Kreis Euskirchen – Ob die CDU im Vorfeld bewusst auf Suppe zur Stärkung am Wahlabend gesetzt hatte, damit keinem Christdemokraten das Essen beim Blick auf das Ergebnis im Hals stecken bleibt? Detlef Seif (CDU) war der Appetit trotz des historisch schlechten Abschneidens seiner Partei auf Bundesebene jedenfalls nicht vergangen. Schließlich hatte der Weilerswister das Direktmandat für den Wahlkreis 92 geholt – letztlich mit klarem Vorsprung, aber deutlichen Verlusten. Damit zieht Seif nach 2009, 2013 und 2017 das vierte Mal in den Bundestag ein. Dieser Erfolg fühlt sich aber wie eine krachende Niederlage an. Lediglich 34,6 Prozent der Erststimmen (Stand 23.10 Uhr) holte Seif. 2017 waren es 42,8 gewesen.
Trotz der herben Verluste war der Weilerswister zufrieden. „Das ist ein gutes Ergebnis“, sagte Seif am Sonntagabend im Kreishaus und fügte hinzu: „Wenn wir auf Bundesebene mein Erststimmenergebnis hätten, wären alle zufrieden.“
„Da gibt es auch nichts schönzureden“
Doch Konjunktive helfen in der jetzigen Situation den Christdemokraten nicht. Das hat auch Seif erkannt: „Intern müssen wir über alles reden. Da gibt es auch nichts schönzureden. Wie wir in der CDU einen Kanzlerkandidaten küren, ist verbesserungswürdig“, so Seif.
Noch deutlicher wurde Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings (CDU): „Das Bundesergebnis ist ein Desaster. Alles unter 30 Prozent ist zu wenig für den eigenen Anspruch.“ Ein „Weiter so“ könne es nicht geben. „Auf Kreisebene können wir froh sein, ein solches Ergebnis bei einem solchen Bundestrend geholt zu haben“, sagte der junge Christdemokrat.
Dagmar Andres ließ sich ihre Zigarette schmecken. Die Backwaren auf dem kalten Büffet der SPD ließ sie links liegen. Dabei hätte sie sich auch die schmecken lassen können. 26,6 Prozent der Erststimmen holte die 51-Jährige. Die Sozialdemokratin aus Erftstadt profitierte vom bundesweiten Aufwärtstrend der SPD in den vergangenen Wochen und wird über die Landesliste in den Bundestag einziehen. „Ich freue mich sehr auf die kommende Aufgabe. Für die Region ist es wichtig, dass wir drei demokratische und insgesamt vier Bundestagsabgeordnete aus dem Wahlkreis haben werden“, sagte Andres, die erstmals dem Bundestag angehören wird.
Bei der FDP setzte der Kreisvorsitzende Frederik Schorn auf Flüssignahrung. Um genau 19.56 Uhr knallten im Fraktionsbüro die Sektkorken. Die Liberalen feierten den Einzug von Markus Herbrand in den Bundestag. Der Gemünder sicherte sich seinen Platz ebenfalls über die Liste. Es sei in Anbetracht der Flutkatastrophe ein außergewöhnlicher Wahlkampf gewesen. Ob er durch die selbst auferlegte Zurückhaltung vielleicht Wählerstimmen verschenkt habe? „Gut möglich, aber ich würde es jederzeit wieder genau so machen“, antwortete Herbrand, dessen Flieger bereits um 8.50 Uhr am Montagmorgen in Richtung Berlin abhebt. 10,4 Prozent der Wahlberechtigten im Wahlkreis 92 stimmten letztlich für den Eifeler.
In Berlin war bereits am Sonntagabend Rüdiger Lucassen, der wegen des Bundesergebnisses der AfD ebenfalls über die Liste in den Bundestag einziehen wird: „Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis. Die Gesamtumstände waren angesichts der Polarisierung zwischen CDU und SPD nicht ganz einfach für uns.“ Der Bad Münstereifeler holte 7,9 Prozent der Erststimmen.
Den Einzug in den Bundestag verpasst hat Marion Sand von Bündnis 90/Die Grünen. Da sie keinen Listenplatz erhalten hatte, hätte sie schon das Direktmandat gewinnen müssen. Das verpasste sie deutlich, obwohl sie die drittmeisten Erststimmen im Wahlkreis (13,1 Prozent) holte. „Wir haben in diesem Wahlkampf viel gelernt“, sagte die Erftstädterin, die ihre Ratsarbeit fortsetzen möchte.
„Ein bitteres Ergebnis für uns Linke“
Auch Stefan Söhngen, Direktkandidat der Linken, war nicht zufrieden: „Das ist natürlich ein bitteres Ergebnis für uns Linke.“
Und wie geht es nun weiter – beispielsweise im Bund? „Die Regierungsbildung wird nur über die Grünen und uns gehen“, sagte FDP-Mann Herbrand am Sonntag selbstbewusst. Bis es aber eine Regierung gebe, könne viel Zeit vergehen. Herbrand schmunzelnd: „Dass Angela Merkel noch einmal eine Neujahrsansprache halten wird, halte ich gerade für eine reale Gefahr.“
Marion Sand von den Grünen glaubt, dass man sich bei Verhandlungen mit der FDP die Zähne ausbeißen könnte. „Das wird ein harter Kampf“, sagte sie. Auch Seif rechnet damit, dass die Regierungsbildung „sehr schwierig“ werden könne. „Auf demokratischer Basis bin ich für alles offen. AfD und Linke schließe ich aus unterschiedlichen Gründen aus“, so Seif. Genau wie eine Fahrgemeinschaft mit Rüdiger Lucassen. Daran habe sich bei ihm seit 2017 nichts geändert. Gleiches sagte auch Markus Herbrand.
Landrat Markus Ramers (SPD) freute sich gleich über zwei Dinge. Einerseits über das vor wenigen Wochen nicht für möglich gehaltene gute Ergebnis der Bundes-SPD („Da kommt der Sozi-Stolz raus“), vor allem aber darüber, dass nun vier Abgeordnete die Region im Bundestag vertreten werden. „Das hilft. Nicht nur, aber besonders in der jetzigen Situation“, so Ramers.