Köln – Die Fahrpreise im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) könnten im kommenden Jahr um durchschnittlich 5,44 Prozent steigen, wenn es dem Bund und den Ländern nicht gelingt, zum 1. Januar 2023 einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket einzuführen.
Der Tarifbeirat des VRS hat sich mit den Verkehrsunternehmen und den Kommunalpolitikern darauf verständigt, die Preise in zwei Schritten anzuheben. Sie sollen zum 1. Januar um 3,5 Prozent und zum 1. Juli noch einmal um 3,87 Prozent steigen.
„Wir sind uns alle einig, dass wir diese Preisanpassung nicht wollen“
„Wir sind uns alle einig, dass wir diese Preisanpassung nicht wollen“, sagte Sebastian Schuster (CDU), Vorsitzender des Tarifbeirats und Landrat des Rhein-Sieg-Kreises. „Das 9-Euro-Ticket war ein Imagegewinn für den öffentlichen Nahverkehr.“ Umso enttäuschender sei es, dass es ohne Nachfolgelösung ausgelaufen ist.
„Deshalb müssen wir unsere Hausaufgaben machen und Preisanpassungen für 2023 planen, weil sie bis Ende September umgesetzt werden müssen. Wir gehen aber davon aus, dass die Politik in Bund und Land uns nicht im Regen stehen lässt“, so Schuster weiter. Die Verkehrsunternehmen stünden wegen der explodierenden Energiepreise und steigenden Löhnen unter einen enormen finanziellen Druck.
Im NRW-Nahverkehr fehlen 2023 bis zu 600 Millionen Euro
Was das konkret heißt, machte Volker Otto von der Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft als Vorsitzender des VRS-Unternehmensbeirat deutlich. Um alle Kosten zu decken, müsste die Preiserhöhung 2023 mindestens bei 15 Prozent liegen. Bei den Fahrgeldeinnahmen liege man immer noch 20 bis 30 Prozent hinter dem Jahr 2019 zurück, die Kosten für die Unternehmen hätten sich in der gleichen Größenordnung erhöht.
Nach Angaben des VRS-Geschäftsführers Michael Vogel fehlen im NRW-Nahverkehr für das kommende Jahr zwischen 500 und 600 Millionen Euro.
Die Verkehrsminister des Bundes und der Länder werden am 19. September darüber beraten, wie der Nachfolger des 9-Euro-Tickets finanziert werden soll. Der Bund ist bereit, es mit 1,5 Milliarden Euro im Jahr zu bezuschussen und fordert von den Ländern, den gleichen Betrag zur Verfügung zu stellen. Die lehnen das bisher ab, weil es nicht zu stemmen sei.
Klares Votum im VRS für eine bundesweite Lösung
„Wir gehen davon aus, dass wir ab Januar ein 49-Euro-Ticket mit bundesweiter Gültigkeit bekommen werden“, sagte Dierk Timm, Chef der SPD-Fraktion in der VRS-Verbandsversammlung. Das 9-Euro-Ticket habe den öffentlichen Nahverkehr „mit einem einfachen und kostengünstigen Produkt revolutioniert. Es gibt keine Übergangstarife, keinen großen und kleinen Kragen mehr. Mit einem Nachfolger werden wir das Tarifsystem entrümpeln. Das wird dem ÖPNV einen Schub geben.“
Auch die CDU-Fraktion fordert, dass der „chronisch unterfinanzierte Nahverkehr mehr Geld von Bund und Land bekommen muss“, sagte ihr Vorsitzender Gerd Fabian. Städte und Landkreise könnten diese Defizite nicht ausgleichen, die ÖPNV-Nutzer nicht noch mehr belastet werden.
Dritte Finanzsäule für den Nahverkehr
Grünen-Vertreter Ingo Steiner ging sogar noch einen Schritt weiter. „Wir sollten gar nicht mehr über Tariferhöhungen sprechen“, sagte er. Ein Nachfolger des 9-Euro-Tickets sei die von den Kommunen seit Jahren geforderte dritte Finanzsäule für den öffentlichen Nahverkehr. „Egal ob es am Ende 69, 49 oder nur 29 Euro kostet. Wir müssen beim Bund und Land Druck machen. Wenn das Ticket kommt, ist das gesamte Tarifsystem des VRS hinfällig.“
VRS-Geschäftsführer Michael Vogel, der das 9-Euro-Ticket wegen des Dumpingpreises vor einem Monat noch als „Kernschmelze für das Tarifsystem“ bezeichnet hatte, sieht eine Nachfolgelösung jetzt durchaus als Chance.
„Wenn jetzt nicht schnell gehandelt wird, werden wir im kommenden Jahr das Einschränken und Einstellen von Linien erleben“, sagte er. Der VRS fordere schon seit Jahren zusätzliche Mittel von Bund und Land zur Stabilisierung der Tarife. Das 9-Euro-Ticket sei der Beweis, „dass es möglich ist, diese auch ins System zu geben.“
Aus einem sozialpolitisch motivierten müsse jetzt ein verkehrspolitisch tragfähiges Produkt werden, „das dauerhaft auskömmlich und mit zusätzlichen Mitteln finanziert ist. Nur so können wir unsere Fahrgäste entlasten.“