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StilkolumneWelche Umgangsformen sind „Old School“ – und welche noch zeitgemäß?

Lesezeit 4 Minuten
Küss die Hand Getty Images

Der Handkuss ist zurzeit auch aus hygienischen Gründen nicht angesagt.

  1. Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  2. Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  3. In dieser Folge erklärt Ingeborg Arians, warum in allen von uns ein bisschen „Old School“ steckt.

Köln – Meine jüngere Schwester fragte mich neulich, ob die Umgangsformen, die man als „Old School“ bezeichnet, heute noch gelten oder ob sie allesamt unzeitgemäß, hinfällig, schlicht „out“ sind. Der englische Begriff für „alte Schule“ deutet, ähnlich wie die Vokabeln „ladylike“ oder „gentlemanlike“, darauf hin, dass klassische Höflichkeitsregeln in Großbritannien, einem Land mit monarchischer Tradition, ganz anders verankert sind als bei uns. Der ewige Gentleman James Bond ist sicherlich ein gutes Beispiel dafür.

Auch bei der Beerdigung von Prinz Philip wurde deutlich, wie sehr von Generation zu Generation weitergegebene Traditionen noch die Gegenwart prägen. Manche finden solch ein höfisches Zeremoniell beeindruckend, herzerwärmend gar; andere halten es für hoffnungslos antiquiert und schrecklich verzopft. Man kann das so oder so sehen. Und das finde ich auch gar nicht schlimm.

Zur Person

Ingeborg Arians 2

Ingeborg Arians

Foto: Michael Bause

Alles zum Thema Henriette Reker

Ingeborg Arians, geboren 1954, hat Sprachen und Volkswirtschaftslehre studiert und ist Dipl.-Übersetzerin für Französisch, Spanisch und Englisch. Von 1986 bis 2019 war sie Leiterin der Abteilung Repräsentation und Protokoll im Amt der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln. In dieser Zeit arbeitete sie für insgesamt vier Oberbürgermeister und die amtierende OB Henriette Reker.

Regeln der Etikette sind Ergebnis eines gesellschaftlichen Konsenses und entspringen dem jeweiligen kulturellen Hintergrund. Was als „Old School“ bezeichnet wird, sind zunächst einmal schlicht Gesten der Höflichkeit. Dass sie ursprünglich nicht gegendert waren, lasse ich einmal beiseite. Der Herr hält der Dame die Tür auf – und nicht umgekehrt? So etwas wird man heute zurecht als unangemessen betrachten. Aber den Grundgedanken, dass wir aufeinander achten sollten, den halte ich überhaupt nicht für überholt. Im Gegenteil. Und gerne mit Gleichberechtigung der Geschlechter! Beim Anziehen des Mantels kann sich ein Mann ebenso gut helfen lassen wie eine Frau. Beim Offenhalten der Tür für eine mit schweren Taschen rechts und links bepackte Person gilt das Gleiche. Und auch das Bücken nach einem heruntergefallenen Gegenstand ist geschlechtsneutral.

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Das Kriterium ist: Wer braucht meine Hilfe? Und wem kann ich eine Freude machen? Der Mann, der zur gestressten jungen Mutter mit Baby auf dem Arm an der Supermarktkasse „bitte nach Ihnen“ sagt, kann sich eines Lächelns sicher sein. Ich handhabe das übrigens als Rentnerin mit mehr Zeit genauso.

Vom Handkuss zur Begrüßung brauchen wir hier nicht zu reden. Dieses liebenswürdige Relikt aus alter Zeit ist heute fraglos obsolet. Aber Feuer geben, den Stuhl am Tisch zurechtrücken, den Schirm halten – warum nicht? Ich würde immer dafür plädieren, solche Gesten anzunehmen: als Ausdruck von Respekt und Sympathie. Umgekehrt empfiehlt es sich, Hilfe immer so offen anzubieten, dass das Gegenüber sie auch ablehnen kann. „Darf ich Ihnen den Koffer in die Gepäckablage hieven?“ – „Danke, das ist nett, aber ich schaffe es allein!“ Das ist eine Kommunikation auf Augenhöhe und ein Umgang in wechselseitigem Respekt.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an:Stilkolumne@dumont.de

Einen Bereich gibt es, in dem die Befolgung bestimmter „Old School“-Regeln nach wie vor recht streng erwartet wird, nämlich dort, wo es die Funktion oder der Rang der Beteiligten verlangen. In einem Unternehmen oder einer Behörde lässt man dem Chef/der Chefin den Vortritt. Gäste werden selbstverständlich am Empfang abgeholt und anschließend hinausbegleitet. Und beim Betreten eines Raums oder des Aufzugs gehört es sich, die schon Anwesenden kurz zu begrüßen. „Das mache ich doch sowieso“, sagen Sie? Sehen Sie, ein bisschen „Old School“ steckt in jedem von uns.

Aufgezeichnet von Joachim Frank