Kreis Euskirchen – Eigentlich hatte der Kreis Euskirchen vorgesorgt. „Ab einer Inzidenz von 50 sind die Gesundheitsämter überlastet“, hieß es zu Beginn der Pandemie vonseiten der Politik. Der Kreis baute deshalb ein Corona-Team auf, das auch bei Inzidenzen von 80 bis 100 noch das Infektionsgeschehen abbilden konnte. Doch die aktuelle Inzidenz liegt um ein Vielfaches höher. „Wir bräuchten das Zehnfache an Stellen, um hinterherzukommen“, sagt Stephan Schmitz, stellvertretender Leiter des Corona-Teams.
Knapp 30 Menschen erfassen für den Kreis Euskirchen die Corona-Zahlen. So viele, dass das Team, das zunächst im Sitzungssaal, später im Kreishaus verteilt saß, mittlerweile an einem eigenen Standort untergekommen ist. Jeden Tag, von Montag bis Sonntag, muss das Team rund 300 Meldungen bearbeiten, ein Drittel davon noch auf Papier.
„Alleine sechs Leute machen nichts anderes, als nur Eingaben zu verarbeiten“, sagt Schmitz. Ein und derselbe Fall muss gleich mehrfach angepackt werden, beispielsweise wenn ein Arzt einen Infektionsverdacht meldet, das Laborergebnis kommt, wenn eine Schule oder ein Arbeitgeber oder der Betroffene selbst anruft. Das alles wird eingetragen. Hinzu kommen auch noch Änderungsmeldungen, etwa bei Wohnortwechseln oder Aktualisierungen des Labors.
Keine Kontaktverfolgung im Kreis Euskirchen
Bis vor Kurzem wurde auch noch die Kontaktnachverfolgung vom Corona-Team übernommen. Ein Ermittlungsgespräch dauerte rund 45 Minuten. Darauf wird angesichts der neuen Quarantäneregeln verzichtet. Das Startmeldedatum einer Infektion ist nämlich der erste Tag mit Symptomen. Geht man dann zum PCR-Test, auf dessen Ergebnis man mittlerweile bis zu drei Tage wartet, ist die Quarantäne beinahe schon beendet, bevor der Kreis überhaupt mit der Kontaktnachverfolgung beginnen könnte. Hinzu kommt, dass die neue Virus-Variante alles beschleunigt hat. „Du hast keine Chance mehr, etwas zu machen, denn Omikron ist schneller“, sagt Schmitz.
„Früher stand der Infektionsschutz im Vordergrund, wir konnten Infektionsketten nachbilden, davon müssen wir uns verabschieden“, sagt Teamleiter Udo Gallmüller. Das sei ohne Kontaktnachverfolgung, für die oft auch detektivischer Spürsinn erforderlich war, nicht mehr möglich. „Ausbruchsgeschehen sind so nicht mehr verifizierbar“, sagt Schmitz. Und wenn dann demnächst nur noch priorisierte Gruppen PCR-Tests erhalten, dann werde die ohnehin schon hohe Dunkelziffer weiter steigen. Denkbar sei aber bei der neuen Teststrategie, die der Bund gerade ausarbeitet, dass Selbst- und Bürgerschnelltests in die Statistik mit einfließen – auch die haben aktuell großen Zulauf. „Im Januar wurden in den Bürgertestzentren im Kreis 137 000 Schnelltests vorgenommen. Davon waren 0,6 Prozent positiv. Wir sprechen also von 800 Fällen“, fasst Schmitz zusammen.
Mitarbeiter fangen keine Infektionen mehr ab
Die Motivation innerhalb des Teams, das aus „Überzeugungstätern“ bestehe, habe sich verändert. „Mitarbeiter haben wegen der hohen Inzidenz ihren Urlaub abgebrochen. Viele haben Wochenenddienste geschoben. Damals konnten wir mit diesen Maßnahmen noch Infektionen abfangen“, sagt Gallmüller. Heute erfassen immer noch drei bis vier Mitarbeiter samstags und sonntags die Fälle. In Sachen Überstunden gehe man mittlerweile bedacht vor. „Wenn die Sinnhaftigkeit des Tuns nachlässt, dann besteht der Antrieb nicht mehr so.“ Immerhin im Sommer habe man durchatmen können. Heute sieht das anders aus. „Man ist platt, da geht nichts mehr“, sagt Gallmüller.
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Die Kritik an der Arbeit des Corona-Teams zehrt auch an den Nerven. „Das Gesundheitsamt meldet sich nicht“ oder „Die Zahlen sind doch gewürfelt“ beziehungsweise „Die Zahlen sind von der Regierung vorgegeben“ lauten Vorwürfe, die der Kreis Euskirchen immer wieder unter den täglichen Facebook-Postings liest. Andere bezeichnen die Statistik als reine Panikmache. Für Stephan Schmitz sind das einfach nur nackte Zahlen.
PCR-Tests noch aktuell
Der Meldeweg sieht so aus: Die ersten Ermittlungen werden schon bei einem positiven Selbsttest, von dem der Kreis Kenntnis erhält, eingeleitet. Dieser wird aktuell noch mit einem PCR-Test bestätigt. Sobald ein positiver PCR-Befund da ist, wird ein automatisiertes Hinweisschreiben per E-Mail oder per Post versendet. „Die Neuinfektionen von heute sind die Post von morgen“, sagt Schmitz.
Mittags folgt eine Auswertung vom Kreis, die alle Fälle seit dem Mittag des Vortages beinhaltet. Diese geht an die Pressestelle zur Veröffentlichung sowie an das Landeszentrum Gesundheit (LZG), das die Fälle nach vorgegebenem Meldedatum einsortiert. Früher war das mal das Datum des Ausbruchsgeschehens, heute ist es je nachdem der Tag, an dem die Symptome begonnen haben, der Tag, an dem der PCR-Test gemacht wurde, oder sogar der Tag, an dem der Kreis Kenntnis vom Fall erhalten hat. Intern wertet der Kreis auch die Zahlen nach Kommunen und Kreis aus. Viermal pro Tag werden die Fälle an das LZG übermittelt. Das Robert-Koch-Institut veröffentlicht auf Basis der Fallzahlen des ganzen Tages dann gegen Mitternacht seine aktuelle Inzidenz.