. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) bereitet sich schon auf ein solches Szenario vor: Sie plant ein spezielles Verfahren für eine rasche Zulassung.