- Noch gibt es keine Zahlen. Doch Bahn-Mitarbeiter berichten von immer aggressiveren Angriffen gegen sie.
- Die Faustschläge eines Bahngastes, der am Samstag auf dem Weg nach Köln war, ist kein Einzelfall.
- Wo und warum kommt es zu Gewaltausbrüchen – und was hat die Pandemie damit zu tun?
Köln/Düsseldorf – Mit mehreren Faustschlägen, die einen Zugbegleiter unvermittelt im Gesicht trafen, hat sich ein Reisender in einem ICE auf der Fahrt von Düsseldorf nach Köln am frühen Samstagmorgen gegen eine Fahrkartenkontrolle gewehrt.
Der Bahn-Mitarbeiter (56) konnte den 18-Jährigen mit Hilfe zweier Kollegen überwältigen. Eine Streife der Bundespolizei nahm ihn am Bahnhof Köln-Messe/Deutz fest. Bei der Überprüfung der Personalien stellten die Beamten fest, dass er mit einem Haftbefehl von der Staatsanwaltschaft Hagen gesucht wird und insgesamt drei Strafanzeigen gegen ihn vorliegen. Ihm wird vorgeworfen, sich fälschlicherweise als Polizeibeamter ausgegeben und auf diese Weise von seinen Opfern Bankkarten erschlichen zu haben.
Die meisten Angriffe finden in Bahnhöfen statt
Erst Anfang Oktober musste ein 45 Jahre alter Zugbegleiter im Bahnhof von Wolfsburg reanimiert werden, weil er von einem Reisenden angegriffen worden war. Nach mehreren Faustschlägen auf den Brustkorb hatte er einen Herzinfarkt erlitten.
Bei Fahrkarten- oder Masken-Kontrollen, bei der Durchsetzung des Hausrechts oder bei Großveranstaltungen komme es immer wieder zu verbalen und tätlichen Übergriffen gegen DB-Mitarbeiter, bestätigt eine Bahnsprecherin in Düsseldorf. Zwar sei die Zahl der Angriffe im Jahr 2019 mit 2550 bundesweit zum ersten Mal leicht rückläufig, „doch stellen wir fest, dass der Umgangston rauer geworden ist. Etwa die Hälfte der Angriffe trifft Sicherheitskräfte. Attacken kommen oft unvermittelt“, sagt die Sprecherin.
Sie seien häufig gezwungen, Konflikte unter Kontrolle zu bringen und Angreifer bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten. Mit einem Anteil von sieben Prozent seien schwere Verletzungen zum Glück die Ausnahme. Die meisten Angriffe finden in den Bahnhöfen statt.
Auswirkungen der Pandemie noch nicht abzusehen
„Schon das Hinweisen auf das Rauchverbot oder das Freihalten von Eingängen und Fluchttüren“ ziehe mitunter Attacken nach sich. Überhaupt eskalierten Situationen immer dann, „wenn es um die Einhaltung von Regeln geht“, so die Sprecherin. „Auch der Hinweis auf Selbstverständlichkeiten führt oft zu aggressiven Reaktionen. Dabei spielten soziale Herkunft, Alter oder Geschlecht kaum eine Rolle. „Das ist ein Querschnitt der Gesellschaft.“ Ob die Corona-Pandemie die Statistik 2020 wieder in die Höhe treiben wird, ist ungewiss. „Die Zahlen werden nur einmal am Jahresende erhoben.“
Der Bahnkonzern hat im Sommer die Zahl ihrer Sicherheitskräfte in den Fernzügen nach eigenen Angaben verdoppelt. Hinzu kommen Schwerpunkt-Kontrollen zur Überwachung der Maskenpflicht. Auf den Bahnhöfen betreibt die Bahn rund 7000 Videokameras. 33 000 Kameras haben die Innenräume vom mehr als der Hälfte der Nahverkehrszüge und S-Bahnen im Blick. An großen Bahnhöfen wie Köln, Düsseldorf und Essen gehören Bodycams zur Ausrüstung der Sicherheitskräfte.
In Gelsenkirchen hatte ein Pärchen ohne Mund-Nasen-Schutz am Freitag in einem Bus in Gelsenkirchen nach einer Ermahnung die Busfahrerin angegriffen und verletzt. Zudem rauchten die beiden, berichtet die Polizei. Der Mann und die Frau hätten auf die Ansprache sofort aggressiv reagiert und die Fahrerin geschlagen. Dann seien sie geflüchtet. Polizisten konnten die beiden wenig später aufgreifen. Ein Richter erließ Haftbefehl wegen Körperverletzung.