Grabkreuz in Bad MünstereifelHelfer wollen Verstorbenen ein Stück Ruhe wiedergeben
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Bad Münstereifel – Zwischen den Reihen der teilweise kaum noch erkennbaren Gräber auf dem Bad Münstereifeler Friedhof hat Familie Ruland für einen Tag ihre Bestimmung gefunden. Christoph, Nathalie und ihre beiden Kinder Noah und Victoria aus Bad Münstereifel sind gerade bei „Grab Nummer sechs“ angekommen: Bis zu anderthalb Meter hoch hatte im unteren Teil des Friedhofs, unweit der Erft, Geröll und Schlamm alles zugedeckt: Grabplatten, Kreuze, Bepflanzung – alles entweder weggerissen, umgekippt oder zerstört.
Wochenlang war zunächst auch hier der gröbste Schlamm, Dreck und Müll aus dem Gelände herausgeschafft worden. Er lagert in großen Bergen auf der anderen Seite der Schleidtalstraße, die am Friedhof vorbeiführt. Dann kam der Aufruf der Stadt: Helferinnen und Helfer zum Säubern der Gräber gesucht. Einsatzzeit am vergangenen Wochenende jeweils von 8.30 bis 16 Uhr. In einer Gemeinschaftsaktion haben mehr als 50 Helferinnen und Helfer die vom Juli-Hochwasser verwüsteten Gräber auf dem Friedhof von Bad Münstereifel von Schlamm und Geröll gesäubert.
Grabsteine können wegsacken
Familie Ruland wollte helfen. Also wurde zusammengepackt, was nützlich ist: Schubkarre, Schaufel, Harke, Eimer, Arbeitshandschuhe. Und es wurde geräumt, gefegt, geputzt, neu aufgebaut, was eben möglich war. „Nur Grabsteine und Grabplatten sollen wir lieber nicht anpacken, die könnten wegsacken in Hohlräume der Gräber darunter“, so Christoph Ruland. Ja, es sei „ein bisschen schwierig, hier zu buddeln“, gibt er zu, aber es sei eben auch ein „gutes Gefühl, wenn man anderen helfen kann“.
Und zwar den Angehörigen Verstorbener, zu denen auch Familie Ruland wie die allermeisten derjenigen, die um sie herum in Gruppen unermüdlich wuselten und wiederherstellten, was möglich ist, keinen Bezug haben. Es sind Gräber von Fremden, denen sie so wieder ein Stück der durch die Hochwasserkatastrophe in Bad Münstereifel gestörten Totenruhe zurückgeben wollen.
Elisabeth und Gerhard Vieß aus Kirspenich denken ähnlich wie die Rulands. Ihnen ist die Aufräumhilfe hier an einigen Gräbern direkt am Ufer des Mitte Juli alle Grenzen sprengenden Schleidbaches aber ein zusätzliches Bedürfnis: „Man hat selbst zum Glück keine Hochwasserschäden. Da schämt man sich ja fast ein bisschen. Deshalb sind wir hier.“
it anpacken, wo es was zu tun gilt
Um 8.30 Uhr am Samstagmorgen waren auch die beiden aus Kirspenich nach der Begrüßung der angereisten Helfenden durch die dankbare Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian an der vom Hochwasser verschonten Trauerhalle von Peter Lanzerath, Leiter des städtischen Bauhofs, eingeteilt worden. Sie gingen zu Trümmern von Gräbern und fingen einfach an.
Ähnlich hatte auch das Team des Bauhofs der niedersächsischen Stadt Geestland im Landkreis Cuxhaven gedacht, als es vor ein paar Wochen hierhin gekommen war, um die Kollegen um Peter Lanzerath beim Räumen des gröbsten Drecks und Mülls auf dem Friedhof mit schwerem Gerät zu unterstützen und mit anzupacken, wo es was zu tun galt.
Eine der unglaublichen Solidaritäts- und Hilfsaktionen, die aus dem ganzen Bundesgebiet in den vom Hochwasser betroffenen Orten stattgefunden haben und immer noch stattfinden. „Der Bürgermeister aus Geestland, Thorsten Krüger, stand selbst an der Rüttelmaschine, um die Wege wieder so herzurichten, dass die Helferinnen und Helfer jetzt hier anpacken können“, so Peter Lanzerath.
Schon zum „fünften Mal“, so Vorstandsmitglied Heinz Echterbruch, war so auch ein Team der Handballvereins TuS Xanten 05/22 dabei. Sie sorgten für das Catering der Helfenden an den Friedhofparkplätzen unter der Hochbrücke der Stadtumgehung.
Kreis Euskirchen: Anlaufstellen und Beratung
Hotlines des Kreises Euskirchen: Bürgerfragen, Helfer
Beratung bei seelischen Krisen in der Hochwasser-KatastropheViele Menschen haben in dieser Zeit sehr belastende Erfahrungen gemacht und teilweise traumatische Situationen erlebt. Das Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen bietet unter folgender Telefonnummer entsprechende Hilfe an:
In Teilen des Kreises ist die Stromversorgung noch unterbrochen. Betroffen sind vor allem noch Bad Münstereifel und die Euskirchener Innenstadt.
Hotline der Bezirksregierung
Für Betroffene der Flutkatastrophe hat die Bezirksregierung Köln eine Hotline eingerichtet. Unter 0221/1472206.
Bargeld-Versorgung
Dokumente und EC-Karte von der Flut weggeschwemmt – was nun? Immer mehr Menschen im Kreis melden sich bei den Kreditinstituten, weil sie nicht wissen, wie sie an Bargeld kommen. Aber auch die Institute selbst sind in hohem Maße vom Hochwasser betroffen. Zahlreiche Geldautomaten funktionieren nicht, ganze Filialen sind aufgrund der Zerstörungen geschlossen. Was können die Betroffenen tun, um an Geld für das Lebensnotwendige zu kommen? Ein Überblick.
„Ich bin da!“, meldete sich auch Dr. Ulrich Günzel am vergangenen Samstagvormittag als Helfer an. Genauer sei er nach einer Beerdigung, die er noch in Effelsberg hatte, angekommen, so der Diakon im Seelsorgebereich Bad Münstereifel.
Günzel trägt eine schwarze Hose, ein weißes Oberhemd, eine schwarze Krawatte und geht einfach still und langsam die Wege durch die Gräberreihen mit den Helferinnen und Helfern ab. Ab und an bleibt er einfach stehen, wartet, es kommt jemand auf ihn zu, sucht ein Gespräch, erzählt ihm, was ihn oder sie bedrückt, hört seinen Worten zu, findet vielleicht Trost.
„Es ist eine Apokalypse, so empfinden wir es, wenn ein Grab verwüstet worden ist, ein Grabstein von den Fluten versetzt wurde“, so Günzel. Wer Pietät habe, könne diesen Zustand nur schwer aushalten. Günzel weiß da möglicherweise Rat und Tat. Weihwasser zur Neueinsegnung eines wieder hergerichteten Grabes habe er immer dabei, wenn es gewünscht werde, sagte er. Es ist einfach nur ein Angebot. Sein Angebot.
Ähnliches bieten Michael Mönks aus Wittscheiderhof und eine Gruppe von fünf bis acht Gleichgesinnten an: „Psycho-soziale Akuthilfe“ steht über dem Namensschildchen an der Warnweste. Zuhören, Raum für Worte geben – so ist das gemeint. Olga Berisow aus Bad Münstereifel wäre eine mögliche Gesprächspartnerin für den Diakon oder den Spontanhelfer gewesen. Fast!
Auch sie erlebte zunächst einen Schockmoment, als sie nach der Flut das Grab ihres 2009 verstorbenen Vaters Alexander Gotwig suchte und nicht fand. Unter einem dicken Mantel aus Geröll und Schlamm war nicht mehr zu erkennen, wo einst das Grabkreuz gestanden hatte, wo die Umrandung des Familiengrabs. Olga war verzweifelt: „Meine Mama war doch jeden Tag hier, wie sollte ich ihr das jemals erklären können?“
Zusammen mit Ehemann Boris, Sohn Jurij und ihrem jüngeren Bruder samt Ehefrau schöpfte Olga am vergangenen Samstagvormittag Mut und Hoffnung: Unter all dem Dreck und Schlamm hatte Ehemann Boris eine kleine Ecke eines schwarzen Marmors da entdeckt, wo doch das Grab des Schwiegervaters gewesen sein musste. Zu fünft schafften sie den Müll weg – und entdeckten nach fast zwei Stunden Arbeit das nach hinten weggekippte Grabkreuz.
Peter Lanzerath hat die Minuten danach miterlebt: „Als ich gesehen habe, wie die Familie sich da gefreut hat – dafür hat sich der ganze Einsatz hier gelohnt!“