Bad Münstereifel – „Meine größte Sorge war, ob Herrn Scholz der Kuchen schmeckt“, sagte Alexandra Welter. Die Inhaberin des Restaurants „En de Höll“ hatte für Bundeskanzler Olaf Scholz dessen Lieblingskuchen gebacken: Rüeblitorte, die aus einer Biskuitmasse mit Karotten und Nüssen besteht. Nach Helmut Schmidt und Willy Brandt ist Scholz bereits der dritte Bundeskanzler der SPD, der in dem Restaurant am Orchheimer Tor seine Spuren hinterlassen hat.
Doch Scholz war nicht wegen des Kuchens nach Bad Münstereifel gekommen – zumindest nicht vorrangig. Vielmehr wollte sich der Bundeskanzler mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Landrat Markus Ramers und Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian einen Eindruck vom Wiederaufbau gut acht Monate nach der Flut verschaffen.
Kurz nach der Flut war Olaf Scholz in Schleiden und Gemünd
Die Bürgermeisterin wusste seit etwa zwei Wochen, dass der Bundeskanzler einen Besuch plant. Aber sie durfte laut Protokoll nichts verraten. Scholz’ erster Weg führte ins Rathaus, wo ihm Preiser-Marian in einer kurzen Präsentation zeigte, wie die Lage unmittelbar nach dem 14. Juli 2021 war. Dadurch erhielt der Bundeskanzler, der kurz nach der Flut – damals noch als Finanzminister – in Schleiden und Gemünd war, einen Eindruck, wie es vor acht Monaten in der Stadt aussah.
Gleichzeitig warf Preiser-Marian auch einen Blick in die Zukunft. Denn Bad Münstereifel soll „enkelfähig“ werden: Geplant sind eine barrierearme Pflasterung, LED-gesteuerte und WLAN-fähige Beleuchtung sowie Glasfaser in der ganzen Stadt.
Bad Münstereifel benötigt für Wiederaufbau 15 weitere Stellen
Die Bürgermeisterin konnte auch ein dringendes Anliegen ansprechen. Die Stadt benötigt eigentlich für den Wiederaufbau 15 Stellen mehr. Zur Einordnung: Aktuell gibt es im Rathaus 180 Mitarbeiter, die etwa 120 Stellen besetzen. „Wir bekommen durch den Wiederaufbauplan kein eigenes Personal gefördert, aber das wäre wichtig.“ Die 15 zusätzlichen Stellen beruhen allein auf der Anzahl der Überstunden, die das Rathauspersonal seit der Flut angesammelt hat.
Preiser-Marian sprach auch an, wie unterschiedlich die Schicksale sind: „Die einen haben ihr Geld schon erhalten, andere sind hilflos, weil ein Gutachter fehlt oder es keine freien Handwerker gibt.“ Deshalb forderte sie die Bürger auf, ins Rathaus zu kommen, wenn sie Hilfe benötigen.
Genau wie die Verwaltungschefin wusste auch Galerist Peter Lethert, dass Scholz in die Kurstadt kommen wird. Er stand zufällig vor seinem Geschäft, als vor einer Woche eine Art Spähtrupp des Bundeskanzleramtes in Bad Münstereifel war. Nach kurzem Smalltalk war der Besuch des Kanzlers bei ihm in trockenen Tüchern.
Bei „En de Höll“-Chefin Welter lief es ähnlich ab. Vor einer Woche stand die Delegation nach Angaben der Inhaberin vor dem Fenster und sprach über die Flut. „Ich habe das Fenster geöffnet und gesagt, dass ich ihnen genau sagen kann, wie das am 14. Juli war“, so Welter im Gespräch mit dieser Zeitung. Wer da gerade vor ihr stand, habe sie da gar nicht gewusst. Das habe sich erst beim Kaffee im Restaurant ergeben. Verraten durfte auch sie nichts. „Ich habe es nur meiner Mutter erzählt“, sagte die Bad Münstereiferin.
Thilo Waasem: „Die falschen Schuldzuweisungen lösen kein einziges Problem“
Klaus Voussem, Landtagsabgeordneter der CDU, war ebenfalls in Bad Münstereifel. „Es ist richtig und wichtig, dass sich Bundes- und Landespolitik von der Situation in der Region ein Bild machen“, sagte er: „Allein schon, weil es Dinge gibt, die nachgebessert werden können – beispielsweise bei der Wiederaufbauhilfe.“
Thilo Waasem, Bad Münstereifeler und Parteifreund des Bundeskanzlers, hatte Scholz einen Brief geschrieben und ihn in die Kurstadt eingeladen. Dass der Besuch nun klappte, auch ohne sein Zutun, freute den Landtagskandidaten. Waasem selbst war beim Gang durch die Stadt nicht dabei, wollte sich aber am Abend mit dem Bundeskanzler zusammensetzen. „Ich will ihn darauf hinweisen, dass einiges bei der Wiederaufbauhilfe nicht rundläuft, was man in Düsseldorf dem Bund in die Schuhe schiebt. Die Landesregierung zeigt immer nach Berlin, wenn es Kritik gibt“, so Waasem: „Die falschen Schuldzuweisungen lösen kein einziges Problem.“
Olaf Scholz gibt sich in Bad Münstereifel offen und nahbar
Der Bundeskanzler gab sich beim Besuch in der Kurstadt offen und nahbar. Die Tür seiner Staatskarosse war noch nicht ganz geschlossen, da stand er schon vor ein paar Grundschülern, die brav hinter dem Flatterband warteten. Auf dem Weg durch die Stadt – unter anderem machte der Tross auf einer Erftbrücke halt – sprach er mit Handwerkern und Vorarbeitern. Und kletterte auch mal auf eine gerade erst wiederhergestellte Mauer, um sich die geleistete Arbeit genauer anzuschauen.
Landrat Markus Ramers freute sich über den Besuch des Bundeskanzlers: „Gerade jetzt ist das ein wichtiges Zeichen: Trotz Krieg in der Ukraine und neuer Krisen sind die Flutkatastrophe und die vielen betroffenen Menschen im Kreis Euskirchen nicht vergessen.“
Gesamtschäden von mehr als einer Milliarde Euro im Kreis Euskirchen
Die Gesamtschäden im Kreis Euskirchen werden auf mehr als eine Milliarde Euro geschätzt – allein Kreis und Kommunen beziffern die Schäden an der öffentlichen Infrastruktur in den Wiederaufbauplänen mit mehr als 570 Millionen Euro. Was die Schäden an den Privathaushalten betrifft, seien bisher 3955 Wiederaufbau-Anträge gestellt worden, von denen sich 3814 bei der Bezirksregierung im Bewilligungsprozess befinden. 120 Millionen Euro wurden bisher laut Ramers an betroffene Haushalte im Kreis ausgezahlt. „Es war eine sehr herzliche Atmosphäre“, so der Landrat abschließend zum Besuch des Kanzlers in Bad Münstereifel.
Der Bundestagsabgeordnete Detlef Seif (CDU) war zwar nicht vor Ort, hatte Scholz aber ebenfalls einen Brief geschrieben. Darin bezeichnet der Christdemokrat den Besuch des Bundeskanzlers als „starkes Zeichen“. Er wiederholte aber seine Forderung, dass mehr finanzielle Mittel für den Katastrophen- und Bevölkerungsschutz zur Verfügung gestellt werden müssten. Eine Forderung, die auch Ramers Scholz und Faeser mit auf dem Weg gab. „Die Innenministerin sicherte zu, dass die Fördermöglichkeiten des Bundes verbessert werden sollen, um etwa den Ausbau der Sirenen-Warnsysteme im Kreisgebiet voranzutreiben“, so der Landrat.