Der Kreis Euskirchen hat die leerstehende Eifelhöheklinik angemietet, falls es zu einer erneuten Corona-Welle kommt.
Dieser Plan, so der Bund der Steuerzahler, klinge auf dem Papier erst einmal gut.
Allerdings fehle noch ein Betriebskonzept – Es gibt noch viele offene Fragen.
Kreis Euskirchen/Marmagen – Der nordrhein-westfälische Bund der Steuerzahler kritisiert die Anmietung der leer stehenden Eifelhöhen-Klinik durch den Kreis Euskirchen. Das Gebäude soll als Reserve-Klinik für den Fall dienen, dass die drei hiesigen Krankenhäuser durch eine zweite Corona-Welle überrollt werden. Träte der Super-GAU ein, so der Plan, könnten Kapazitäten freigeräumt werden, indem Non-Covid-Patienten in die ehemalige Reha-Klinik nach Marmagen verlegt werden.
Dieser Plan, so der Bund der Steuerzahler, klinge auf dem Papier erst einmal gut. Allerdings fehle noch ein Betriebskonzept. „Wäre die Erstellung eines solchen Konzepts aber nicht vor der Anmietung sinnvoll gewesen?“, fragt der Bund der Steuerzahler. Einen faden Beigeschmack bekomme die Anmietung zusätzlich durch die Intransparenz in Sachen Kosten. Konkrete Zahlen habe der Kreis auf Anfrage des Bundes der Steuerzahler nicht genannt. Experten seien jedoch sicher, dass die Anmietung einen fünfstelligen Euro-Betrag pro Monat koste und die Nebenkosten ein Vielfaches betrügen.
„Wie teuer ist diese Kiste?“
„Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste – aber wie teuer ist diese Kiste?“, fragt der Bund der Steuerzahler. Manfred Poth, Allgemeiner Vertreter des Landrats, nennt auf Anfrage der Redaktion konkrete Zahlen. Die Mietkosten beziffert Poth mit 10 000 Euro pro Monat. Gegengerechnet würden aber notwendige Investitionskosten, die der Vermieter, die Bonner Eifelhöhen-Klinik AG, hätte übernehmen müssen. So könne der Kreis bedarfsgerecht Anschaffungen bis zu einer Höhe von maximal 100 000 Euro vornehmen. Nutze der Kreis den Rahmen aus, zahle er im Gegenzug zehn Monate keine Grundmiete.
Bei den Nebenkosten, die der Bund der Steuerzahler mit einem Vielfachen der Grundmiete beziffert, kalkuliert der Kreis mit 20 000 Euro pro Monat. Wird die Klinik belegt, würden die natürlich steigen. Allerdings kämen dann auch Einnahmen über die Fallpauschalen herein. Der Kreis habe eine Reihe anderer Möglichkeiten „angeprüft und gerechnet“. Poth: „Günstiger als in der Eifelhöhen-Klinik geht es nicht, sowohl finanziell als auch bei der Umsetzung.“ Daher habe man mit dem Kreistagsbeschluss die Chance genutzt und das Gebäude für ein Jahr gemietet. Zum 31. Dezember gebe es ein Sonderkündigungsrecht. Nach dem 31. Juni 2021 könne der Kreis den Mietvertrag monatlich verlängern.
Kritik an Planung
Zu den heftigen Kritikern des Projekts gehört der Kaller SPD-Kreistagsabgeordnete Karl Vermöhlen. Vermöhlen, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin und Chefarzt einer 20-Betten-Abteilung einer Klinik im belgischen St. Vith, hält gar nichts von dem Plan. „Im März“, so Vermöhlen, „als die Infektionszahlen exponentiell stiegen, wäre eine solche Planung als Vorsorgemaßnahme gut und richtig gewesen.“ Doch selbst zur akuten Pandemie -Zeit habe es im Kreis nur 50 bis 60 Patienten in den Krankenhäusern gegeben. Da habe die Auslastung noch unter 50 Prozent und der Bestand an freien Betten bei mindestens 400 gelegen.
Aus Sicht Vermöhlens ist eine derartige Corona-Katastrophe höchst unwahrscheinlich. „Dazu müsste ja praktisch über dem Kreis Euskirchen eine Bombe mit Covid-Viren explodieren.“ Bei aller Wertschätzung für das Projekt des früheren Kreisbrandmeisters Udo Crespin, der als Leiter des Führungsstabs des Kreises das Eifelhöhen-Klinik-Projekt angestoßen hat: Die Gefahr eines flächendeckenden Super-GAU ist aus Sicht Vermöhlens nicht mehr gegeben. Vermöhlen: „Wir hatten am 1. Juli keinen einzigen Covid-Patienten mehr in einer Klinik im Kreis.“
Viele offene Fragen
Und sollte es im Kreis Euskirchen trotzdem zu einem massiven Anstieg der Erkrankungen kommen? Vermöhlen: „Dann ist der Kreis keine Insel.“ Wenn die drei Krankenhäuser im Kreis es nicht schafften, gebe es genug Kliniken in Aachen, Köln, Düsseldorf oder Bonn.Auch der Plan selbst missfällt Vermöhlen: „Welche Patienten sollen denn in die Klinik?“ Patienten, die kurz vor der Entlassung stehen, würden doch wohl eher nach Hause zurückkehren, als in eine ehemalige Reha-Klinik, in der es nur wenig mehr als Betten gebe. Und zum Fall der bei der Planung zugrunde gelegten Katastrophe fragt Vermöhlen: „Wer soll denn dann die Patienten pflegen?“
In einem solchen Fall werde es ganz sicher nicht ausreichend Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger für Marmagen geben. Manfred Poth weist sowohl die vorsichtige Kritik des Bundes der Steuerzahler als auch die deutlich heftigere von Vermöhlen zurück: „Wir wollen Vorsorgeplanung betreiben.“ Bei der Pandemie-Planung habe es ein Defizit gegeben. Poth: „Wir sind bisher im Kreis mit einem blauen Auge davongekommen – aber auch deshalb, weil wir an der einen oder anderen Stelle Glück gehabt haben.“ Er denke dabei etwa an die Corona-Infektionen in den Zentralen Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge oder bei den Euskirchener Mennoniten. Poth: „Es hätte auch schlecht laufen können.“
Notfalls auch für Quarantäne
Udo Crespin habe auf Defizite hingewiesen und eine Lösungsmöglichkeit aufgezeigt, die den Kreis in die Lage versetze, im Katastrophenfall binnen 72 Stunden reagieren zu können – selbst im Fall der Stufe 5, dem Zusammenbruch der staatlichen Systeme. Daher sei die Immobilie ein Glücksfall. Schon aus Personalgründen sei eine zentrale Lösung besser als dezentrale Alternativen. Und es gehe keineswegs nur um Krankenhauspatienten. Auch die Unterbringung von Pflegebedürftigen, wenn es etwa Pflegeheime treffe, sei durchaus eine Option. Selbst als Quarantäne-Einrichtung könne die Klinik dienen.
Laut Poth gibt es mehrere andere Kreise, die ähnliche Wege gehen. Und interessant sei die Klinik nicht nur für den Kreis. Über die Bezirksregierung habe man derzeit angefragt, ob nicht auch das Land im Notfall auf das Objekt zurückgreifen wolle – bei entsprechender Kostenbeteiligung natürlich.