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Zeckensaison beginntGefahr durch FSME-Virus „So richtig sicher kann man sich nirgends mehr sein“

Lesezeit 4 Minuten
"Vorsicht! Zecken!" steht auf einem Warnschild.

Zecken gibt es in ganz Deutschland. In einigen Gebieten ist die Gefahr, dass die kleinen Tiere das FSME-Virus übertragen, erhöht. Ganz sicher, könne man sich aber nirgends mehr sein, sagt die Zecken-Expertin.

Übertragungen des FSME-Virus durch Zecken wurden dieses Jahr schon im Februar registriert. Warum auch NRW betroffen ist.

Sie ist klein, mehr als 200 Millionen Jahre alt, widerstandsfähig – und sie lauert schon im frühen Frühling im Gras auf ihren Wirt. Schafft sie es, sich mit ihrem durstigen Rüssel an nackter Haut festzusaugen, kann sie nicht nur unangenehm, sondern sogar gefährlich werden. Denn die Zecke, von der Wissenschaft als Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) benannt, kann Viren übertragen, die schwerwiegende Krankheiten wie zum Beispiel die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) auslösen können.

Die Krankheit verläuft in vielen Fällen leicht wie eine Sommergrippe, kann aber auch die Hirnhäute, das Rückenmark oder das Gehirn befallen, zu Lähmungen und Konzentrationsschwierigkeiten führen und im schlimmsten Fall tödlich enden.

Nordrhein-Westfalen zählt zwar als ganzes Bundesland nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts nicht zu den FSME-Risikogebieten. Die finden sich eher im Süden Deutschlands und in den Mittelgebirgen. Aber auch in NRW gibt es Orte, in denen es in den vergangenen Jahren durch Zeckenbisse zu FSME-Erkrankungen kam. Hierzu zählt laut RKI vor allem das Stadtgebiet von Solingen, aber auch Regionen im Bergischen Land sowie im Münsterland. Auch im Rhein-Erft- und Rhein-Sieg-Kreis sowie im Kreis Euskirchen erhielt das RKI Infektionsmeldungen.

Parasitologin: „Ganz Deutschland ist mittlerweile ein Endemie-Gebiet“

„Zecken gibt es überall, aber diejenigen, die FSME-Viren in sich tragen, finden sich lediglich in sehr kleinen Naturräumen von der Größe eines halben Fußballfeldes“, sagt die Parasitologin Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das Problem: Wo sich diese Naturherde befinden, ist schwer herauszufinden.

Die Zahlen des RKI zeigten lediglich, in welchen Gebieten mehr als ein belegter Fall einer FMSE-Infektion auf 100.000 Menschen in der Bevölkerung gezählt wurden. „Das suggeriert, dass die Erkrankung außerhalb dieser Landkreise nicht von Zecken übertragen wird, das ist aber ein Irrglaube“, sagt Mackenstedt. Die Bedrohung durch FSME wandert, das zeigen die Zahlen des RKI, immer weiter Richtung Norden und betrifft deshalb auch NRW immer stärker. Mittlerweile, so sagt Mackenstedt, sei ganz Deutschland ein Endemie-Gebiet für FSME. „So richtig sicher kann man sich nirgendwo mehr sein.“

Erste FSME-Fälle schon im Februar

Die milden Winter befördern zudem die Gefahr, sich zu infizieren. Denn je höher die Temperaturen, desto mehr Tiere überleben auch die Winterphase, nach der sie sich wieder auf die Suche nach einem Blutwirt machten. „Zecken sind schon ab etwa sieben Grad aktiv. Da lagen wir schon in den Wintermonaten häufig darüber“, so Mackenstedt. Erste Infektionen mit FSME seien in diesem Jahr deshalb schon im Februar gemeldet worden.

Drei Zecken der Art Gemeiner Holzbock lauern auf einem Grashalm in einer Wiese.

Der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) ist die bekannteste und häufigste Zeckenart in Deutschland und Europa.

Und der Gemeine Hausbock bekommt Verstärkung. Ab 2007 ist auch die Hyalomma-Zecke in Deutschland gesichtet worden, und seit 2018 schickten Finder die vergleichsweise großen Tiere mit den gestreiften Beinen auch aus NRW an das RKI. „Hyalomma-Zecken können gefährliche Krankheitserreger in sich tragen – darunter das Krim-Kongo-Virus, das beim Menschen das schwere, bisweilen sogar tödliche Krim-Kongo-Hämorrhagische-Fieber (CCHF) verursacht“, schreibt das RKI.

Zwar sind laut Mackenstedt in Deutschland derlei Fälle bislang unbekannt, in Portugal, Spanien und Südfrankreich aber bereits belegt. Auch das Zeckenfleckfieber beschere die Hyalomma den Menschen. „Hierbei handelt es sich allerdings um eine bakterielle Infektion, die mit Antibiotika meist gut behandelt werden kann“, so Mackenstedt.

Die Gefahr, die von Zecken ausgeht, dürfe „nicht unterschätzt werden“, sagt Lisa Kapteinat, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Partei hat das Thema aktuell auf der Agenda und einen Bericht der Landesregierung zur Ausschusssitzung in dieser Woche beantragt: „Die Landesregierung hat jetzt die Aufgabe, insbesondere zum Schutz von Kindern und Jugendlichen, Aufklärungsarbeit zu leisten“, sagt Kapteinat. Es soll in der Sitzung auch um die Frage gehen, welche Schritte die Regierung unternehme, um die FSME-Impfquote gerade in den betroffenen Risikokreisen in NRW zu erhöhen.

Impfquote in Deutschland „viel zu gering“

Eine Impfung legt auch Mackenstedt nahe. „Sie schützt in NRW, aber auch bei Urlaubsreisen in Risikogebiete wie Bayern, Baden-Württemberg, Österreich, Schweiz, Niederlande oder Skandinavien.“ Die Impfquote sei in Deutschland überall mit je nach Region 17 bis 30 Prozent „viel zu gering“, um die Anzahl der FSME-Fälle zu reduzieren. Bundesweit gab es 2022 insgesamt 554 gemeldete Infektionen, Experten gehen aber durch die leichte Verwechslung mit einer Sommergrippe von einer hohen Dunkelziffer aus.

Was die Tiere nicht mögen: „Lange Perioden trockener Hitze kann der Gemeine Hausbock nicht gut aushalten“, sagt Mackenstedt. Er müsse sich dann in feuchtere Schichten zurückziehen. In Sicherheit wiegen könne man sich aber auch in den heißen Sommermonaten nicht. Gerade im kühleren Wald warteten gerade dann winzige Tiere auf eine Chance für ihre nächste Mahlzeit.