Milde Temperaturen im Winter, Dauerregen im Sommer: Das Wetter scheint nicht mehr zur Jahreszeit zu passen. Ein Meteorologe erklärt das Phänomen.
Warme Winter, kühle SommerWerden die klassischen Jahreszeiten bei uns bald verschwinden?
„Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder – den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter“. Kommt Ihnen dieses Kinderlied bekannt vor? Es tauchen sofort typische Bilder im Kopf auf: von verschneiten Wintern, nassen Frühlingen, saftig bunten Herbsttagen und strahlenden, warmen Sommern. In der Realität scheint das Wetter sich zuletzt dagegen eher weniger an die Jahreszeiten zu halten. Im Winter gab es T-Shirt-Tage, jetzt im Hochsommer ist es nass-kühl und herbstlich. Wo sind die Jahreszeiten nur hin? Und werden sie bald vielleicht sogar ganz verschwinden?
Die Dauer der Jahreszeiten verändert sich langsam
„Die Jahreszeiten werden nicht aufweichen, es wird sie auch in Zukunft geben“, beruhigt Karsten Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD) gleich zu Beginn, „aber es gibt deutliche Verschiebungen, denn durch den Klimawandel steigt das Temperaturniveau.“ Im Augenblick gebe es im Jahresverlauf im Schnitt eine Temperaturerhöhung von 1,7 Grad Celsius. Die Werte werden seit 1881 vom DWD erhoben und dadurch werden regelmäßig Trends ermittelt. „Durch den allgemeinen Temperaturanstieg wird es häufiger extreme Wetterereignisse geben, vor allem mehr warme Tage in eigentlich kalten Monaten. Ein gutes Beispiel ist der Silvestertag im Jahr 2022, als es über 20 Grad hatte.“ Grundsätzlich seien solche Fälle aber weiterhin Ausnahmen.
Leicht verändert habe sich aber bereits die Dauer der einzelnen Jahreszeiten. „Es gibt insgesamt eine deutliche Verlängerung der Vegetationsperiode“, erklärt Friedrich. „Wir schauen uns regelmäßig den Jahresverlauf der Pflanzen an und sehen dort eine Verfrühung der sogenannten phänologischen Phasen.“ Wegen der milden Temperaturen im Winter und Frühling blühten Pflanzen zeitiger, die Forsythie etwa bis zu zehn Tage früher. Auch die Apfelblüte habe sich deutlich verfrüht. „Diese Verschiebung der Jahreszeiten bleibt nicht ohne Folgen für die Pflanzen im Obst- oder Weinbau. Treiben sie relativ früh aus, besteht die Gefahr, dass es doch noch einmal kalt wird und es zu Frostschäden kommt.“
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Im Sommer ist nasskaltes Wetter normal, aber lange extreme Hitze nicht
Die nassen und kühlen letzten Sommerwochen wiederum, die derzeit für Gesprächsstoff sorgen, seien nichts Außergewöhnliches und kein Zeichen für einen frühen Herbsteinbruch. „Es ist ein ganz normaler Sommer und liegt völlig in dem Bereich, was man in dieser Jahreszeit erwarten kann“, sagt der Wetterexperte. „Es gibt ein breites, vielfältiges Witterungsspektrum in Deutschland, das sich durch alle Jahreszeiten zieht.“ Dass viele diesen Sommerabschnitt gerade als so kalt empfänden, liege schlicht daran, dass sie das einfach schon lange nicht mehr erlebt hätten. „Das menschliche Witterungsgedächtnis ist sehr kurzlebig und man kann sich dann nicht mehr vorstellen, dass es so ein nasses Wetter im Sommer schon einmal gab.“
Da ist schon etwas dran. Blickt man im eigenen Leben etwas konzentrierter zurück, erinnert man sich vielleicht doch an den ein oder anderen kühlen Sommer. Schon Rudi Carrell hat in seinem Kulthit „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ im Jahr 1975 übrigens das gefühlt zu kühle Wetter beklagt.
Wobei auch die Frage aufkommt, welche Art Sommer man sich eigentlich wünscht. Denn auch dieser Sommer sei ja bisher nicht nur kalt und nass gewesen, sagt Friedrich. „Die Hitzeperiode Anfang Juli mit langanhaltenden hohen Temperaturen, das war eher außergewöhnlich.“ Solche extremen Hitzewellen habe es in den letzten Jahren öfter gegeben. „Das ist ein deutlicher Unterschied zu den Sommern früherer Zeiten, da war es viel wechselhafter und es gab keine so langen Hitzeperioden.“
Und die Folgen der extrem warmen Phasen seien nicht zu unterschätzen. „In diesen heißen Monaten gibt es die höchste Sterblichkeitsrate. Und es braucht dringend Konzepte, wie man in Zukunft mit dieser hohen Wärmebelastung umgeht.“ Dazu habe die Bundesregierung ja bereits einen Hitzeschutzplan entwickelt. „Nach so vielen trockenen Abschnitten sollten Mensch und Natur im Augenblick also eher froh sein, bei kühleren Temperaturen durchschnaufen zu können.“
Der Winter beginnt später und dauert kürzer
Wegen der trockenen Hitze konnte man in den letzten Jahren beobachten, dass sich Blätter bereits im Sommer braun verfärbten. Beginnt also auch der Herbst jetzt früher? „Nicht wirklich“, sagt Karsten Friedrich, „auf die Trockenheit des Spätsommers reagiert die Vegetation nicht so stark. Die Reife der Rosskastanie oder der Blattfall der Eiche sind meist nicht früher als in damaliger Zeit.“ Es gebe höchsten eine Verschiebung um wenige Tage.
Beobachten könne man jedoch einen späteren Wintereinbruch. „In den letzten Jahren sind die ersten Fröste erst Ende November oder im Dezember aufgetreten und der erste Schneefall hat sich eher Richtung Januar verschoben.“ Das werde sich eher so fortsetzen. „Da es auch im Frühling früher mild wird, könnte man schon sagen, dass der Winter insgesamt kürzer ist.“ Und auch die Wahrscheinlichkeit, sehr niedrige Temperaturen zu erleben, werde sinken. Nach wie vor könne bei bestimmten Wetterlagen, zum Beispiel durch ein Hochdruckgebiet über Skandinavien, jedoch weiterhin auch kalte Luft nach Deutschland kommen. „Dann gibt es auch im Winter nochmal zweistellige Minusgrade, und selbst im März oder April kann man noch mit tiefen Temperaturen rechnen.“
Eine Frage brennt vielen Kölner in dem Zusammenhang sicher noch auf den Nägeln: Werden wir denn in absehbarer Zeit noch einmal Schnee sehen in unserer schönen Stadt? „Grundsätzlich ist die Kombination aus Niederschlägen und tiefen Temperaturen schwierig, denn ein Hochdruckgebiet bringt meist kalte, trockene Luft“, sagt Karsten Friedrich. Und selbst in Regionen wie den Alpen sei es die letzten Jahre schneearm gewesen. „Deshalb werden sich nicht nur die Kölner freuen, wenn es dann doch mal wieder schneit.“