Karlsruhe – Die Linksfraktion hat die Rolle des Bundestags beim Start des umstrittenen europäisch-kanadischen Handelsabkommens Ceta vor dem Bundesverfassungsgericht kritisiert. Inzwischen sei Ceta seit drei Jahren in großen Teilen vorläufig in Anwendung, obwohl dazu kein Gesetz beschlossen wurde, sagte Fraktionschefin Amira Mohamed Ali in der Karlsruher Verhandlung am Dienstag.
Das reiche nicht aus für ein Abkommen, von dem erhebliche negative Auswirkungen zu erwarten seien.Auf Antrag von CDU/CSU und SPD hatte der Bundestag im September 2016 lediglich eine Stellungnahme zu Ceta beschlossen. Die Linken sprechen von einem Freibrief für die Bundesregierung und haben Organklage gegen den Bundestag eingereicht.
Organklage gegen den Bundestag
Dieser habe bei der europäischen Integration Mitwirkungspflichten, denen er nicht nachgekommen sei. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet. (Az. 2 BvE 4/16)Nach Überzeugung des CDU-Abgeordneten Heribert Hirte hat sich der Bundestag nichts vorzuwerfen. „Wir haben eine politische Stellungnahme abgegeben. Und diese politische Stellungnahme war aus unserer Sicht völlig in Ordnung“, sagte er vor Verhandlungsbeginn.
Ein Gesetz sei zum damaligen Zeitpunkt nicht erforderlich gewesen. Auch die Bundesregierung betonte, dass Bundestag und Bundesrat von Anfang an umfassend unterrichtet und beteiligt worden seien. „Die EU und Deutschland brauchen offene Märkte, um Beschäftigung und wirtschaftlichen Wohlstand zu sichern“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Elisabeth Winkelmeier-Becker.
Jeder vierte Arbeitsplatz hängt vom Export ab
In Deutschland hänge jeder vierte Arbeitsplatz vom Export ab, und dank Ceta seien die Exporte nach Kanada gestiegen.Möglicherweise werden diese inhaltlichen Fragen aber gar nicht mehr entscheidend sein. Denn die Richter des Zweiten Senats unter Vizegerichtspräsidentin Doris König haben Zweifel, ob die Klage der Linken überhaupt zulässig ist, wie schnell klar wurde.
Im Organstreitverfahren entscheidet Karlsruhe Konflikte zwischen obersten Bundesorganen über ihre Rechte und Pflichten aus dem Grundgesetz. Auch einzelne Bundestagsabgeordnete oder Fraktionen können klagen. Hier aber mache die Linksfraktion geltend, dass der Bundestag Rechte des Bundestags verletzt habe, wie der Richter Peter Müller das Problem auf den Punkt brachte.
Etliche Verfassungsbeschwerden gegen Ceta
König sagte, die Mehrheit sei nun einmal zu einer gegenteiligen Rechtsauffassung gekommen.Ein Erfolg ist damit zumindest fraglich. Allerdings sind in Karlsruhe noch etliche Verfassungsbeschwerden gegen Ceta anhängig, auch eine zweite Organklage der Linksfraktion gegen die Bundesregierung.
Ein Bündnis der Verbraucherorganisation Foodwatch und der Vereine Campact und Mehr Demokratie hatte allein mehr als 125 000 Mitkläger mobilisiert. 2016 stand sogar der Start des Abkommens auf der Kippe. Im Eilverfahren erlaubten die Richter damals die deutsche Beteiligung.
Stopp von Ceta immer noch möglich
Die Bundesregierung musste aber unter anderem sicherstellen, dass Deutschland im Zweifel aus dem Abkommen wieder herauskommt. Ein Stopp von Ceta ist also immer noch möglich.
Am Dienstag ging es ausschließlich um die Rolle des Bundestags. Dieser hat Mitwirkungsrechte, wenn zum Beispiel Kompetenzen von nationalen auf EU-Institutionen übertragen werden. Eine Stellungnahme des Bundestags muss die Bundesregierung ihren Verhandlungen auf europäischer Ebene zugrundelegen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Die Stellungnahme zu Ceta nannte der Prozessbevollmächtigte der Linken, Andreas Fischer-Lescano, „windelweich-vage“. Dabei gehe es um wichtige Fragen, sagte Mohamed Ali. Das Risiko sei groß, dass Umwelt- und Sozialstandards als Handelshemmnisse beseitigt würden.
Ceta ist seit dem 21. September 2017 vorläufig in Kraft, allerdings nur in den Bereichen in unstreitiger EU-Zuständigkeit. Damit das Abkommen vollständig in Kraft treten kann, muss es von den Parlamenten aller EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Das ist erst zum Teil passiert. In Deutschland kann Ceta erst ratifiziert werden, wenn das Bundesverfassungsgericht über die Klagen entschieden hat. (dpa)