Zentraler OrtFür Angehörige der Flut-Opfer ist der Gang zur Gedenkstätte kein leichter

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In weiße Anzüge gekleidete Menschen stehen vor den Bäumen der zentralen NRW-Gedenkstätte für die Opfer der Flutkatastrophe. Sie symbolisieren die gestorbenen Menschen.

49 Akteure in Morphsuits standen bei der von dem Künstler Dennis Meseg ausgearbeiteten Performance an den für die Opfer der Flutkatastrophe gepflanzten Bäumen. Sie symbolisierten die 49 in NRW ums Leben gekommenen Menschen.

Mit einer Kunst-Performance wurde an der zentralen Gedenkstätte bei Blankenheim der 49 Menschen aus NRW gedacht, die bei der Flut gestorben sind.

 Jeder Mensch trauert auf seine Weise. Besonders deutlich wird das, wenn an den Jahrestagen der Opfer der Flutkatastrophe gedacht wird. Im Schleidener Tal etwa wurden die Stelen eingeweiht, in Bad Münstereifel traf man sich an der Erft, manch eine private Zusammenkunft der Dorfgemeinschaften oder Nachbarschaften gab es. An der Zentralen Gedenkstätte des Landes NRW war eine privat organisierte Trauerveranstaltung Mahnmal und Kunstaktion zugleich.

An Ort und Art der Gedenkstätte wird seit deren Einrichtung starke Kritik geübt. Vor allem eines ärgert Klaus Jansen aus Odendorf : „Warum sind die betroffenen Familien nicht gefragt worden?“ Er hat mit seiner Lebensgefährtin Tamara Kopelke das „Team Gedenken“ ins Leben gerufen, um eine würdige Erinnerung an die Opfer der Flutkatastrophe zu schaffen. Begonnen habe sein Engagement, als es in seinem Heimatort um die Frage gegangen sei, wo der zwei Toten aus Odendorf gedacht werden könne. Schließlich sei eine Gedenktafel aus Glas auf dem Alten Friedhof aufgestellt worden.

Der erste Besuch der Gedenkstätte bei Blankenheim war ernüchternd

So sei er im Thema gewesen, als er plötzlich gehört habe, Ministerpräsident Hendrik Wüst habe den 49. Baum an einer Erinnerungsstätte in der Gemeinde Blankenheim gepflanzt. „Niemand von uns wusste etwas davon, auch nicht die Angehörigen“, berichtete er. Der Besuch der Stätte an der Kreuzung von B258 und B 51 sei ernüchternd gewesen: „Erst einmal gab es keine Hinweisschilder, dann durfte man nicht hineinfahren, es gibt bis heute keinen Parkplatz.“ Und dann seien zwei Bänke aufgestellt worden, jedoch so, dass nicht die Erinnerungsstätte zu sehen gewesen sei, sondern der direkt daneben liegende Neubürgerwald der Gemeinde Blankenheim.

Klaus Jansen aus Odendorf steht an der zentralen Flut-Gedenkstätte des Landes NRW. Hinter ihm sind Teilnehmer einer Kunstaktion in weißen Anzügen zu sehen.

Klaus Jansen aus Odendorf engagiert sich für ein würdiges Gedenken an die Flutopfer.

Tamara Kopelke kniet am Gedenkstein für die Opfer der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen, vor dem ein Blumengesteck steht. Vor der Frau ist eine Platte mit 49 Kerzen, die sie entzündet.

49 Kerzen entzündete Tamara Kopelke vom „Team Gedenken“ im Andenken an die Opfer der Flutkatastrophe.

Manches ist mittlerweile korrigiert. Die Bänke zeigen nun in Richtung Gedenkstätte, kurz vor dem Gedenktag wurde ein Hinweisschild an der B 258 montiert, der Verkehr für Anlieger ist auf dem Feldweg freigegeben. Eine Toilette gibt es jedoch noch nicht, auch ist der Weg entlang der Allee nicht barrierefrei.

Gemeinsam mit dem „Team Gedenken“ und den ihm bekannten Angehörigen habe er sich, so Jansen, mit seinen Feststellungen an die Staatskanzlei gewandt. Und nachdem keine Antwort gekommen sei, an die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen. Das hat Bewegung gebracht: Mittlerweile ist ein Antrag von SPD und FDP vom Landtag angenommen. Ein Punkt, der darin Beachtung fand, ist das das Problem der bislang nicht geklärten Pflege des Gedenkortes. So sind mehrere Bäume mittlerweile abgestorben. Wann und von wem sie ersetzt werden, ist Klaus Jansen nicht bekannt.

Team bringt Schiefertafeln mit den Namen der Flut-Opfer an

Als ungewöhnlich empfindet Jansen es, dass die Namen der Verstorbenen nicht genannt werden – das sei bei anderen Gedenkorten nicht so. „Kajo Meyer hat für die, deren Namen uns bekannt sind, Herzen aus Schiefer gestaltet“, erläuterte Jansen. Auch am Montag brachte er sieben Schiefertafeln mit Namen an, insgesamt seien es jetzt rund 25.

In weiße Anzüge gekleidete Menschen sitzen vor den Bäumen der zentralen NRW-Gedenkstätte für die Opfer der Flutkatastrophe. Sie symbolisieren die gestorbenen Menschen.

49 Akteure symbolisierten bei der Kunstaktion die 49 in NRW bei der Flutkatastrophe gestorbenen Menschen. Am Ende der Aktion legten sie sich an den Bäumen nieder.

Mangels einer offiziellen Gedenkveranstaltung hatte das „Team Gedenken“ in Eigenregie eine solche organisiert. Gestaltet wurde sie mit einer Performance des Wesselinger Künstlers Dennis Meseg. Er positionierte 49 Menschen in weißen Ganzkörperanzügen an den Bäumen. „Sie sollen deutlich machen, dass es sich um Menschen handelt“, sagte Meseg. Nach zwei Stunden sollten sich die Akteure an den Bäumen auf den Boden legen. Aufgrund des aufziehenden Regens wurde die Aktion jedoch verkürzt.

Neben einer Reihe von Anwohnern aus Blankenheimerdorf war als einziger offizieller Vertreter der Landtagsabgeordnete Dr. Ralf Nolten dabei. „Wir sind gut unterwegs“, sagte er über die Verbesserungen der Gedenkstätte. Anhand der Schilder, die nun aufgestellt seien, sei das zu sehen – doch es müsse weiter gearbeitet werden. Einen zentralen Ort für alle Verstorbenen in der Eifel zu finden, sei schwierig. „Ich sehe unterschiedliche Ansätze“, sagte er.

Nur wenige Angehörige der Opfer waren am Jahrestag vor Ort

Angehörige der Opfer waren kaum vor Ort. Als eine der wenigen war Susanne Wetschorek mit ihrer Familie gekommen, deren Sohn Christoph in Gemünd gestorben ist. „Mir fällt es immer noch schwer, hierherzukommen“, sagte sie mit Blick auf die Baumallee. Zum Grab ihres Sohnes auf dem Friedhof in Hellenthal gehe sie oft. Doch an der Gedenkstätte sei die Rührung immer groß: „Hier packt es mich immer, ich weiß auch nicht warum.“

Zu Gedenkveranstaltungen zu gehen, falle ihr schwer. Die Performance mit den weiß verhüllten Menschen gefalle ihr gut. Doch das sei nicht bei allen Angehörigen so. „Viele sind dagegen“, fasste sie Kommentare aus der Chatgruppe der Betroffenen über die Kunstaktion zusammen. Doch jeder trauere anders. Sie finde es gut, dass überhaupt etwas passiere. Trost gebe ihr der Enkel, der auch mitgekommen sei, so Wetschorek. „Er hat ganz viel von meinem Sohn“, sagte sie. Der sei sehr wichtig für sie.

Auch Udo und Frauke Kraatz aus Barweiler, die im „Team Gedenken“ mitarbeiten, waren gekommen. Ihre Tochter Katharina Maria starb im Alter von 19 Jahren als Feuerwehrfrau im Flut-Einsatz im Ahrtal, als sie auf dem Campingplatz Stahlhütte eine ältere Frau zu retten versuchte. „Ich will, dass es nicht vergessen wird“, sagte Udo Kraatz.

Deshalb habe er, obwohl der Ort nicht betroffen gewesen sei, für eine Erinnerungsstele in Barweiler gekämpft, auf der der Name seiner Tochter zu lesen sei. Er selbst könne und wolle nicht mehr an die Ahr fahren. Er setze sich für einen zentralen Erinnerungsort ein, an dem aller Toten der Flutkatastrophe gedacht werden könne: der 49 aus Nordrhein-Westfalen, der 136 aus Rheinland-Pfalz und der 41 aus Ostbelgien.


Die Gedenkstätte

Die Zentrale Gedenkstätte des Landes NRW befindet sich in einem Naturschutzgebiet bei Blankenheimerdorf – in direkter Nachbarschaft des Areals, auf dem die Gemeinde Blankenheim für jedes Neugeborene einen Baum pflanzt. Jeder der 49 Bäume steht für einen der 49 Menschen, die in NRW bei der Flutkatastrophe ihr Leben verloren haben.

Symbolisch wurde der letzte Baum bei der Eröffnung der Gedenkstätte im November 2022 von Ministerpräsident Hendrik Wüst, Landrat Markus Ramers und der Blankenheimer Bürgermeisterin Jennifer Meuren gesetzt. Am zweiten Jahrestag der Flut gab es dort eine Gedenkveranstaltung des Ministerpräsidenten mit Angehörigen der Flutopfer.

Die Zufahrt zur Gedenkstätte ist inzwischen ausgeschildert und führt über einen Feldweg, der an dem Abzweig von der B258 nach Blankenheimerdorf abgeht. Parkplatz und Toiletten sind nicht vorhanden, auch ist einer der Wege grob geschottert und damit nicht barrierefrei, so dass er etwa mit einem Rollator kaum befahrbar ist.