Bad Schwartau/Berlin – Immer mehr Testzentren machen dicht. Die Zeit, in der es kostenlose Schnelltests für alle gab, ist seit vergangener Woche ohnehin Geschichte. Wie kommen Nicht-Geimpfte und Nicht-Genesene, aber auch andere jetzt an einen zertifizierten Coronavirus-Testnachweis, zum Beispiel für Restaurantbesuche oder den Gang ins Fußballstadion? Wäre doch bequem, wenn sich das daheim erledigen ließe.
Tatsächlich gibt es Anbieter, die videoüberwachte Selbsttests anbieten. Das Prinzip: Man besorgt sich einen zugelassenen Selbsttest und nimmt ihn vor der eingeschalteten Smartphone-Kamera vor. Geschulte Menschen schauen sich das an, prüfen es und senden, wenn alles in Ordnung war, das – hoffentlich negative – Testzertifikat zu.
So einfach, so einleuchtend. Doch funktioniert das auch reibungslos? Und werden die Zertifikate überall anerkannt? So viel vorweg: In der Frage, wie viel ein Videotest-Zertifikat wert ist, haben die Anbieter und das Bundesgesundheitsministerium unterschiedliche Ansichten.
Ein Problem, eine Lösung
An sich lösen die videoüberwachten Tests ein Problem. Denn die Selbsttests, die in Drogerien, Apotheken oder Supermärkten zu haben sind, sind zwar zugelassen. Doch im Alleingang angewendet ist deren Ergebnis nicht mehr als eine Information für einen selbst. Als offizieller Nachweis, der irgendwo Zutritt verschafft, reicht es nicht, nur eine Testkassette herzuzeigen. Es braucht ein Zertifikat.
Die per Video überwachten Tests sind nicht kostenlos. Beim Anbieter „covidtestonline“ etwa kostet das 14,90 Euro, bei Konkurrent „Freetogo“ 19,99 Euro. Die Kosten für den Kauf des Selbsttests kommen noch hinzu, sind aber überschaubar: Einzelne Tests gibt es bei Discountern teilweise für weniger als einen Euro. In Listen kann man nachschauen, welche Antigen-Schnelltests die Anbieter akzeptieren.
Video-Tests sind ungefähr so teuer wie günstige Tests im Testzentrum
Die Preise für die videoüberwachten Tests liegen also im unteren Bereich dessen, was Selbstzahler für Schnelltests zum Beispiel im Testzentrum zahlen müssten. Dort kosten sie laut Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen zwischen rund 18 und 40 Euro. Und das müssen seit dem 11. Oktober auch fast alle bezahlen, denn das Angebot kostenloser Bürgertests für Jedermann ist vorbei. Gratis sind die Tests nur noch für bestimmte Personengruppen, zum Beispiel Kinder bis zwölf Jahre.
Wer ohnehin selbst zahlen muss, spart sich also künftig vielleicht lieber den Weg ins Testzentrum und erledigt den Schnelltest zu Hause. Funktioniert das auch reibungslos?
Praxistest I: Schwierigkeiten mit der richtigen Einstellung
Für den Test daheim muss man sich etwas Zeit nehmen. Bei „covidtestonline“ ist das Zertifikat rasch gekauft, per Mail kommt dann ein Code, mit dem man den Test starten kann. Nach der Eingabe persönlicher Daten und der Ausweisnummer folgt kurz ein digitaler Identitätscheck, dann geht es los.
Bei diesem Anbieter muss man den kompletten Ablauf des Tests filmen. Ich nehme also das Smartphone und habe erstmal Probleme, die Kamera so auszurichten, dass ich im Bild bin – denn ich habe kein Stativ und kann nicht die Frontkamera für die Aufnahme anwählen. So sehe ich den Bildschirm nicht, und kann folglich nicht prüfen, ob die Testmaterialien und ich selbst immer gut zu sehen sind.
Aber irgendwann ist alles ausgerichtet und die Aufnahme beginnt. Man zeichnet alles auf, vom Auspacken des Test-Kits über den Abstrich bis hin zur Entwicklung der Teststreifen. Am Ende hält man die Kassette mit dem Ergebnis für fünf Sekunden vor die Kamera. Alles in allem nimmt man rund 20 Minuten Video auf.
Der Check beim Anbieter
Schaut sich das dann wirklich jemand komplett an? Ja, allerdings werden die 15 Minuten Wartezeit bis zum Testergebnis schneller abgespult, sagt Timo Scharpenberg, Geschäftsführer der Firma Coteon, die das Portal „covidtestonline“ betreibt. Gespult wird allerdings nicht zu schnell, damit ein möglicher Austausch der Testkassette nicht unbemerkt bleibt. Sonst wäre es einfach, zu betrügen.
In meinem Fall scheint alles geklappt zu haben. Eine gute Viertelstunde nach dem Test kommen Ergebnis und Zertifikat per E-Mail. Neben Deutsch kann man noch zwei weitere Sprachen auswählen. Laut Anbieter dauert es maximal eine Stunde, bis man eine Nachricht bekommt. Geschulte Kräfte seien von 6 bis 24 Uhr im Dienst.
So reibungslos wie bei mir läuft es dem Anbieter zufolge nicht immer. „Wir winken nicht jeden durch“, sagt Scharpenberg. Die Ablehnungsquote liege bei sechs bis neun Prozent. Ein häufiger Fehler sei, dass die Aufnahme vom Kunden zu früh gestoppt und die nötige Viertelstunde für die Teststreifen-Entwicklung nicht abgewartet wird. Immerhin: Dann gibt es einen kostenlosen Zweitversuch.
Praxistest II: Mit Anleitung
Einen anderen Ansatz wählt die App „freetogo“, hinter der ein Start-up der Uni Potsdam steckt. Hier erfolgt der Test teils unter Aufsicht: Man telefoniert per Video mit einer Person, die beim Testen assistiert und beobachtet. Das ist insofern angenehm, dass man nicht bei jedem Schritt einen Blick auf die Anleitung werfen muss. Nach dem Träufeln der Probenlösung auf die Testkassette endet das Gespräch.
Damit die Testkassette nun nicht einfach gegen eine andere mit einem negativen Ergebnis ausgetauscht werden kann, musste man sie vor dem Telefonat mit einer zugesandten Nummer beschriften und fotografieren. Auch die Person am anderen Ende der Leitung checkt die Nummer.
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Sobald die 15 Minuten Entwicklungszeit für die Teststreifen vorüber sind, gilt es noch, die Testkassette erneut zu fotografieren – und zwar so, dass das Ergebnis und die aufgeschriebene Nummer gut erkennbar sind. Schon kurz nach dem Absenden des „Beweisfotos“ in der App kam die Testbescheinigung im E-Mail-Postfach an.
Unterm Strich funktionierte auch diese Variante des Videotests gut, wenngleich die Durchführung in der App an manchen Stellen hakte.
Test dauert länger, aber der Weg wird gespart
Im Vergleich zum Tempo in einem Testzentrum – sofern dort alles reibungslos klappt – dauert das Testen mit Videoaufzeichnung daheim länger. Dafür entfällt aber auch der Weg ins Testzentrum.
Genaue Zahlen dazu, wie viele Menschen ihr Angebot schon genutzt haben, nennen die beiden Anbieter nicht. Scharpenberg spricht von mehreren Zehntausend, „Freetogo“ von einer fünfstelligen Nutzerzahl.
Zum Vergleich: Allein im Juni und August 2021 wurden laut Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bundesweit mehr als 46 Millionen Bürgertests abgerechnet. Die Videotests sind also eine Nische. Fairerweise muss man anmerken, dass sie in der Regel immer schon kostenpflichtig waren und nicht als kostenlose Bürgertests zählten.
Wenn nun die Bürgertests für die meisten Menschen nicht mehr vom Staat bezahlt werden und immer mehr Testzentren schließen, könnte das Angebot für manche Menschen aber attraktiver werden. „Ich glaube schon, dass die Nachfrage dann steigen könnte“, sagt Scharpenberg.
Für wen sind die Videotests gedacht?
Bisher haben nach seinen Angaben viele Nutzer die Tests zum Beispiel auf Reisen gemacht. Im Ausland ist das teils sicherlich komfortabler, als eine Teststelle zu suchen. Bei „covidtestonline“ kann man sich die Zertifikate daher auch in verschiedenen Sprachen zusenden lassen.
Der Mitgründer und Chef der App „freetogo“, Matthias Weingärtner, sieht den Nutzen der Videotests ebenfalls für Urlauberinnen und Urlauber, aber auch an anderer Stelle: zum Beispiel, wenn jemand kein Testzentrum in der Nähe habe oder aufgrund von Angst vor einem erhöhten Infektionsrisiko den Gang ins Testzentrum scheue.
Unterschiedliche Meinungen zur Gültigkeit
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sieht diese digitalen Testmöglichkeiten kritisch. Per Video sei eine gründliche Überwachung der Testung nur eingeschränkt möglich, heißt es auf Anfrage. Nach Ansicht des Ministeriums gehen die Zertifikate der Anbieter videoüberwachter Tests auch nicht als offizielle Zertifikate durch.
In Ministeriumssprache klingt das so: „Wenn die dem Testnachweis zugrundeliegende Testung mittels videoüberwachter Selbsttestung erfolgt ist, kann kein gültiger Testnachweis im Sinne der Schutz-Ausnahmenverordnung erstellt werden.“ Dies gelte auch dann, heißt es, wenn die Videoüberwachung durch einen Leistungserbringer nach Paragraph 6, Absatz 1 der Test-Verordnung erfolgt sei.
Die Anbieter sehen das anders. So stützt sich die hinter „covidtestonline“ stehende Gesellschaft Coteon auf zwei eigene Rechtsgutachten durch die Kanzlei Fieldfisher und die Rechtsanwaltsgesellschaft KPMG Law. Diese kommen zum Ergebnis, dass die Nachweise der Ausnahmenverordnung entsprächen.
Ergebnis kann auch in Corona-Warn-App übertragen werden
Das Zertifikat erfülle europäische Vorgaben und sei gleichwertig mit einem Zertifikat aus dem Testzentrum, schreibt „covidtestonline“ auf seiner Website. Der Online-Prozess sei vom Tüv Rheinland geprüft und als funktional und sicher bestätigt worden.
„freetogo“-Chef Weingärtner schreibt auf die Frage, wo das Zertifikat überall akzeptiert werde: „Grundsätzlich wird unser Zertifikat europaweit dort anerkannt, wo ein Antigen-Schnelltest akzeptiert ist. Wir empfehlen unseren Kunden, das Ergebnis in die Corona-Warn-App zu importieren und es darüber nachzuweisen.“
Coteon-Geschäftsführer Scharpenberg weist auf Kooperationen mit Firmen hin, die das Zertifikat voll anerkennen, darunter seien die Lufthansa und das Fährunternehmen Stena Lines.
Zusammengefasst: Das Ministerium sagt nein, die Anbieter sagen ja. Am Ende ist wohl ohnehin die Frage, wie genau das Zertifikat im Kino oder Restaurant angeschaut wird. Wichtig ist ja, dass der Selbsttest richtig vorgenommen wurde, damit das Ergebnis möglichst verlässlich ausfällt – und die Überwachung per Video soll das sicherstellen. (dpa/tmn)