Vor 80 Jahren starben 28 Zivilisten bei einem Bombenangriff auf einen Zug bei Losheimergraben. Das Grauen des Angriffs hallt nach.
Bombe traf ZugDer Schrecken des 11. September 1944 wirkt heute noch in Ahrdorf nach
Vor 80 Jahren, am 11. September 1944, starben beim Angriff eines Jagdbombergeschwaders der Alliierten auf einen mit Zivilisten besetzten Personenzug bei Losheimergraben 28 Menschen. Darunter waren 15 Jungen und ältere Männer aus Ahrdorf sowie weitere Passagiere aus Kronenburg und Alendorf. Einzig zwei 16 Jahre alte Jugendliche aus Ahrhütte überlebten den Angriff. An die Ereignisse erinnern Gedenkveranstaltungen rund um den Jahrestag.
„Es muss ein Tag fast wie heute gewesen sein.“ Manfred Jehnen, Heimathistoriker aus Ahrdorf, steht mit Dietmar Schlecht, ebenfalls aus Ahrdorf, unter der Straßenbrücke der B265 kurz vor Losheimergraben und blickt Richtung Süden: Von Dümpelfeld über Jünkerath kam damals der Zug auf der seit der Eröffnung 1912 aus strategischen Gründen zweigleisig ausgebauten Strecke.
Der 11. September 1944 war ein Montag. Es war gegen 10 Uhr, morgendlicher Nebel hatte sich verzogen. Und genau hier, in einem Geländeeinschnitt, kam es vor 80 Jahren zu einer Katastrophe. Eine von vielen 1944 hinter der damaligen Westfront.
Jagdbombergeschwader attackierte am 11. September 1944 einen Zug
Manfred Jehnen und Dietmar Schlecht haben schon oft an dieser Stelle gestanden. Immer noch befällt sie ein Unbehagen. Denn was damals geschah, betraf auch ihre Familien: Gegen 7 Uhr an jenem 11. September 1944, so hat es Manfred Jehnen recherchiert, hatten 17 Ahrdorfer – der Jüngste war 14, der älteste 64 Jahre alt –, ausgestattet mit Hacke, Schaufel und Proviant, in Ahrdorf den Zug nach Jünkerath bestiegen, waren dort in Richtung Weywertz umgestiegen. Ihr Befehl: Schanzarbeiten bei Losheimergraben. Es sollten Panzergräben gegen die vorrückenden Truppen der Alliierten angelegt werden.
Schon am Bahnhof Hallschlag habe es eine Fliegeralarmwarnung gegeben, erkennbar an einer dort gehissten gelben Flagge, so Manfred Jehnen. Doch die 28 Zugpassagiere blieben im Waggon. Kurz vor Losheimergraben, gegen 9 Uhr, sei der Zug dann in einem Geländeeinschnitt unweit des damaligen Forsthauses von Losheimergraben abgebremst worden.
US-Thunderbolt-Geschwader griff Zug in Losheimergraben mit Splitterbombe an
2006 erhielt Manfred Jehnen einen Brief von Rolf Theres, einer der Söhne des damaligen Försters von Losheimergraben. Rolf Theres hat aufgeschrieben, was dann geschah. Die Brüder wollten, wie sie es immer taten, wenn sich ein Zug näherte, den Passagieren in den Waggons vom Bahndamm aus zuwinken. Dort, wo jetzt der Zug stillstand. Sie kamen zu spät.
Ein aus mutmaßlich vier Jagdbombern bestehendes Thunderbolt-Geschwader der US-Luftwaffe hatte den Zug entdeckt. Der Volltreffer einer Splitterbombe traf den Waggon. Überlebende versuchten, sich über den Bahndamm zu retten. Sie gerieten unter das Bordfeuer der Jagdbomber. Der verheerende Luftangriff forderte 28 Tote. Nur zwei 16-Jährige aus Ahrdorf überlebten.
Hubert Jehnen, der Vater von Manfred Jehnen, verlor ein Auge und wurde von Bombensplittern verletzt. Auch Adolf Frings überlebte und schilderte Manfred Jehnen später Details des schrecklichen Ereignisses. Unter den Toten aber war auch Mathias Jax, der Großvater mütterlicherseits von Dietmar Schlecht.
15 der 28 Opfer des Angriffs kamen aus Blankenheim-Ahrdorf
Teile der von der Wucht des Bombeneinschlags zerfetzten Körper seien bis in die Bäume und Sträucher des Bahndamms geschleudert worden, so Manfred Jehnen in seiner Dokumentation. 15 der 28 Opfer kamen aus Ahrdorf.
Zehn Frauen aus dem Dorf wurden an jenem 11. September 1944 zu Witwen, eine von ihnen stand fortan alleine da mit sieben Kindern. „Es war“, so Jehnen, „für Ahrdorf das Nine-Eleven“. Und das viele Jahre bevor sich eben dieses Datum 2001 mit den Terroranschlägen auf New York, Washington und Shanksville tief ins kollektive Gedächtnis brennen sollte.
Gedenkstein an der Ahrdorfer Hubertuskapelle erinnert an Opfer
Die sterblichen Überreste der Opfer von 1944 sind zunächst in einem Waggon bei Losheimergraben gelagert worden, der später von der US-Armee in Brand gesetzt worden ist. Danach sind die Opfer zunächst in Losheimergraben einer Kiste beigesetzt worden, bevor sie im Januar 1946 in einen Gemeinschaftssarg umgebettet und an der Ahrdorfer Hubertuskapelle beerdigt worden sind. Grab und Gedenkstein werden seitdem von der Dorfgemeinschaft gepflegt. So erinnert und mahnt das Ahrdorfer Grab an eines der vielen so sinnlosen Kriegsdramen, die in den vergangenen Jahrzehnten oft in Vergessenheit geraten sind.
Mit dem Krieg in der Ukraine, auch im Gaza-Streifen, aber seien die Ereignisse vom 11. September 1944 wieder näher gerückt, sagt Manfred Jehnen kurz vor dem 80. Jahrestag des Angriffs auf den Zug bei Losheimergraben. Zivile Opfer fordern diese beide aktuellen Kriege immer wieder, und diese sind nicht die Einzigen.
Tafel zeugt von der Geschichte der Bahnstrecke Dümpelfeld-Weywertz
Eine Erklärtafel unweit der Stelle, an der vor 80 Jahren der Luftangriff geschah, erinnert an die Geschichte der Bahnstrecke Dümpelfeld-Weywertz und zeigt ein Foto: Hubert Jehnen und Adolf Frings besuchten 1950 den Ort des schrecklichen Ereignisses. Manfred Jehnen besitzt das Original des Bildes. Die Bahntrasse war noch bis 2003 in Betrieb. Sie diente als Zuführung zum belgischen Truppenübungsplatz Elsenborn und für Holztransporte.
Die Forschung dazu ist für Jehnen längst nicht abgeschlossen. „Wir hoffen, dass wir vielleicht bei den Veranstaltungen zum Gedenktag neue Informationen bekommen über diejenigen der 28 Toten des Luftangriffes, deren Namen wir immer noch nicht kennen“, so Manfred Jehnen.
Es ist ein warmer Sommertag unter der heutigen Straßenbrücke der B265. Jehnen muss zur Seite treten. Radwanderer auf dem Kyllradweg, der hier über die Bahntrasse verläuft, passieren gut gelaunt auf ihren E-Bikes die Stelle, an der vor 80 Jahren das Grauen geschah. Hier, wie anderswo.
Warum die Uedelhovener überlebten
Unter den 28 Todesopfern des Jagdbomberangriffs auf den Personenzug waren keine Männer aus Uedelhoven. Und das, obwohl auch sie am Abend des 10. September 1944 die Aufforderung zu Schanzarbeiten bei Losheimergraben erhalten hatten und auch sie sich am Morgen des 11. September auf den Weg zum Bahnhof nach Ahrdorf gemacht hatten.
Ohne ihren Bürgermeister kamen sie jedoch am Bahnhof an. Doch eben der hätte die Gruppe zum Arbeitseinsatz begleiten müssen. Der Zug nach Jünkerath habe bereitgestanden und der Zugführer zur Weiterfahrt gedrängt, weiß Historiker Manfred Jehnen, der die Ereignisse recherchiert hat.
Zwei ältere Uedelhovener, Josef und Wilhelm Hellendahl, hätten da großen Mut bewiesen, so Jehnen – und zwar mit folgendem Zuruf: „He Jonge, wo wellt ihr dann hin. Wenn dä Schäfer net do ess, bruche de Schoof net ze fahre.“ Die Uedelhovener Gruppe sei diesem Rat gefolgt und habe sich auf den Rückweg gemacht.
Auf seinem Motorrad sei ihnen da der Uedelhovener Bürgermeister Daniels entgegengekommen, der den Männern schwere Vorhaltungen machte, so Manfred Jehnen. Denn einen Arbeitseinsatzbefehl zu missachten, bedeutete damals Lebensgefahr. Doch der Zug von Ahrdorf nach Jünkerath war schon lange fort.