Berlin – Nach gut zwei Jahren als US-Botschafter in Deutschland ist Richard Grenell zurückgetreten. Seine Amtsgeschäfte hat vorübergehend seine Stellvertreterin Robin Quinville übernommen, eine erfahrene Berufsdiplomatin, die seit 30 Jahren für das US-Außenministerium arbeitet. Wie es mit Grenell nun weitergeht, ist noch unklar. Es gibt Spekulationen, dass er in das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump wechseln und auf einen höheren Posten bei einer Wiederwahl Trumps im November spekulieren könnte.
Die Rücktrittspläne Grenells waren bereits bekannt. Am Dienstag meldete die US-Botschaft in Berlin Vollzug. „Botschafter Grenell ist am 1. Juni von seinem Amt und aus dem Dienst des Außenministeriums zurückgetreten“, erklärte Botschaftssprecher Joseph Giordono-Scholz. Am Vorabend hatte sich der Botschafter selbst bereits bei Trump im Weißen Haus abgemeldet. In der vergangenen Woche hatte der 53-Jährige auch seinen Posten als geschäftsführender Geheimdienstkoordinator der US-Regierung an John Ratcliffe übergeben, der dieses Amt nun dauerhaft inne hat.
Grenell gilt als extrem loyal zum weißen Haus
Als Beauftragter für die 17 US-Geheimdienste hatte Grenell für drei Monate Kabinettsrang. Trump überreichte ihm deswegen bei der Verabschiedung einen Kabinettsstuhl, wie Grenell auf Instagram schrieb. Er zitierte den Präsidenten auf der Internetplattform mit den Worten: „Sie sind das erste offen schwule Kabinettsmitglied und das ist eine große Sache.“ Grenell lebt mit seinem langjährigen Partner zusammen und hat auch als US-Botschafter in Deutschland gegen die Diskriminierung Homosexueller gekämpft.
Mit Grenell verliert Trump seinen wichtigsten Diplomaten in Europa. Der Mann aus Michigan im Mittleren Westen der USA gilt als extrem loyal zum Präsidenten und rühmt sich immer wieder eines guten Drahtes ins Weiße Haus. Über Twitter schickt er gerne Bilder mit dem Präsidenten in der Air Force One oder teilt mit, dass er gerade mit ihm telefoniert habe. Trump nannte seinen Statthalter in Europa zuletzt einen „Superstar“.
Sanktionen gegen deutsche Unternehmen wegen Gaspipeline
Als Botschafter in Berlin sah Grenell seine Aufgabe darin, die Politik Trumps in Deutschland und Europa offensiv zu vertreten - auf unkonventionelle, eher undiplomatische Weise. Schon kurz nach seiner Ernennung als Botschafter im Mai 2018 warnte er deutsche Unternehmen davor, mit dem Iran zusammenzuarbeiten.
Aus Verärgerung über die aus seiner Sicht unzureichenden deutschen Militärausgaben drohte er, US-Truppen aus Deutschland abzuziehen. Und wegen der deutsch-russischen Ostseepipeline Nord Stream 2 brachte Grenell sehr früh Sanktionen auch gegen deutsche Unternehmen ins Spiel.
Im politischen Berlin hat er sich mit seiner rabiaten Art kaum Freunde gemacht. Sein bester Kontakt in die Bundesregierung ist Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt kam seine Amtsführung dagegen nicht besonders gut an.
Trittin: Grenell habe transatlantisches Verältnis neu definiert
Aus der Opposition kamen sogar vereinzelt Forderungen, ihn zur „unerwünschten Person“ zu erklären und damit quasi auszuweisen. Jetzt atmet in Berlin so mancher auf. „Richard Grenell hat den transatlantischen Beziehungen schweren Schaden zugefügt“, sagte Linksfraktionschef Dietmar Bartsch der dpa. „Als verlängerter Arm des schlechtesten US-Präsidenten in der Geschichte der USA, Donald Trump, ist sein Abschied aus Berlin kein Verlust. Ich habe allerdings wenig Hoffnung, dass die Trump-Administration in der Lage ist, einen besseren Nachfolger nach Berlin zu schicken.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin erklärte, Trump habe mit Grenell das transatlantische Verhältnis neu definiert. „An die Stelle von Dialog und Partnerschaft trat die offene Erpressung. Wenn der Erpresser nun endgültig geht, so bleibt doch die Erpressung. Mindestens bis zum Herbst.“
Draht ins Weiße Haus fehlt jetzt
Am 3. November findet die Präsidentschaftswahl statt. Dass sich Grenell auf der Seite Trumps in den Wahlkampf einschalten wird, gilt als wahrscheinlich. Schon als Botschafter war er sehr präsent in den US-Medien. Und er gilt als ehrgeizig. Immer wieder war er für andere hochrangige Posten im Gespräch. So wurde er als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York und als Sicherheitsberater Trumps im Weißen Haus gehandelt.
Mit Grenells Nachfolgerin Quinville werden die Außenpolitiker in Bundesregierung und Bundestag wieder eine eingefleischte Diplomatin als Ansprechpartnerin haben. Das hat auch in den 15 Monaten vor Grenells Amtsantritt, als es ebenfalls nur einen geschäftsführenden Botschafter gab, auf der Arbeitsebene schon recht gut funktioniert. Andererseits fehlt nun der direkte Draht der Botschaft nach ganz oben ins Weiße Haus.
Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff sagte, Grenell habe wenigstens „ein authentisches Bild von den politischen Positionen der Trump-Administration“ gezeichnet. „Ich gehe davon aus, dass wir ihn bald als aktiven Wahlkämpfer für die Wiederwahl des Präsidenten wiedersehen werden.“ (dpa)