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GefährderAhmet Y. aus Altenbeken – Jung, fanatisch, abgeschoben

Lesezeit 5 Minuten
Gefährder Ahmet Y.

Ahmet Y. (2. v.l.)  vor einiger Zeit mit  anderen Salafisten in der Bielefelder Fußgängerzone  beim Verteilen von Koranausgaben.

Altenbeken – Aus dem Jugendzimmer dröhnt laute Musik. Ahmet Y. hört religiöse Kampfgesänge, wenn er vor seinem Computer sitzt. Der „Sound des Salafismus“ verstört die Eltern, es kommt zum Streit. Ahmet beschimpft seinen Vater als Ungläubigen, seiner Mutter schlägt er ins Gesicht. Was ist mit ihrem Jungen geschehen? Verängstigt und verzweifelt bitten die aus der Türkei stammenden, westlich orientierten Eltern schließlich den Staatsschutz im Bielefelder Polizeipräsidium um Hilfe.

Altenbeken ist eine kleine Gemeinde mit rund 9000 Einwohnern im Kreis Paderborn. Dort wächst Ahmet Y. auf. Ein ganz normales Kind; nach der Grundschule wechselt er zum Gymnasium in Bad Driburg, bis 2013 steht er als Stürmer für den SC Paderborn auf dem Fußballplatz. Dort ahnt niemand, dass Ahmet Jahre später in die Schlagzeilen geraten wird. Nicht als Sportler, sondern als Islamist. Der heute 21-Jährige ist der erste Salafist, der „auf Verdacht“ aus NRW abgeschoben wird. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) hatte die Maßnahme persönlich angeordnet, weil der Verdacht besteht, dass Ahmet Y. ein potenzieller Terrorist sein könnte.

Verwandlung binnen weniger Jahre

Die Geschichte von Ahmet Y. wirkt verstörend. Sie zeigt exemplarisch, wie in kurzer Zeit „normale“ junge Menschen der islamistischen Propaganda verfallen können. Die Verwandlung beginnt nach dem Abitur im Jahr 2014. In Paderborn besucht Ahmet Y. die arabische Moschee, bekommt Kontakt zu den Islamisten, die kostenlos den Koran verteilen. Die „Lies!“-Aktion wird im November 2016 vom Bundesinnenminister verboten. Die Organisatoren würden Mord und Terror glorifizieren, hieß es zur Begründung.

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Doch Ahmet Y. ist längst infiziert. Er hat sich einen Bart wachsen lassen und nach islamischem Recht geheiratet. An der Hochzeitsfeier sollen nur vier Gäste teilgenommen haben, darunter ein Islamist, der junge Männer zum Kampf für den Islamischen Staat (IS) anwirbt. Danach besucht er den Hassprediger Abu Walaa in Hildesheim. Ein V-Mann des Verfassungsschutzes vermerkt Ende Juni 2016 ein Treffen mit dem Mann aus Paderborn. „Wir beide gingen nach draußen und setzten uns in mein Auto, wo wir uns unterhalten haben. Da war es so etwa 3.00 Uhr. Ahmed bestätigte mir, dass Abu Walaa ausdrücklich jedem sagt, dass er ausreisen und sich dem IS anschließen soll, wenn er dazu in der Lage ist“, heißt es in dem Bericht, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

Beängstigender Vorfall auf der Krankenstation

Ende 2016 wird Ahmet Vater eines Sohns. Auf der Entbindungsstation kommt es nach Informationen des „Westfalen-Blatts“ zu einem beängstigenden Vorfall. Der Islamist bemerkt eine türkische Jesidin, die Mutter geworden ist. Ihre Glaubensgemeinschaft wurde im Nordirak von den Terrormilizen des IS gnadenlos verfolgt. Ahmet Y. versetzt die junge Frau in Todesangst: Dreimal deutet er das Durchschneiden der Kehle an. Es kommt zu einem Verfahren wegen Bedrohung, aber die Ermittlungen werden eingestellt, weil die Frau Angst hat, gegen den Islamisten auszusagen.

Wenige Monate später macht sich Ahmet Y. ohne seine Familie auf den Weg Richtung Syrien. Bemühungen der Bielefelder Polizei, auf ihn einzuwirken, waren zuvor gescheitert. Doch am Flughafen von Kairo wird ihm von den ägyptischen Behörden die Einreise verweigert. Sie schicken ihn zurück nach Frankfurt. Als Ahmet Y. dort durchsucht wird, entdeckt die Bundespolizei 6000 Euro und ein Kleidungsstück mit dem IS-Logo in seinem Koffer. Auf seinem Handy sind Videos gespeichert, die Propagandavideos von Selbstmordattentätern und Hinrichtungsszenen zeigen. Ahmet Y. gibt an, man müsse verstehen, „wenn Muslime mal was in Amerika und Deutschland machen“ würden. „Glaubt ihr, dass ihr uns aufhalten könnt?“, fragt er die Polizisten.

Keine Informationen über konkrete Anschlagspläne

Im September 2017 wird Y. in Dortmund vor Gericht gestellt. Ihm wird vorgeworfen, dass er sich dem IS anschließen wollte. Doch das Verfahren wurde wegen der Abschiebung jetzt eingestellt, die nach Informationen unserer Zeitung bereits am 22. Dezember vergangenen Jahres stattgefunden hat.

Ob Ahmet Y. bereits konkrete Anschlagpläne hatte, ist derzeit öffentlich nicht bekannt. Der NRW-Landesregierung müssen aber sichere Hinweise für die Gefährlichkeit vorgelegen haben. Der Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes, der hier zum Zuge kam, erlaubt in begründeten Fällen eine Abschiebung „zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr“.

Weitere Abschiebung eines Islamisten steht bevor

Auch der Berliner Weihnachtsmarktattentäter Anis Amri hätte möglicherweise nach Paragraf 58a aus Deutschland abgeschoben werden können. Im NRW-Untersuchungsausschuss zum „Fall Amri“ hatte Joachim Stamp – damals noch in der Rolle des Oppositionspolitikers, heftige Kritik am früheren NRW-Innenminister Ralf Jäger geübt. Dessen Abteilungsleiter Burkhard Schnieder hatte, trotz der eindringlichen Warnung des Düsseldorfer Landeskriminalamts, ein Terror-Anschlag durch Amri sei „zu erwarten“, auf eine Anwendung des Paragrafen 58a verzichtet. Schnieder ist übrigens weiterhin als Abteilungsleiter für Ausländerangelegenheiten tätig – jetzt ist sein Chef der neue Integrationsminister Joachim Stamp.

Nach Angaben seines Ministeriums wurden 2017 insgesamt bereits acht Gefährder aus NRW abgeschoben, ohne dass der Paragraf 58a zur Anwendung kam. Nach Informationen unserer Zeitung steht in Kürze eine weitere Abschiebung eines Islamisten bevor, bei dem der Verdacht besteht, dass er in Anschlagpläne verwickelt ist.

Ahmet Y. ist in Paderborn geboren. Der junge Islamist befand sich zuletzt in Untersuchungshaft. Er konnte jetzt nur deshalb in die Türkei abschoben werden, weil er es versäumt hatte, einen deutschen Pass zu beantragen.