Car Friday an der Nordschleife„Wenn es nur noch E-Autos gibt, wird es traurig“
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Nürburgring – Um die 20.000 Motorsportfans kamen zum „Car Friday“, einer Veranstaltung ohne Veranstalter und ohne Kartenverkauf. Warum dann? Weil die Nordschleife bis Ostermontag für touristische Fahrten geöffnet ist – und das wollen Hunderte live erfahren. Und Tausende ihnen dabei zusehen.
„Wir sind ja die Vernünftigen!“ Lars, Norbert und Frank aus Erftstadt stehen auf dem Parkplatz unweit der Zufahrt zu den drei Schranken am Start-Ziel-Gebäude der Nordschleife des Nürburgrings und grinsen in die Frühlingssonne. Zwischen ihnen der BMW 135 i von Frank, 330 PS, Slimslick-Reifen, Überrollbügel, Sportfahrwerk, Sportsitze, Rennsportbremsen – kurz: „Fast alles raus, was vom Werk kommt“, grinst Frank und zitiert einen in der Tuner-Szene bekannten Spruch.
Erster Car Friday auf dem Nürburgring nach zwei Jahren Pause
Acht Minuten ist sein Rundenrekord auf der 20,83 Kilometer langen, kurvenreichen Bergauf-bergab-Strecke der Nordschleife, die er an diesem ersten Car Friday nach zweijähriger Coronapause endlich wieder abfahren will. „Wir sind im Sommer fast jedes Wochenende hier, wenn wir es schaffen“, so Kumpel Norbert.
Punkt zehn Uhr sollen die drei Fahrbahnen der Boxengasse zur Nordschleife freigegeben werden, das ist in ungefähr eineinhalb Stunden. Die Warteschlange vor dem kleinen Ticketcontainer für die Tageskarte wird stetig länger. Neben Parkplatzgebühren fallen am Car Friday sonst keine Gebühren an.
Vor dem Tageskartencontainer ist genau der richtige Standort für „Akagi“, wie Robinson aus Katzenellbogen seinen Honda Prelude, Baujahr 1996, nennt. Ein Serienfahrzeug – und es soll doch ein Unikat sein. Also hat der Lagerist vom Mittelrhein den Wagen innendrin komplett mit lilafarbenem Kunstfell verkleidet, eine 2200 Watt starke Lautsprecheranlage eingebaut, das Auto aber vor allem saharasandfarben lackiert. „Das soll an die Mitsubishi Zero, ein Kampfflugzeug der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg erinnern“, meint Robinson.
Er trägt einen Katzenohrenhaarreif, als wäre es Karneval. Das soll zu seinem lila-sandfarbenen „Akagi“ irgendwie passen, der nur einen Zweck hat: „Hier zu stehen und gut auszusehen!“ Robinson gibt zu, dass er „ein bisschen durchgeknallt“ ist. Immerhin gebe er „70 Prozent meines Monatslohns für das Auto aus“.
Besucher mieten für mehrere Wochen ein Haus am Nürburgring
Damit käme er allerdings bei den Fahrzeugen, die Peter und Thomas aus Duisburg gerade auf den wenigen noch freien Parkplätzen unmittelbar neben den Zufahrtsschranken zur Nordschleife abgestellt haben, nicht sehr weit. Thomas hat seinen leuchtend gelben Audi R8 Coupé mit V10-Motor, 610 PS und „ungefähr“ 350 km/h Höchstgeschwindigkeit mitgebracht. Der Wagen, Baujahr 2017, hat rund 230.000 Euro gekostet, weitere rund 45.000 Euro will er am Ende an aus seiner Sicht nötiger – legaler – Nach- und Umrüstung investiert haben. „Vor allem in die Bremsen, die sind das Wichtigste“, meint Thomas.
Wie er hat auch Kumpel Peter – 370Z Nissan, 390 PS, um die 300 km/h schnell – eine Jahreskarte für die Nordschleife. Und weil sie die in den kommenden Tagen ausgiebig nutzen wollen, haben sie kurzerhand für mehrere Wochen in Ringnähe ein Haus gemietet. „Für Frauen, Kinder, Katzen und alle Wertgegenstände“, schmunzelt Peter. Ein Einbruch zu Hause sei sinnlos, soll das bedeuten.
Sind die beiden jetzt im Sinne der drei Erftstädter vom Parkplatz nebenan „unvernünftig“? Peter und Thomas zucken nicht mal mit den Augenwinkeln. „Natürlich nicht! Uns geht es ja nicht um die Raserei auf der Schleife. Uns interessiert die das Material schonende Harmonie. Wir suchen die Ideallinie der Strecke.“ Wenn sie so unterwegs seien, seien sie am Ende eben nicht „fix und fertig“, sondern eher erholt.
Car Friday: Ferraris und ein Lamborghini am Nürburgring
Langsam geht es nun auf zehn Uhr zu, die Zufahrten zur Nordschleife füllen sich zunehmend, auch am Kreisverkehr mit dem ausgedienten verrosteten Radarblitzeranhänger mitten drauf wird der Verkehr immer dichter. Langsam heißt es sich einzureihen vor einer der drei Schranken, die noch die freie Fahrt auf einer der schönsten Rennstrecken der Welt versperren.
Ein halbes Dutzend Ferraris, dazu ein flunder-flacher Lamborghini röhren langsam auf den Kreisel zu. Ina und Claudia nicken sanft: „Ferrari erkenne ich schon am Motorgeräusch. Den muss ich gar nicht sehen“, strahlt Claudia. Die beiden Frauen sitzen entspannt auf Campingstühlchen und genießen die vorbeifahrenden Traumautos.
Das tun sie schon seit vielen Jahren hier und am Car Friday, wie es Hunderte an der Bundesstraße diesseits der Tribünen und der Ring-Bauten wie Hotels, „Ring-Boulevard“ und historischem Fahrerlager tun. Dieses Fan-Spalier muss mit seinem Fahrzeug passieren, wer danach zu den Parkplätzen an der Nordschleife abbiegen will.
„Wenn es nur noch Elektroautos gibt – das wird einfach nur noch traurig“
Schöne Autos sehen, auch für Ina und Claudia ist das die Quintessenz eines gelungenen Car Friday. Dass das Gesehen werden dazu gehört – kein Problem. Angereist sind die beiden Sauerländerinnen standesgemäß in Claudias Audi A3, 3.2 Liter, 250 PS.
Dass es unterdessen aus Sportauspuffen knallt und kracht und immer wieder getunte Motoren aufheulen – das soll so sein, meint Ina: „Sonst könnten wir ja auch direkt zum Möhnesee fahren“. Geplant ist diese erste „Begutachtung“ bis zum „Mittagspäuschen“. Dann folgt die Nachmittagssitzung. „Wenn es nur noch Elektroautos gibt – das wird einfach nur noch traurig“, befürchtet Claudia, während sie einem silbernen Porsche hinterherschaut.
„Mögen die Osterfestspiele beginnen“, tönt es pünktlich um zehn Uhr endlich aus dem Lautsprecher des Streckensprechers. Die Schranken gehen hoch. Wenige kurze Minuten später atmen Benedikt und die Kumpels aus Wiesbaden am „Stefan Bellof S“ erleichtert auf: „Der Erste war ein Audi R8, der hatte um die 200 drauf“, meint Benedikt mit Kennerblick.
Natürlich hat die Clique die Vorbeifahrt an ihrem Standort unmittelbar am Schutzzaun auf einem erhöhten Damm genau registriert. Am frühen Morgen ist die Truppe in Wiesbaden gestartet. Vom Campingkocher für Weißwürste, Apfelwein, Bier und stilles Mineralwasser („fürs Kochen“) hat sie alles dabei. Jetzt genießen sie einfach ihr Glück. „Wunderbar! Endlich kann man wieder raus, nach zwei Jahren wieder die anderen Motorsportfreunde treffen und schöne Autos sehen.“
Blechliebe eben. Das gilt auch für Kevin und die zwölf Kumpels aus dem Münsterland, die sich schon am frühen Morgen ihren Standort am beliebten „Brünnchen“ gesichert haben. Hier kommen die Autos einen Hügel hinunter in eine wieder ansteigende, hängende Rechtskurve.
Ein Audi überschlägt sich am Nürburgring – Strecke 45 Minuten gesperrt
Zu viel für den Fahrer eines schwarzen Audis. Um kurz vor elf Uhr verliert er die Kontrolle über sein Fahrzeug. Der Wagen überschlägt sich, kommt an der Leitplanke zum Stehen. Auch Benedikt und die Kumpels haben den Atem angehalten. „Der ist aber ausgestiegen, offenbar – wenn überhaupt – nur leicht verletzt. Der Überrollbügel hat ihn gerettet“, so Benedikts Beobachtung.
Eine gute dreiviertel Stunde lang ist die Strecke gesperrt. Mit einem Kran muss das schrottreife Fahrzeug geborgen werden. Zuschauer stehen da schon seit Minuten dicht an dicht am Schutzzaun und haben alles mit ihren Smartphones gefilmt. Auch „Vernünftige“, wie die drei aus Erftstadt auf dem Parkplatz?
Sprecher der Nürburgrings: Friedliches Volksfest der Motorsportfreunde
Aus Sicht von Alexander Gerhard, Head of Communicaton der Nürburgring GmbH & Co. KG, die nicht Veranstalter des Car Friday ist, aber die Fahrten auf der Nordschleife zulässt, ist ein solcher Unfall nichts Ungewöhnliches. Das passiere immer wieder bei den Touristenfahrten. „Der Karfreitag insgesamt war aus meiner Sicht dennoch ein friedliches Volksfest der Motorsportfreunde.“
Auch für Hunderte Sicherheitsleute entlang der Strecke, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes und vor allem die Beamten der Polizeidirektion Mayen war alles so wie vor Corona.
Schon die Zufahrtsstraßen wurden von der Polizei überwacht und gezielt auffällig wirkende, getunte Fahrzeuge aus dem Verkehr gefischt. Alles zugelassen, was nachträglich am Fahrzeug verändert worden ist?