Berlin – Keine Schutzmasken mehr im Flugzeug? Die einen erleichtert das, die anderen fürchten sich vor Ansteckung. Sie wünschen sich dieses Mehr an Schutz. Und nun? Ein Aerosolwissenschaftler gibt Tipps.
Der Vorteil der Maske ist unbestritten, sagt Aerosolphysiker Gerhard Scheuch. Der Experte für den Verband Pneumologischer Kliniken (VPK) hat die Übertragung von SARS-CoV-2 über Aerosole in Räumen erforscht. „Wer ängstlich ist und wer sich wirklich gut schützen will, der ist gut beraten mit einer Maske.”
Aber Flüge können nun mal ganz schön lang sein, auf Dauer wird das Maskentragen unangenehm. Wer mit sich selbst dann ringt, wie er mit dem Maskentragen im Flieger umgeht, rät Gerhard Scheuch: „Es ist besonders wichtig, beim Einsteigen und in der Zeit vor dem Start und nach der Landung die Maske zu tragen.”
Der Physiker hat während ein paar Flügen Messungen vorgenommen. „Dabei ist mir aufgefallen, dass die CO2-Konzentration und damit die Aerosolbelastung im Flieger ansteigt, wenn das Flugzeug am Boden ist. Während des Fluges nimmt diese ab und bleibt relativ konstant niedrig.” Während des Fluges wird die Maschine also besser belüftet als am Boden.
an Bord (Stand 7. September 2022).
Außerdem strömt die Luft in Flugzeugen von oben nach unten. Und nicht horizontal von Seite zu Seite oder entlang der Länge des Flugzeugs - also nicht von Mensch zu Mensch. Daher sind übrigens die manchmal angebotenen freien Mittelsitze, damit Reisende keinen direkten Sitznachbarn haben, auch keine wirksame Corona-Schutzmaßnahme.
An der CO2-Konzentration der Luft. Scheuch erfasst sie im Flieger und in anderen geschlossenen Räumen mit Hilfe eines CO2-Messgerätes. „CO2 wird vom Menschen ausgeatmet. Daher weiß man, wenn eine hohe CO2-Konzentration vorliegt, könnte auch eine hohe Aerosol-Konzentration vorliegen”, so der Wissenschaftler. Er hat sein Messgerät daher immer dabei. Und er rät dazu, wenn Menschen sich unsicher und ängstlich fühlen.
Ein CO2-Messgerät gibt eigentlich an, wann die Luft in einem Raum „verbraucht”, also nicht mehr frisch ist. Viele Geräte erinnern so mehrfach am Tag daran, zu Hause die Fenster zu öffnen. Laut Stiftung Warentest sollte man in Coronazeiten ab einem Messwert über 800 ppm (Teile pro Million) lüften.
müssen laut Norm mindestens 94 Prozent und FFP3-Masken mindestens 99 Prozent der Testaerosole filtern können. Das heißt, qualitativ hochwertige Modelle schützen bei korrekter Tragweise also gut. „Auch die OP-Masken schützen ziemlich gut, sie halten meistens zwischen 70 und 90 Prozent zurück”, sagt Scheuch.
„Ich war am Anfang selbst kein Maskenfreund, weil ich in Studien gelesen hatte, dass Masken in der Pandemie gar nicht so viel bringen”, berichtet der Wissenschaftler, der seit rund 40 Jahren zu Aerosolen forscht. „Aber ich habe mich dann eines besseren belehren lassen, als ich zum ersten Mal diese FFP2-Masken im Labor selbst untersucht habe.”
Allerdings schützen die verschiedenen Maskentypen nur, wenn sie richtig eng anliegen. Denn ist die Maske nicht an das Gesicht angepasst, atmet man quasi an ihr vorbei - fast so, als würde man gar keine Maske tragen. Übrigens: Die Maske sitzt eng genug, wenn man an ihr die Atmenbewegung sieht.
Nein, sagt Aerosolforscher Scheuch. „Die Diskussion um den Abstand ist aufgekommen, als man noch dachte, diese Übertragung findet durch Tröpfcheninfektion statt. Das heißt Anhusten und Anniesen.” Inzwischen ist klar, dass für Corona-Infektionen hauptsächlich Aerosole verantwortlich sind. „Das sind sehr, sehr kleine Partikel, die in luftgetragenem Zustand sind - also eine Wolke. Und gegen diese Wolke kann man mit Abstand in diesen Situationen gar nicht so viel machen.”
Zwar ist das Risiko einer Infektion in der Nähe eines Infizierten etwas höher als in einer gewissen Entfernung, aber entscheidend ist vor allem, wie lange man Kontakt mit dem Infizierten hat. Scheuch: „Wenn man sehr dicht und sehr lange mit einem zusammensteht, dann ist die Infektionsgefahr groß. Sehr lange heißt: mehrere Minuten.”
Wenn Drängler bei der Sicherheitskontrolle, am Gate oder im Gang des Fliegers den eigenen Wunsch nach Abstand nicht respektieren, muss man sich also wenig Sorgen machen. „Wenn man nur ganz kurz angestoßen oder angerempelt wird, dann ist die Infektionsgefahr sehr, sehr gering, weil die Kontaktzeit viel zu niedrig ist”, sagt Gerhard Scheuch.
zu informieren und die lokalen Ansagen beziehungsweise Informationen des Bordpersonals zu beachten.
Trotzdem appelliert die Bahn an alle Reisenden: „Wer Bahn fährt, muss Eigenverantwortung zeigen und Rücksicht nehmen - medizinischen Mund-Nasen-Schutz oder FFP2-Maske tagen, Abstand halten und Hygieneregeln beachten.” Außerdem verteilt das Servicepersonal laut Bahn die Reisenden bestmöglich über den Zug.
„Es hängt immer von der individuellen Lüftungssituation im Verkehrsmittel ab”, sagt Gerhard Scheuch. Das ist das Ergebnis von Messungen durch Schweizer Wissenschaftler. So kamen Fernzüge relativ gut weg, auch Busse. „Kritisch waren die Werte in U- und S-Bahnen.”
Dazu kommt die Auslastung der Verkehrsmittel. „Sind die Züge rappelvoll, ist sicherlich die CO2-Konzentration sehr hoch. Dann könnten auch viele Aerosole und Viren in der Luft sein”, so der Wissenschaftler. Wenn möglich, kann man dann auch mit dem Öffnen eines Fensters nachhelfen.
Zur Person: Gerhard Scheub ist Physiker und Experte für den Verband Pneumologischer Kliniken (VPK). Er hat unter anderem das Robert-Koch-Institut zur Ausbreitung von SARS-CoV-2 durch Aerosole in geschlossenen Räumen beraten.
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