500 Jahre altes HausIn Bad Münstereifeler Buchhandlung ist der Wiederaufbau kompliziert

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Josef Mütters steht inmitten einer Baustelle. Er hält sich an einem Rohr fest. Im Hintergrund ist eine nackte Steinwand zu sehen.

Die Buchhandlung von Josef Mütter ist auch drei Jahre nach der Flut noch eine Baustelle. Doch der alteingesessene Buchhändler lässt sich nicht unterkriegen. Mit kreativen Ideen überbrückt er die Zeit – und Ende des Jahres soll alles fertig sein.

Ende des Jahres wird Josef Mütter seine von der Flut zerstörte Buchhandlung in Bad Münstereifel voraussichtlich wiedereröffnen können.

Auch drei Jahre nach der Flut gibt es Stellen, bei denen sich auf den ersten Blick nicht viel in Sachen Wiederaufbau getan hat. Eine davon ist Mütters Buchhandlung am Markt in Bad Münstereifel. Während die meisten Geschäfte im Ort wieder geöffnet haben, sind dort nach wie vor die Fenster abgeklebt. Man kann nur mutmaßen, wie es im Inneren aussieht.

Inhaber Josef Mütter gewährt einen Einblick – und von Stillstand kann keine Rede sein. Erst eineinhalb Jahre nach der Flut hat er mit den Baumaßnahmen beginnen können. So lange hat die Klärung mit der Versicherung des Hauseigentümers gedauert, einer Stiftung, die der inzwischen verstorbene ehemalige Besitzer Everhard Hendrichs ins Leben gerufen hat.

Immer mehr Schäden sind in der Bad Münstereifeler Buchhandlung aufgetaucht

„Es sind immer mehr Schäden aufgetaucht“, so der alteingesessene Buchhändler. Bei einem mehr als 500 Jahre alten Haus ist das nicht weiter verwunderlich. Es musste geklärt werden, welche Mängel durch die Flut verursacht wurden und welche nicht – und das für den gesamten Gebäudekomplex vom benachbarten Brauhaus bis zur „Französischen Lilie“ an der Marktstraße.

Als die Versicherung grünes Licht gab, konnte die Planung für den Wiederaufbau beginnen. Monate dauerte allein die Bestandsaufnahme: Zu den alten Häusern gab es natürlich keine Baupläne mehr. Keine leichte Aufgabe für die Noesser-Padberg Architekten GmbH in Köln, die sich dieses Großprojekts angenommen hat, denn historische Gemäuer bergen so manche Überraschung. Wer etwa einen Blick auf die abenteuerliche Deckenkonstruktion wirft, ahnt, worum es geht. „Die Planung musste mindestens 15-mal geändert werden, weil immer wieder neue Dinge zum Vorschein kamen“, erklärt Josef Mütter.

Vorschriften zu Brand-, Flut- und Denkmalschutz sind zu berücksichtigen

Nun gilt es nicht nur, das Gebäude wieder aufzubauen, sondern auch die aktuellen Vorschriften zu Brand-, Flut- und Denkmalschutz zu berücksichtigen. An den Sicherheitsvorkehrungen ist nichts zu rütteln. Kaum ist eine Einigung erzielt, gibt es auch schon wieder neue Vorschriften, die in die Planung mit einfließen müssen – etwa die Größe der Behindertentoilette im Brauhaus nebenan.

Aber auch die Versicherung macht Auflagen, sie will schließlich nicht noch einmal einen solchen Schaden ausgleichen müssen. So muss beispielsweise die Versorgung mit Strom, Wasser und Heizung vom Obergeschoss aus erfolgen, die Haustechnik darf nicht mehr im Keller stehen. Bis zur Flutmarke im Erdgeschoss sind die Wände wasserdicht versiegelt, der Boden mit Guss-Asphalt abgedichtet. „Ich dachte, die teeren hier eine Autobahn“, erinnert sich Mütter. Steckdosen müssen oberhalb der Flutmarke angebracht werden. Und wer ein Loch in die Wand bohren möchte, darf auch dies nicht unterhalb dieser Linie.

Wie lange es dauert, ist noch unberechenbar

Aktuell steht die Prüfstatik an. Als das Haus gebaut wurde, scherte sich niemand um Statik, Kamin-Sicherheit und Treppenkonstruktionen. „Trotzdem hat das alles gehalten, sogar bei der Flut“, so Josef Mütter. Das muss nun alles aktualisiert werden.

Wie lange es dauert? Auch das ist unberechenbar. Ohne den Einbau von Stahl sind diese Vorschriften nicht einzuhalten. „Das ist für alle eine echte Herausforderung, die Sicherheitsauflagen zu erfüllen und gleichzeitig im Sinne des Denkmalschutzes zu vertreten.“ Im Zuge dieser Regeln büßt die Buchhandlung den hinteren Raum ein, in dem früher die Kinderbuchabteilung lag. Hinter diesem Raum ist das Treppenhaus, das satt der vorigen, engen Holztreppe nun eine breite, feuerfeste Betontreppe bekommt. Da an anderer Stelle dafür eine Wand wegfällt, hat Mütter in Zukunft dennoch kaum weniger Stellfläche.

Das Herzstück der Buchhandlung, das rote Biedermeiersofa, kommt zurück

Erst wenn die Prüfstatik abgeschlossen ist, kann es mit dem Bau weitergehen und der Buchhändler mit der Planung seiner Ladeneinrichtung beginnen. Eins steht aber fest: Das rote Biedermeiersofa, Markenzeichen und Herzstück von Mütters Buchhandlung, kommt zurück.

Es wurde, komplett verseucht und mit kaputten Beinen, fachkundig und liebevoll von Polsterer Achim Frommhold und seinem Team in Bielefeld restauriert. „Zwei oder drei Jahre vor der Flut waren er und seine Frau Kunden bei mir im Laden und hatten ein Auge auf das Sofa geworfen. Das nächste Mal, als sie es sahen, war in einem Flutbericht auf Social Media. Sie haben sich gemeldet, sind mit Transporter und Stoffproben gekommen und haben es abgeholt. ,Die alte Dame kriegen wir wieder hin', sagte er.“

Für sein wirtschaftliches Überleben wird Josef Mütter kreativ

Für sein wirtschaftliches Überleben bis zur Wiedereröffnung gegen Ende des Jahres lässt sich Josef Mütter seit drei Jahren allerhand einfallen. Viele seiner Kunden nutzen seinen Onlineshop. Wer halbwegs vor Ort wohnt, lässt sich gerne bestellte Bücher persönlich bringen und kann sich über die Baufortschritte erkundigen.

Auch auf Facebook und Instagram ist der Buchhändler aktiv. „Ich stelle immer wieder kurze Videos ein, um die Leute und auch mich selbst bei Laune zu halten und zu informieren.“ Fünf Wochen lang gab es im Advent 2023 einen bunt beleuchteten Weihnachtsladen auf der Baustelle. Trotz des begrenzten Platzes und einer recht geringen Auswahl war das ein Erfolg. „Es hat tierisch Spaß gemacht, Leute hier im Laden zu haben.“

Die Information über die Flut in der Kurstadt ist Mütter ein Anliegen. 40.000 Flyer hat er über Kästchen an der Hauswand bereits unter die Leute gebracht. Vor etwa drei Monaten stellte er bei YouTube eine kleine Dokumentation ein. „Über 270.000 Menschen haben das angeschaut“, so Mütter. Hunderte von Kommentaren hat er dazu bekommen, viel Mitgefühl und Dank erfahren.

Die Buchhandlung ist telefonisch unter 02253/5455057, per E-Mail und online erreichbar.


Bestseller-Autorin Caroline Wahl war zu Gast auf der Baustelle

Eine Buchhandlungs-Baustelle mit Leben füllen: Wie das geht, bewies Josef Mütter erneut am Donnerstagabend. Caroline Wahl, Bestseller-Autorin und neuer Shooting Star am Literaturhimmel, las aus ihrem aktuellen Roman „Windstärke 17“.

Gerahmt von Stützpfeilern und Absperrbändern ließ sie ihre rund 60 Zuhörer am Schicksal der jungen Protagonistin Ida Anteil nehmen. Nach dem Tod von Idas suchtkranker Mutter toben in ihrem Inneren Trauer, Wut und Schuld in der Intensität von 17 Windstärken, einer Naturgewalt ähnlich der, die vor drei Jahren auch Mütters Buchhandlung zerstört hat.

Die Autorin sitzt vor einem Absperrband und spricht in ein Mikrofon. Eine Stehlampe spendet Licht, im Hintergrund eine unverputzte Fachwerkwand.

Ihren Bestseller stellte Caroline Wahl in der Baustelle vor.

Die junge Frau lebt im Roman im emotionalen Ausnahmezustand, der sie zu deftigem Vokabular greifen lässt, aber auch ihre Sinne für Alltagsdinge schärft. Mehr auf der Flucht als auf Reisen landet sie auf Rügen, wo sie täglich ihre Verzweiflung in die Ostseewellen schlägt. Mit Marianne, Knut und Leif findet sie eine Art neue Familie, die ihr Geborgenheit vermittelt und sie freundschaftliche Zugewandtheit erfahren lässt. „Ich hoffe, dass es solche Menschen wie Marianne und Knut gibt, die einen fremden Menschen aufnehmen. Ich selbst möchte so ein Mensch sein“, so Wahl.

„Windstärke 17“ erzählt, wie es gelingen kann, dem Leben Schönheit abzutrotzen

Für die Lesung hatte die 29-Jährige gekonnt Textstellen ausgewählt, die mal lähmende Trübsal, mal tosende Wut und dann  amüsante Leichtigkeit vermittelten. „Windstärke 17 erzählt davon, wie es gelingen kann, dem Leben auch unter widrigsten Umständen Schönheit abzutrotzen“, lautet unter anderem der Klappentext des Romans, den Caroline Wahl in einer sehr authentischen Sprache ihrer Generation verfasst hat.

„Ich bin sehr gerührt, dass Deutschlands berühmteste Schriftstellerin hier in meiner versifften Baustelle sitzt“, betonte Josef Mütter.   Wahl, deren Bücher wochenlang die Spiegel-Bestsellerliste anführen, füllt ansonsten große Hallen. Dass sie sich darauf eingelassen hat, mit improvisierter Technik, spärlicher Beleuchtung und einem kleinen Auditorium inmitten von Staub und lose herabhängenden Kabeln zu lesen, beglückte den Gastgeber sichtlich. Im Anschluss an die Lesung erhielt jeder Gast von ihm ein Botinchen-Eis.