AboAbonnieren

FaktencheckGibt es wirklich eine Winterdepression – und hilft Vitamin D?

Lesezeit 7 Minuten
Im Winter bildet der Körper kein Vitamin D - und greift auf einen Speicher zurück. Copyright: xxEkiyamova

Im Winter bildet der Körper kein Vitamin D - und greift auf einen Speicher zurück.

Viele Menschen fühlen sich in den Wintermonaten besonders niedergeschlagen. Gar von einer Winterdepression ist die Rede. Gibt es die wirklich? Was hat Vitamin D damit zu tun? Sieben Fragen und Antworten.

Schlapp, müde, antriebslos: Stimmungsschwankungen sind zwischen November und Februar keine Seltenheit. Die Ursachen sind komplex. Ein Faktor, so heißt es immer wieder, könnte ein Vitamin D-Mangel sein. Was ist da wirklich dran? Ein Überblick über die Datenlage und Empfehlungen.

Gibt es überhaupt eine Winterdepression?

Viele machen Erfahrungen mit dem Winterblues: Wenn Dauergrau, Dauerregen, Dauerkälte und wenig Licht auf die Stimmung schlagen. Wer kurzzeitig von solchen Gefühlen heimgesucht wird, muss nicht zwangsweise eine Depression entwickeln. „Bei einigen erhöht sich allerdings saisonal die Anfälligkeit für depressive Erkrankungen“, erklärt es Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Von einer saisonal bedingten Depression, auch bekannt als Winterdepression oder SAD (Seasonal Affective Disorder) werde gesprochen, wenn sich eine depressive Episode ausschließlich und wiederholt im Herbst und Winter zeigt.

Diagnostiziert wird diese anhand von typischen Symptomen einer Depression: wie etwa der Verlust von Freude oder Interesse, eine gedrückte Stimmung, Hoffnungslosigkeit, Antriebsmangel, verminderte Konzentration. Drei Besonderheiten gibt es aber: spezifisch Heißhunger statt Appetitverlust und vermehrter Schlaf statt Ein- und Durchschlafstörungen. Auch sozialer Rückzug gehöre zu den Symptomen speziell bei einer Winterdepression, beschreibt das in den USA beheimatete National Institute of Mental Health (NIH).

Die Gesundheitsbehörde schränkt ein: Eine Winterdepression solle nicht mit dem „Feiertagsblues“ verwechselt werden – also Gefühle von Traurigkeit oder Angst, die durch Stress zu bestimmten Zeiten des Jahres ausgelöst werden. Veränderungen im Arbeits- oder Schulalltag, Familienbesuche zählten etwa dazu. Die Winterdepression hänge aber mit den Veränderungen des Tageslichts zusammen, nicht mit dem Kalender.

Generell werde die Diagnose Depression gestellt, wenn über zwei Wochen oder länger mindestens fünf typische Symptome bemerkbar sind, erklärt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe. „Diese saisonal abhängigen Depressionen sind jedoch meist weniger schwer ausgeprägt und weniger häufig als andere depressive Störungen“. Das heißt: Die meisten Depressionen, die im Winter auftreten, sind keine spezielle Winterdepressionen, sondern können sich zu jeder Jahreszeit bemerkbar machen.

Welchen Einfluss hat der Vitamin D-Status auf eine Depression?

Der Einfluss von Vitamin D auf den Körper und die Psyche wird wissenschaftlich viel diskutiert. Bewiesen ist, dass sich ein ausreichender Vitamin-D-Status vorteilhaft auf die Knochengesundheit auswirkt, zahlreiche Stoffwechselvorgänge ankurbelt und das Immunsystem unterstützt – und ein Mangel sich darauf negativ auswirken kann. Womöglich kann Vitamin D auch den Verlauf von chronischen Erkrankungen günstig beeinflussen: Diabetes etwa, Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, auch Krebs. Beobachtungsstudien erkennen aber maximal Wechselwirkungen. Direkte, belegbare Zusammenhänge fehlen.

So hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung ihren Wissensstand zu Vitamin D mit Blick auf die Studienlage zuletzt 2020 differenziert. „Danach ist nach wie vor nicht belegt, dass Vitamin D vor Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2 schützt“, wird Prof. Jakob Linseisen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, in einer Mitteilung zitiert. Bislang fehlten die Beweise für eine kausale Beziehung zwischen den Befunden.

Gleiches ließ sich auch bei Depressionen feststellen. Es gibt auf der einen Seite Beobachtungsstudien, die darauf hinweisen, dass sich ein guter Vitamin D-Status vorteilhaft auf die psychische Verfassung auswirken kann. Beweise für einen kausalen Zusammenhang fehlen bislang aber. Die beobachteten Effekte bei schweren Depressionen müssten weiter untersucht werden, heißt es im DGE-Ernährungsbericht. Aufgrund nicht eindeutiger Daten sei keine eindeutige Aussage zu Effekten von Vitamin D auf Depressionen möglich - weder präventiv noch bei bereits diagnostizierten Patienten und Patientinnen.

Was tun gegen niedrige Vitamin D-Werte?

So oder so: Vitamin D ist wichtig für den Körper. Dieser bildet das Vitamin dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge vor allem mithilfe von Sonnenlicht. Genauer: UV-B-Strahlung. Über die Haut werden so 80 bis 90 Prozent des Vitaminbedarfs gedeckt. Dabei ist ein Aufenthalt im Freien nötig. Ein Aufenthalt in hellen Räumen reicht nicht aus, da die UV-B-Anteile im Sonnenlicht nicht durch das Glas in Fensterscheiben dringen können.

In den Wintermonaten, von November bis Februar, reicht die Intensität und Dauer der Strahlung im Freien in unseren Breitengraden hierzulande allerdings nicht mehr aus. Der Körper hat für die winterliche Durststrecke aber eine Lösung: Er greift auf seine Vitamin-D-Reserven in Fett- und Muskelgewebe zurück.

Um die aufzufüllen, braucht es den Sommer. Um niedrigen Vitamin-D-Werten ganzjährig entgegenzuwirken, legen dem RKI zufolge aktuelle Empfehlungen nahe, zwischen März und Oktober zwei- bis dreimal pro Woche Gesicht, Hände und Arme unbedeckt und ohne Sonnenschutz der Sonne auszusetzen.

Die Faustregel: Für eine ausreichende Vitamin-D-Synthese reiche hierbei bereits die Hälfte der Zeit, in der sonst ungeschützt ein Sonnenbrand entstehen würde. Wer also beispielsweise helle, empfindliche Haut hat, mit blauen, grauen, grünen oder braunen Augen, blonden bis braunen Haaren, womöglich mit Sommersprossen, kaum bis mäßig gebräunt ist – da reichen rund zwölf Minuten normalerweise aus. So erklärt es zumindest das Deutsche Bündnis für Strahlenschutz.

Was aber im Winter tun, wenn ein Mangel erkannt wurde? Zum einen kann das Vitamin auch über die Ernährung aufgenommen werden. Allerdings trägt diese mit rund zehn bis 20 Prozent einen relativ geringen Anteil zur Versorgung bei. Nur wenige Lebensmittel beinhalten nennenswerte Mengen: fettreicher Seefisch etwa, Speisepilze, Eier. Neben natürlichen Quellen kann Vitamin D aber auch über Nahrungsergänzungsmittel, sogenannte Supplemente, und angereicherte Lebensmittel zugeführt werden.

Sollte man supplementieren - und wie wird ein Vitamin D-Mangel erkannt?

Weil gerade im Winter oft ein Vitamin D-Mangel festgestellt wird und von der Forschung Depressionen zumindest in Verbindung damit gebracht werden, rät beispielsweise die Krankenkasse DAK dazu, auf eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D zur Vorbeugung oder als Unterstützung der Therapie gegen Winterdepressionen zu achten.

Vitamin-D-Dosen von 20 µg (800 IE) können der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zufolge als sicher angesehen werden und „signifikant dazu beitragen“, einen optimalen Bereich zu erreichen. Die DGE weist aber auch darauf hin, dass eine über den Bedarf hinausgehende Supplementation, insbesondere in Form von hohen Dosierungen, keine präventiven Vorteile bringt. Erst bei einer nachgewiesenen fehlenden körpereigener Bildung rät sie „zu einer täglichen Einnahme in Höhe des Referenzwertes von 20 µg (800 IE).“

Den Vitamin-D-Status kann der Hausarzt oder die Hausärztin als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) im Blutserum bestimmen. Die Kosten dafür trägt die gesetzliche Krankenkasse also nicht. Geschaut wird bei der Untersuchung auf die Konzentration von 25-Hydroxyvitamin-D, kurz 25(OH)D. Das ist ein Vorläufer des aktiven Vitamin D und kann in den Einheiten nmol/l oder ng/ml angegeben werden. Liegt der Wert unter 25-30 nmol/l (10-12 ng/ml), ist das ein Hinweis auf eine mangelhafte Vitamin-D-Versorgung; der optimale Bereich sollte der DGE zufolge mindestens 50 nmol/l (20 ng/ml) betragen.

Ist zu viel Vitamin D schädlich?

Es kann auch zu einer Vergiftung mit Vitamin D kommen. Allerdings nicht über die körpereigene Vitamin D-Bildung über das Sonnenlicht. Auch nicht durch die Ernährung. Nur über einen Weg kann es dem RKI zufolge zu Vergiftungen kommen – durch übermäßig hohe Einnahmen von Nahrungsergänzungsmitteln, mit Vitamin D hochdosierten Medikamente, einem hohen Konsum an angereicherten Lebensmitteln.

Im Körper entstehen dann erhöhte Kalziumspiegel. Mögliche Folgen: Übelkeit, Appetitlosigkeit, Bauchkrämpfe, Erbrechen. In schweren Fällen auch Nierenschädigung, Herzrhythmusstörungen, Bewusstlosigkeit und Tod. Da Vitamin D im Körper gespeichert werden kann, ist neben einer akuten auch eine schleichende Überdosierung möglich.

Was hindert den Aufbau eines Vitamin D-Speichers für den Winter?

Verschiedene Faktoren können den Aufbau eines ausreichenden Vitamin D-Speichers für die Wintermonate erschweren. Ungünstige Witterungsverhältnisse im Sommer etwa, zum Beispiel bei starker Bewölkung. Das RKI nennt als Risikofaktoren insbesondere „die stetige Abnahme von Aktivitäten im Freien“ und den vermehrten „Aufenthalt in geschlossenen Räumen“, zum Beispiel durch Büroarbeit oder verändertes Freizeitverhalten, auch Kleidung spielt eine Rolle. Je heller der Hauttyp, umso eher bildet sich Vitamin D. Auch chronische Magen-Darm-, Leber- oder Nierenerkrankungen, verschiedene Medikamente, etwa Antiepileptika, können den Vitamin-D-Stoffwechsel beeinträchtigen.

Was hilft noch gegen Winterblues und Winterdepression?

Bei einem Winterblues oder bei einer Winterdepression können weitere Maßnahmen hilfreich sein. Als Standardtherapie gehören laut DAK Tageslichtlampen zu Repertoire, mit mindestens 10.000 Lux für 30 bis 40 Minuten täglich. Weißes, fluoreszierendes Licht wird über die geöffneten Augen aufgenommen und soll Antrieb, Wachheit und Wohlbefinden fördern. Zur Vitamin D-Genese tragen solche Lampen allerdings nichts bei, weil keine UV-Anteile dabei sind.

Um die Melatoninproduktion zu bremsen, helfe es, so oft wie möglich draußen spazieren zu gehen oder Sport treiben. Eine Stunde am Tag sei bereits ausreichend, die Sonne müsse dafür nicht scheinen. Therapien mit einer gezielten Schlafreduktion führten oft zu einer spürbaren Stimmungsaufhellung. Soziale Kontakte pflegen, eine vielseitige Ernährung, sei auch oft hilfreich. „Je nach Art und Schweregrad der Depression ist es ratsam, sich seinem Arzt oder seiner Ärztin anzuvertrauen, um dann über eine Psychotherapie, die Einnahme von Antidepressiva oder anderen Medikamenten zu sprechen“, hält die DAK fest.

Habe ich Symptome einer Depression? Ein Selbsttest ist auf der Homepage der Deutschen Depressionshilfe zu finden. Unter der Stiftungstelefonnummer 0800 / 33 44 533 bekommt man ebenfalls Hilfe. Montag, Dienstag, Donnerstag: 13 bis 17 Uhr. Mittwoch und Freitag: 8.30 bis 12.30 Uhr.