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Kohleausstieg in NRWKönnen diese Dörfer doch gerettet werden?

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Kohleausstieg

Was kommt nach dem Kohleausstieg im Rheinischen Revier? Die Landesregierung will einen "Revierpakt" für den Strukturwandel schmieden, der von den Kommunen sehr kritisch gesehen wird.

Düsseldorf – Der Braunkohleausstieg bis spätestens 2038 ist beschlossen, der Kompromiss steht, die schwarz-gelbe Landesregierung hat ihre Vorstellungen, wie das alles im Rheinischen Revier umgesetzt werden soll, längst zu Papier gebracht. Doch der Entwurf dieser sogenannten Leitentscheidung ist heftig umstritten.

Die Landtagsfraktion der Grünen hat für das kommende Plenum in der nächsten Woche einen Antrag eingereicht, der die bisherigen Planungen von CDU und FDP auf den Kopf stellt und den gesamten Frust der Umweltverbände und Bürgerinitiativen über die geplante Umsetzung der Ergebnisses des Kohlekompromisses aufnimmt.

Gemeinsam mit den Grünen werfen sie Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) vor, mit dem Entwurf „einseitig die Interessen von RWE zu bedienen, auf Kosten der Menschen an den Tagebauen, einem nachhaltigen Strukturwandel sowie Umwelt- und Klimaschutz“, heißt es in ihrem Antrag, der dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt.

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Allein der Beschluss der Europäischen Union, das Klimaziel deutlich zu verschärfen, mache den schwarz-gelben Entwurf zur Makulatur. Im Dezember hatte die EU entschieden, dass die Mitgliedsstaaten im Jahr 2030 ihre Treibhausgase gegenüber 1990 um 55 Prozent gesenkt haben müssen. Bisher lag das Ziel bei minus 40 Prozent.

Aus Sicht der grünen Landtagsfraktion wird dieser Beschluss aus Brüssel für das Rheinische Revier erhebliche Folgen haben. Er werde Deutschland „zu einer Anhebung der nationalen Klimaziele zwingen und den Druck auf eine frühere Beendigung der Braunkohleverstromung erhöhen“, so der Grünen-Antrag. „Eine Fortführung des Abbaus bis zum Jahr 2038 darf als ausgeschlossen gelten.“

Moratorium gefordert

Die Grünen fordern in ihrem Antrag die Überarbeitung des Entwurfs zur neuen Leitentscheidung. Diese müsse sich an den verschärften Klimazielen orientieren und ausschließen, dass für den Braunkohleabbau die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath geopfert werden. Ob und wie viel Kohle aus dem Tagebau Garzweiler unter diesen Bedingungen überhaupt noch gebraucht wird, müsse untersucht werden. Spätestens 2030 müsse im Rheinischen Revier der letzte Bagger stillgelegt werden.

Die Grünen erwarten überdies „ein Moratorium gegen die weitere Zerstörung von Heimat, Natur und Infrastruktur, damit RWE nicht weiter Fakten schafft“, sagt Wibke Brems, Sprecherin für Energie- und Klimaschutzpolitik. Die Landesregierung erlaube stattdessen RWE, „am Hambacher Wald mehr als 250 Hektar wertvolle Böden zu vernichten. Das ist ein eklatanter Widerspruch zur Forderung in der Leitentscheidung die Rekultivierungsplanungen zu überprüfen und die Zerstörung von Flächen auf das zwingend erforderliche Maß zu begrenzen. Die Zulassung des neuen Hauptbetriebsplans Hambach zeigt: Die Landesregierung fühlt sich nicht einmal selbst an die eigenen politischen Vorgaben gebunden, wenn es um die Erfüllung der Wunschliste von RWE geht.“

Grüne erwägen Klage gegen Kohleausstiegsgesetz

Die grüne Bundestagsfraktion erwägt derweil eine Klage gegen das sogenannte Kohleausstiegsgesetz. Dort ist in Paragraf 48 verankert, dass der Tagebau Garzweiler energiewirtschaftlich notwendig ist. Die Grünen haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, in dem der Verfassungsrechtler Georg Hermes zu dem Ergebnis kommt, dass der Bund damit seine Gesetzgebungskompetenz überschritten habe.

Für eine solche Normenkontrollklage brauchen die Grünen die Unterstützung von einem Viertel der Bundestagsabgeordneten. „Wir werden deshalb an die anderen Oppositionsparteien Linke und FDP herantreten, fürchten aber das insbesondere letztere aufgrund ihrer Kohlepolitik gerade auch in NRW eine Klage nicht unterstützen wird“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer. Dennoch: Das Gutachten sei „ohne Zweifel eine große Hilfe für die anstehenden Klagen von BUND und der Initiative Alle-Dörfer-bleiben.“

Resolution an Landesregierung übergeben

Zahlreiche Vertreter aus Kirchen, Dorfvereinen und Verbänden haben am Freitag der Landesregierung eine Resolution übergeben, in der sie ein Abbruchmoratorium für die bedrohten Dörfer fordern. Das Moratorium solle gelten, "bis Gerichte in letzter Instanz entschieden haben, ob Enteignungen für den Abbau der Braunkohle in Zeiten der Klimakrise dem Gemeinwohl dienen".

Auch die beiden Spitzen der katholischen und evangelischen Kirche der Region Heinsberg und des Kirchenkreises Jülich, Markus Bruns und Jens Sannig, stützen die Resolution. Bereits im Januar hatte sich der Aachener Bischof Helmut Dieser dafür stark gemacht, dass der Erhalt der Dörfer „möglich“ sei und „eine konsequentere Reduktion der Tagebaue und der CO2-Emissionen“ für den Klimaschutz angemahnt.

„Wir Betroffenen freuen uns sehr, dass sich die Kirchen der Region an unsere Seite stellen. Wenn Armin Laschet sein christliches Image aufrecht erhalten will, sollte er endlich einsehen, dass man als Katholik keine Gotteshäuser zerstört, um klimaschädliche Braunkohle zu verbrennen“, so David Dresen aus dem bedrohten Dorf Kuckum.

Hintergrund der Resolution ist ein im Dezember 2020 veröffentlichtes Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums. Aus dem Gutachten geht hervor, dass die Braunkohle unter den bedrohten Dörfern Keyenberg, Kuckum, Berverath sowie Unter- und Oberwestrich selbst bei einem Kohleausstieg im Jahr 2038 nicht mehr benötigt würde. Die Braunkohlegegner werfen der Bundesregierung vor, das Gutachten zu lange unter Verschluss gehalten zu haben.