Lützerath – An Solidaritätsbekundungen hat es Eckhardt Heukamp beim Kampf um seinen Hof nie gemangelt. Unbeugsamer Bauer, letzter Ureinwohner von Lützerath, Eckhardt der Letzte. Ehrentitel, die ihm guttun, seine Seele streicheln. Im Streit mit RWE sind sie aber nicht von Belang. Emotionen, das hat der 56-Jährige in den vielen Jahren seiner Auseinandersetzungen mit dem Energieriesen lernen müssen, schaden mehr als sie nutzen. Weil sie den Kopf vernebeln.
Für Heukamp tickt die Uhr. Lützerath soll dem Tagebau Garzweiler weichen. Alle anderen Dorfbewohner sind längst fortgezogen. Nur Heukamp ist geblieben. Er ist der einzige, der sich standhaft weigert, seinen Hof an RWE zu verkaufen. Jetzt droht ihm die Enteignung. Die Bezirksregierung Arnsberg will dem Spuk ein Ende machen und hat ihm einen Grundabtretungsbeschluss zukommen lassen.
Seit vier Generationen in Familienbesitz
Der Wachtmeisterhof ist seit vier Generationen in Familienbesitz. Zwischen 1265 und 1802 war das Baudenkmal ein Klosterhof von Zisterzienserinnen. Das heutige Wohngebäude stammt von 1763. Für Heukamp, der sein ganzes Leben im Rheinischen Revier verbracht hat, ist er vor allem eins - Heimat. Er hat den Hof von seinem Vater übernommen, der ebenfalls Landwirt war.
Freitag, 16. April, der neunte Jahrestag der Waldbesetzung im Hambacher Forst. Für Kohlegegner und Aktivisten ein besonderes Datum. Eckhardt Heukamp hat auf den Wachtmeisterhof eingeladen. Das Verwaltungsgericht Aachen hat gerade entschieden, dass das Protestcamp auf einer Wiese am Hambacher Forst geräumt werden muss und damit einer Verfügung des Kreises Düren vom November 2018 stattgegeben. Die Stimmung auf dem Hof trübt das nicht.
Im Freien, zwischen Traktoren und einem Mähdrescher gibt es Kaffee, ein Protestlied und Bananen, auf deren Schalen eine Aktivistin mit einem Filzstift „Alle Dörfer bleiben“ schreibt. Für einen Moment lässt sich die Sonne blicken.
Die Uhr tickt. Heukamps Anwalt hat beim Verwaltungsgericht Aachen Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen eingereicht. Der Grundabtretungsbeschluss sei rechtswidrig, sagt Michael Terwiesche, dessen Kanzlei sich auf das Bergrecht spezialisiert hat. „Wir haben gute Chancen.“ Der Betriebsplan für den Kohleabbau aus dem Jahr 1997, auf den sich die Bezirksregierung mit ihrer Enteignungsforderung berufe, sei durch den von der Bundesregierung beschlossenen Kohleausstieg spätestens bis 2038 überholt. Der Abbaubereich für Garzweiler II müsse wegen der neuen Leitentscheidung der Landesregierung deutlich verkleinert werden. „Das Grundstück Heukamp ist nicht länger unverzichtbar für das Fortführen von Garzweiler", so Terwiesche.
Beschlagnahmung der Grundstücke droht
Man könne, ergänzt der Bergbau-Sachverständige Peter Immekus, der die Klage mit einem Gutachten untermauert hat, die bis Ende 2038 benötigten 600 Millionen Tonnen Kohle in Garzweiler II „ohne Inanspruchnahme irgendeines Hofes oder Ortes aus der Erde holen“. Das wäre nicht nur die Rettung für den Wachtmeisterhof, sondern auch für die Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich.
Applaus brandet auf. Landwirt Heukamp bleibt zurückhaltend. Zumal seinem Hof noch eine weitere Gefahr droht. „Wir rechnen damit, dass die Bezirksregierung Arnsberg in ein paar Wochen einen Beschluss erlässt, dass RWE die Flächen beschlagnahmen und nutzen darf, obwohl über die Enteignung noch gar entschieden ist, damit man spätestens im November mit der Förderung beginnen kann“, sagt Anwalt Terwiesche. Die rechtliche Hürde dafür sei aber besonders hoch. „Dazu müsste RWE darlegen, dass ohne den Abbau unter Lützerath die Stromversorgung in Deutschland gefährdet ist.“ Ein solches Vorgehen werde man umgehend in einem Eilverfahren beim Verwaltungsgericht Aachen anfechten.
Die Hoffnung, am Ende werde Heukamp doch noch aufgeben, wird sich wohl nicht erfüllen. „Wenn man ständig niedergetrampelt wird und sich der Druck erhöht, wird man irgendwann auch ein bisschen stur“, sagt er. Weichklopfen lassen werde er sich keinesfalls. Der Konflikt mit dem Tagebau begleite ihn schon sein ganzes Leben.
Ein ganzes Leben im Rheinischen Revier
Mit drei Jahren zog seine Familie von Keyenberg nach Lützerath, zwischendurch hat er mit seiner damaligen Partnerin 15 Jahre in Borschemich gewohnt und musste 2015 gehen, weil das Dorf den Baggern weichen musste. Auch dort habe er als einer der Letzten unterschrieben.
In Lützerath werde das nicht passieren. Von seinem Hof werde man ihn mit Gewalt vertreiben oder wegtragen müssen. Man habe um ihn herum alles abgerissen, „um mir auch symbolisch klarzumachen, Lützerath ist nicht mehr zu retten“, sagt Eckhardt der Letzte.