Nächste Woche wollen Sie im Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Das ist bei Heide Simonis in Kiel schon mal schief gegangen. Haben Sie Angst vor einem „Heide-Mörder“?
Armin Laschet: Wir haben eine völlig andere Ausgangslage. Alle Kolleginnen und Kollegen wollen, dass es jetzt losgeht und sich etwas verbessert im Land.
Aber die Minister wollen Sie erst nach der Wahl bekannt geben. Spricht daraus nicht die Angst, dass jemand Ihnen aus Enttäuschung die Unterstützung verweigern könnte?
Nein. Die Bundeskanzlerin hat über 180 Stimmen Vorsprung in der Großen Koalition und hat es genauso gemacht. Jeder NRW-Ministerpräsident oder Ministerpräsidentin hat das Kabinett nach seiner Wahl vorgestellt. Stil ist keine Frage der Größe einer Mehrheit.
Dürfen wir mit Überraschungen bei der Ressortbesetzung rechnen?
Ich will für jedes Ressort die besten Köpfe gewinnen. Das können auch solche sein, die Sie bisher nicht kennen.
Gibt es ein Heimatministerium?
Warten Sie es ab…
Wollen Sie dem Umweltministerium Kompetenzen wegnehmen?
Es ist offenkundig, dass Ökologie und Ökonomie wieder in das richtige Verhältnis gebracht werden müssen. Mein Ziel ist es, dass wir einen starken Wirtschaftsminister haben, der substanziell agieren kann, um Vorfahrt für Arbeitsplätze zu geben und Nordrhein-Westfalen nach vorne zu bringen.
Was ist der neue Geist der Koalition im Vergleich zur Rüttgers-Regierung von 2005-2010?
Beide Parteien sind andere als vor 12 Jahren. Der FDP sind jetzt auch Sozial- und Bildungsthemen wichtig. Die Koalitionen mit SPD und Grünen in Rheinland-Pfalz oder mit Grünen und CDU in Kiel zeigen, dass sie sich thematisch breiter aufgestellt hat. Und auch wir haben in den Regierungsjahren unser Land noch einmal besser kennengelernt.
Kann die AfD ein Mehrheitsbeschaffer sein, wenn es für Schwarz-Gelb mal nicht reicht, weil ein Abgeordneter fehlt?
Nein. Unsere Mehrheit wird fünf Jahre lang halten. Der Ansporn der Abgeordneten, immer präsent zu sein, wird ja gerade deswegen groß sein, weil jeder weiß, dass wir nur eine Ein-Stimmen-Mehrheit haben.
Es gibt eine hohe Erwartungshaltung an die neue Regierung. Mit welchen Themen wollen Sie schnelle Erfolge erzielen?
Ganz schnell packen wird das Thema Inklusion an. Wir müssen noch vor der Sommerpause die Voraussetzungen dafür schaffen, möglichst viele Förderschulen zu retten. Wir wollen zeitnah die Vorbereitungen für die Einführung von G9 angehen. Das Entfesselungsgesetz zur Befreiung unserer Unternehmen von unnötiger Bürokratie wie der Hygieneampel werden wir schnell auf den Weg bringen. Bei der Inneren Sicherheit muss sich das Klima ändern. Dass da ein Personalwechsel viel bewegen kann, zeigt ja das Beispiel des Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Mathies, der in der Behörde viel bewirken konnte.
Die Terroranschläge in Brüssel und London lösen Besorgnis aus. Ist die NRW-Polizei gut aufgestellt?
Wir haben mit der FDP ein umfassendes Paket zum Schutz vor Terror vereinbart. Das reicht von der Prävention bis hin zu neuen Fahndungsinstrumenten. Unser Ziel ist es zudem, mehr Polizei auf die Straße zu bringen. Dafür wollen wir die Polizeiassistenten, die die Polizei von Bürokratie entlassen sollen, jetzt so schnell wie möglich einstellen. Die Gefahr, die von rückkehrenden IS-Kämpfern ausgeht, wird sich in Nordrhein-Westfalen weiter verschärfen. Mit Peter R. Neumann haben wir einen der weltweit renommiertesten Experten in unserer Regierungskommission für mehr Sicherheit in NRW
Die Demo der Muslime gegen den muslimischen Terror war nur schwach besucht. Ärgert sie das?
Ich hätte mir gewünscht, dass mehr Menschen gekommen wären.
Laschet stellt sich zur Wahl
Die Wahl des Ministerpräsidenten wird der Landtag am kommenden Dienstag, 27. Juni, vornehmen. Armin Laschet (CDU) muss sich auf die Ein-Stimmen-Mehrheit von CDU und FDP verlassen. Im Landtag stellt die CDU 72, die FDP 28 Abgeordnete, macht insgesamt 100. Die Opposition kommt auf 99, davon entfallen 69 auf die SPD, 14 auf die Grünen und 16 auf die AfD.
Die Minister des neuen Kabinetts sollen dann am Freitag. 30. Juni, vereidigt werden.
Zum Umgang mit der Ditib und NRWs Stauproblem
Die FDP fordert einen „knallharten Umgang“ mit dem Islamverband Ditib. Kündigen Sie die Kooperation mit Ditib auf?
Die Voraussetzungen dafür, dass Ditib eine staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft werden kann, sind nicht erfüllt. Unser Ziel ist es, dass die Gemeinden auf Dauer zu einer deutschen Institution werden, die organisatorisch von einem fremden Staat unabhängig sind. Ditib muss sich auf die seelsorgerische Betreuung konzentrieren - und nicht etwa auf innertürkische, politische Diskussionen über das Verhältnis von Herrn Erdogan zur Gülen-Bewegung. Das muss Ditib sauber trennen. Wenn das gelingt, kann man Partner sein – sonst nicht.
Die SPD wirft Ihnen vor, die Kosten für die Pläne der Koalition noch nicht beziffert zu haben...
Jeder Vorschlag ist mit den Haushaltsexperten eng abgestimmt und realistisch durchgerechnet. Es standen noch nie Haushaltspläne in Koalitionsverträgen.
Zu den teuren Projekten gehört die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren. Kommt G9 tatsächlich erst im Schuljahr 2019/20 aufwachsend mit der fünften Klasse?
Wir wollen eine solide Umstellung herbeiführen und haben uns verbindlich auf den Start für 2019/20 festgelegt. Aber der neue Schulminister wird sicherlich fachlich prüfen, ob und wie es Lösungen für Kinder geben kann, die jetzt schon in der vierten oder fünften Klasse sind. Das werden wir fachlich bewerten. Wenn man zu einer flexibleren Lösung kommt, darf das nicht zu Chaos führen.
Sie haben den Autofahrern bessere Zeiten versprochen. Werden die Pendler nicht enttäuscht, wenn sie weiterhin im Stau stehen müssen?
Die Menschen wissen, dass die Staus nicht von jetzt auf gleich verschwinden. Aber sie wollen sehen, dass das Thema Priorität hat. Wir werden an vielen Baustellen dafür sorgen, dass sechs Tage in der Woche gearbeitet und im Sommer das Tageslicht voll genutzt wird. Auch die Partnerschaft mit privaten Investoren, die Rot-Grün aus ideologischen Gründen ausgebremst hat, wird zur Beschleunigung von Bauprojekten beitragen. Das mag im Einzelfall dann teurerer sein, aber das rechnet sich, wenn man den volkswirtschaftlichen Schaden, den kilometerlange Staus Tag für Tag verursachen, mit ins Kalkül zieht.
Befürchten Sie Diesel-Fahrverbote in NRW?
Ich halte die kritische Diskussion über den Diesel für falsch. Wir wollen die Umwelt sauber machen, müssen dabei aber technologieoffen bleiben. Die Politik hat den Bürgern doch bis vor wenigen Jahren noch zum Kauf von Dieseln geraten, weil der CO2-Wert besser ist als beim Benziner. Wir müssen in den Städten auf Elektromobilität umstellen, der öffentliche Personennahverkehr muss dabei Vorbild sein. Ich halte die Rechtsposition der Dieselkritiker nicht für überzeugend. Das Bundesverwaltungsgericht kann doch auf Grund einzelner Klagen jetzt nicht sämtliche Städte lahmlegen.
Sie wollen erreichen, dass NRW in Berlin eine wichtigere Rolle spielt…
Ja, das muss unser Ziel sein. Aber wir müssen unseren Gestaltungsanspruch auch auf europäischer Ebene deutlicher machen. Ich will die Zusammenarbeit mit den Benelux-Ländern wieder ausbauen. Unser Seehafen ist Antwerpen und nicht Hamburg. Die Frage, wie es mit dem AKW im belgischen Tihange weiter geht, berührt uns in NRW unmittelbar. Viele Fragen kann man heute nur grenzüberschreitend lösen. Für die Menschen gibt es längst den gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsraum.
Aber wie?
Wir müssen die Gesetzgebung in Brüssel schon bei der Entstehung beobachten und mit Frankreich enger zusammenarbeiten als bisher. Auch Russland, die USA, China und Indien sind für als Partner von großer Bedeutung. Wir werden einen Brexit-Beauftragen berufen, der analysiert, was der britische EU-Austritt für die Bürger, Wissenschaftler und Unternehmen in unserem Land bedeutet.
Was halten Sie davon, dass der Staatsakt für Helmut Kohl in Straßburg stattfindet?
Eine großartige Idee. Helmut Kohl war ein europäischer Staatsmann. Dass 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein deutscher Bundeskanzler durch einen europäischen Staatsakt auf französischen Boden bekommt, ist grandios. Es muss nicht alles in Berlin stattfinden.