Berlin/Köln – Die Straßen und Züge sind wieder voller, der Alltag nach dem Lockdown in der Corona-Krise normalisiert sich mehr und mehr. Einige Arbeitnehmer haben in den letzten Monaten statt im Büro, im Homeoffice gearbeitet. Was, wenn das eigene Unternehmen nun möchte, dass man an den Arbeitsplatz zurückkehrt – müssen Arbeitnehmer dem zustimmen? Oder können sie darauf bestehen, weiter im Homeoffice zu arbeiten? Wir haben mit Alexander Bredereck gesprochen, er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin und beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema:
In einigen Unternehmen sollen die Arbeitnehmer wieder aus dem Homeoffice in den Betrieb zurückkehren. Muss ich ins Büro zurück? Kann ich mich weigern?
Grundsätzlich komme es auf die getroffenen Vereinbarungen im Arbeitsvertrag an, weiß Bredereck. „In den meisten Fällen wird es so sein, dass der Arbeitgeber per Weisungsrecht Arbeitnehmer dazu verpflichten kann, wieder in den Betrieb zurück zu kehren.“ Verweigern können Arbeitnehmer sich dann, wenn sie sich mit dem Arbeitgeber zu Beginn des Lockdowns auf einen bestimmten Zeitraum geeinigt haben, beispielsweise die nächsten fünf Monate ausschließlich Homeoffice. Dann ist auch der Arbeitgeber daran gebunden, erklärt der Rechtsanwalt.
Ob sich jemand der Rückkehr ins Büro verweigern könne, hänge auch davon ab, ob es einen anderen Weigerungsgrund gebe. Das könnte zum Beispiel sein, wenn die Vorgaben des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards im Unternehmen nicht gewährleistet werden. „Wenn ich darauf verweisen kann, dass zum Beispiel die vorgegebenen Sicherheitsabstände von 1,5 Metern zu Kollegen oder Kunden nicht eingehalten werden können, etwa weil das Büro nicht groß genug ist, könnte ich mich als Arbeitnehmer weigern, vor Ort zu arbeiten. Ich wäre aber sehr vorsichtig, mich einfach zu weigern, Arbeitnehmer riskieren dann eine Abmahnung oder gar Kündigung wegen Arbeitsverweigerung“, sagt Bredereck.
Wie sieht es mit Arbeitnehmern aus der Risikogruppe aus. Darf der Arbeitgeber verlangen, dass sie wieder im Betrieb arbeiten?
Hier sei vieles unklar. Ab wann gehöre man überhaupt zu „Risikogruppe“? In jedem Falle müsse der Arbeitgeber, die für Risikogruppen verschärften Vorgaben des SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards einhalten. Dazu gelten die Vorgaben des Paragraf 4 Nr. 6 Arbeitsschutzgesetz, wonach der Arbeitgeber beim Arbeitsschutz spezielle Gefahren für schutzbedürftige Beschäftigtengruppen beim Arbeitsschutz berücksichtigen muss. Der Betriebsarzt müsse mit Arbeitgeber und Arbeitnehmer geeignete Schutzmaßnahmen suchen.
„Ich empfehle hier die jeweils aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts im Auge zu behalten und gegebenenfalls ärztliche Atteste einzuholen. Wer arbeitsunfähig ist, muss ja ohnehin nicht arbeiten. Alle anderen sollten zuerst zum Betriebsarzt“, sagt Bredereck. Langfristig könne das Problem auftreten, dass Mitarbeiter personenbedingt gekündigt werden, wenn sie nicht mehr arbeitsfähig sind. „Ein Arbeitnehmer darf zum Beispiel nicht mehr schwer heben, zu seinem Job gehört es aber dazu, schwere Dinge zu tragen. Dann ist diese Person zwar gesund, aber nicht mehr für diese Tätigkeit arbeitsfähig.“ Heißt: Kann ein Arbeitnehmer langfristig seine Tätigkeit nicht mehr ausführen, kann er gekündigt werden, sagt der Arbeitsrechtler. Allerdings gehe man derzeit ja eher von einer vorübergehenden Problemlage aus.
In den Schulen beginnt der Präsenzunterricht wieder. Lehrer werden an die Schulen zurückbeordert – auch aus der Risikogruppe. Könnten Sie sich dem verweigern?
Könne der Arbeitgeber die öffentlichen Vorgaben zum Arbeitsschutz gewährleisten, bestehe eine Arbeitspflicht. „Wenn ich sage, dass mir der Lehrerberuf zu gefährlich ist, dann ist es genauso wie bei einem Polizisten. Ein Polizeibeamter könnte auch nicht sagen, dass er momentan nicht arbeiten möchte, weil die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen ein zu hohes Risiko für eine Verletzung seiner Person darstellen würden.“ Berufstypische Risiken seien kein Weigerungsgrund – bleiben Arbeitnehmer der Arbeit trotzdem fern, verlieren sie ihren Anspruch auf Bezahlung.
Eine wirksame Kündigung sei bei Lehrern eher unwahrscheinlich, solange in der Schule von einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgegangen werde. Bei Risikogruppen kommt es auch hier für die Arbeitspflicht darauf an, ob der Arbeitgeber seinen erhöhten Schutzpflichten nachkommen kann. Ist das nicht der Fall, müssen die Lehrer nicht in den Unterricht und werden trotzdem weiter bezahlt.
Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die ein Arbeitgeber im Büro für die Rückkehr an den Arbeitsplatz schaffen muss?
„Er muss die allgemein gültigen Bestimmungen, die als Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus dienen, einhalten und die Vorgaben aus dem SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“, sagt Bredereck. Der Arbeitgeber muss die aktuellen Standards einhalten, sonst kann er die Mitarbeiter nicht ins Büro zwingen.
Homeoffice habe grundsätzlich Vorrang. Der Abstand von 1,5 Metern zwischen den Mitarbeitern im Büro müsse eingehalten werden. Kann der Abstand nicht gewährleistet werden, wenn alle Mitglieder aus einem Team ins Büro zurückkommt, kann nicht das gesamte Team zurückkehren. „Der Arbeitgeber kann nicht willkürlich bestimmen, wer an den Arbeitsplatz zurückkehrt und wer nicht – er muss den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung einhalten“. Heißt: Arbeitgeber brauchen einen Grund für eine ungleiche Behandlung – ein Arbeitnehmer aus dem Team kann seine Aufgaben gut von zu Hause aus erledigen und der andere nicht.
Können alle Mitarbeiter aus einem Team ihre Aufgaben im Homeoffice erfüllen, kann es eine Lösung sein, dass der Arbeitgeber die Mitarbeiter in Gruppen aufteilt und sie abwechselnd im Homeoffice und im Betrieb arbeiten, sagt der Rechtsanwalt.
Kann ich im Büro dazu verpflichtet werden, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen?
„Wenn so etwas zum Beispiel durch den Arbeitsschutzstandard vorgeschrieben ist, muss der Arbeitgeber dies sogar verlangen und dann muss er auch die Masken zur Verfügung stellen.“ Ob ein Arbeitnehmer dazu verpflichtet werden könne, hänge auch von der Tätigkeit ab und ob es zumutbar ist, diese Tätigkeit mit einem Mund-Nasen-Schutz auszuführen.
Ich kann nur mit der Bahn meinen Arbeitsplatz erreichen. Kann ich sagen, dass mir das Risiko einer Ansteckung zu hoch ist und darauf bestehen, weiter im Homeoffice zu arbeiten?
Arbeitnehmer können sich nicht verweigern, weil sie mit der Bahn anreisen. Bestimmte Verkehrsmittel haben verschiedene Risiken – wer mit dem Auto zur Arbeit fährt, gehe damit beispielsweise ein höheres Risiko ein, in einen Unfall verwickelt zu werden. „Arbeitnehmer sind selbst dafür verantwortlich, wie sie von zu Hause zur Arbeitsstelle kommen und müssen die speziellen Risiken, die die verschiedenen Verkehrsmittel bergen, in der Regel in Kauf zu nehmen“, erklärt Bredereck.