Kölner MessehallenUrteil gegen den kölschen Klüngel

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Grundsteinlegung für die neuen Kölner Messehallen im September 2004. (Bild: Knieps)

Köln – Bericht vom 30.10.2009

Die erste Sitzung des neu gewählten Kölner Rates stand unter dem Eindruck einer Niederlage, politisch und juristisch, deren Ausmaß sich wohl erst nach und nach zeigen wird. Der Europäische Gerichtshof (EUGH) hat im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Messehallen einen Verstoß gegen das Vergaberecht festgestellt. Die Stadt hätte das Geschäft, bei dem der Oppenheim-Esch-Fonds zum Zuge kam, europaweit ausschreiben müssen, heißt es in dem am Donnerstag verkündeten Urteil (C-536 / 07). Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Die 4. Kammer des EuGH, geleitet von dem Belgier Koen Lenaerts, wertet den Vertrag zwischen der Stadt und dem Esch-Fonds als „öffentlichen Bauauftrag“. Vorrangiges Ziel dieser Vereinbarung sei der Bau der Messehallen gemäß genau festgelegter Vorgaben der Stadt Köln gewesen, urteilt der EuGH. Dagegen hatte die Stadt bis zuletzt behauptet, sie habe lediglich einen Mietvertrag unterschrieben. Von einem Bauauftrag könne nicht die Rede sein, da der Oppenheim-Esch-Fonds der Eigentümer der Hallen sei.

Das Geschäft mit den Messebauten ist in Köln nicht nur wegen des Verzichts auf eine Ausschreibung umstritten. Kritiker führen an, dass die Miete von mehr als 20 Millionen Euro überhöht sei. Sollte die Messe nicht mehr zahlen können, muss die Stadt einspringen. Das Risiko trägt bei der Vertragskonstruktion letztlich der Steuerzahler.

Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters sagte in seiner Rede vor dem Rat, „Lösungen, wie sie beim Bau der neuen Hallen der Kölnmesse gewählt wurden, wird es in meiner Amtszeit nicht geben“. Eine Großstadt zu führen sei „immer mehr und immer intensiver das professionelle Management von Verbindungen und Netzen“. Doch dürften diese wichtigen informellen Netzwerke „nicht missbraucht werden“. Wichtige Entscheidungen müssten „transparent und für jedermann nachvollziehbar fallen“, so Roters. Ebenso sei er der Überzeugung, „dass es nicht Aufgabe einer Kommunalverwaltung ist, Steuerschlupflöcher zu suchen, die zulasten Dritter gehen“.

SPD-Fraktionschef Martin Börschel richtete Vorwürfe an den früheren Oberbürgermeister Fritz Schramma und den damaligen Rechtsdezernenten Peter-Michael Soénius (beide CDU). Die Spitzenbeamten hätten vor der Ratsentscheidung über den Bau der Messehallen stets betont, die Vergabe an den Esch-Fonds sei rechtlich sorgfältig geprüft worden und nicht zu beanstanden. „Wir mussten also davon ausgehen, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht nicht gegeben war.“

Stadt akzeptiert Urteil

Das Presseamt teilte mit, die Stadt akzeptiere das Urteil. Sie werde „alles tun, um den Konflikt, der zu einem Zwangsgeld führen könnte, zu vermeiden“, sagte Wirtschaftsdezernent Norbert Walter-Borjans. Eine solche Zahlung, genannt werden Summen bis zu 300 Millionen Euro, kann erst dann fällig werden, wenn der Rechtsverstoß nicht zur Zufriedenheit der EU-Kommission behoben wird und diese erneut klagt. Die Linkspartei im Kölner Rat forderte zu prüfen, „ob die Verträge rückabgewickelt werden können“.

Noch weiß allerdings niemand, wie sich das Problem um die 2006 eröffneten Bauten lösen lässt. Die Stadt weist darauf hin, „dass die neuen Messehallen einen eminent wichtigen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit des Messestandorts Köln darstellen“. Laut Messe-Chef Gerald Böse läuft das Geschäft „in gewohnter Qualität weiter“. Veranstaltungen der Messe „werden in keiner Weise betroffen sein“. Das Unternehmen wird in den nächsten Jahren hohe Verluste schreiben. Daher gilt es im Rathaus als sicher, dass die Stadt spätestens ab 2012 die Mietzahlungen an den Investor übernehmen muss.

Der Oppenheim-Esch-Fonds ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Derartige Fonds nehmen nach Erreichen der festgelegten Anlagesumme keinen weiteren Anleger mehr auf. Das eingesammelte Geld wird zumeist in Wohnhäuser, Einkaufszentren, Bürohäuser und Kliniken investiert. Die Anteilseigner - überwiegend Kunden des Bankhauses Oppenheim - sind Gesellschafter des Fonds, also Mitunternehmer. Als solche sind sie unmittelbar am Gewinn und Verlust beteiligt. Im Fall der Messe trägt der Fonds den Namen „Grundstücksgesellschaft Köln Messe 8-11 GbR“.

Ebenso wie beim Bau des TV-Produktionszentrum Coloneum in Ossendorf hat der Esch-Fonds bei seinen Bauvorhaben auf dem Deutzer Messegelände mit der Sparkasse Köln-Bonn zusammengearbeitet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse, Gustav Adolf Schröder, und den Troisdorfer Immobilienunternehmer Josef Esch. Deren Anwälte weisen den Verdacht der Untreue strikt zurück. Ihre Untreue-Untersuchung gegen den früheren Kölner OB Fritz Schramma hat die Staatsanwaltschaft ergebnislos eingestellt.

Die handelnden Personen

Fritz Schramma war zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe nicht nur Oberbürgermeister, sondern auch Aufsichtsratsvorsitzender der Messe. Aufgrund seiner Doppelfunktion hätte der Christdemokrat, dessen Amtszeit vorige Woche endete, zumindest politisch eine Schlüsselstellung bei dem Geschäft haben müssen.

Peter-Michael Soénius war als Kämmerer und Rechtsdezernent der Stadt Köln für die juristische Bewertung zuständig. Er betonte stets, die Auftragsvergabe sei mehrfach rechtlich geprüft worden; es gebe keine Bedenken. Im Nachhinein war zu hören, dass es bei der zuständige Abteilung der Verwaltung keinen durch Akten belegten Prüfvorgang gegeben habe. Soénius hat die Verwaltung nach Ablauf seiner Wahlzeit vor einem halben Jahr verlassen.

Jochen Witt, während des Neubaus Chef der Kölner Messe, war bekennender Gegner des Finanzierungsmodells. Er befürchtete, dass die hohen Mieten von der Messe nicht erwirtschaftet werden könnten. Daher setzte er bei der Stadt durch, dass diese ab 2012 für eventuelle Fehlbeträge selbst aufkommen muss. Er überwarf sich mit OB Schramma und verließ 2007 die Messe.

Josef Esch, ehemaliger Maurerpolier und Großinvestor mit besten Verbindungen zum Bankhaus Sal. Oppenheim, steuert die milliardenschwere Oppenheim-Esch-Holding mit über 75 geschlossenen Immobilienfonds. Außer beim Messehallenbau war Esch etwa auch beim Großprojekt Kölnarena dabei.

Gustav Adolf Schröder, lange Jahre Chef der Sparkasse Köln und später Köln-Bonn, sorgte durch häufige Zusammenarbeit mit dem Oppenheim-Esch-Fonds für Irritationen. Gegen ihn wird - wie gegen Esch - in Zusammenhang mit dem Bau der Messehallen wegen Bestechung und Bestechlichkeit ermittelt. Schröder wollte die Finanzierung der Hallen selbst übernehmen. Ermittelt wird, ob dubiose Zahlungen dazu beitrugen, dass die Sparkasse sich später aus dem Geschäft zurückzog. (adm, bil, wif)

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