Geröll blockierte GrundablassZukunft der Steinbachtalsperre ungewiss
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Euskirchen/Steinbachtalsperre – „Die Menschen haben Angst vor der Steinbachtalsperre“, sagte Petra Kalkbrenner, Vorsitzende der Verbandsversammlung des Wasserversorgungsverband Euskirchen-Swisttal (WES) und Bürgermeisterin der Gemeinde Swisttal. Bei der Pressekonferenz mit Markus Böhm, Geschäftsführer der e-regio, sowie dem Euskirchener Bürgermeister Sacha Reichelt und Ingenieur Christian Lorenz stellte Kalkbrenner die Zukunft der Steinbachtalsperre in ihrer bisherigen Form als Brauchwasserspeicher infrage.
Damit ist auch die Zukunft des Euskirchener Waldfreibads ungewiss. „Ich persönlich würde das Schwimmbad gerne erhalten, aber wir müssen über alles reden“, sagte Reichelt. So sei denkbar, dass die Talsperre künftig ausschließlich als Hochwasserschutz diene. Das Freibad wird laut Reichelt aus der Talsperre gespeist und benötigt einen gewissen Pegelstand. Auch als Naherholungsgebiet wird die Steinbach auf unbestimmte Zeit an Attraktivität verlieren. Die Bezirksregierung Köln hat ein Anstauen von Wasser untersagt.
Scharte muss errichtet werden
Zudem muss ein neues Überlaufwerk, eine Scharte, errichtet werden, um den Damm zu sichern. Die Scharte wird laut Ingenieur Christian Lorenz eine maximale Breite von 42 Metern haben. Im unteren Bereich, ungefähr dort, wo sich auch der Grundablass befindet, wird die Scharte eine Breite von 7,50 Meter aufweisen.
Die Sicherungsmaßnahmen kosten laut e-regio-Chef Böhm etwa 500.000 Euro und sollen bis Ende August abgeschlossen sein. Da eine Brücke nicht vorgesehen sei, wird man zunächst nicht mehr um die Talsperre spazieren können.
Damit die Standfestigkeit des Damms nicht gefährdet wird, darf künftig das Wasser maximal bis 274,70 Meter ü NN gestaut werden. Das sind vier Meter weniger als bisher. Sollte sich das Wasser auf die neue Höhe durch ein Starkregenereignis anstauen, würden laut Ingenieur Lorenz etwa 85 000 Liter pro Sekunde in den Steinbach fließen. Das hätte laut Lorenz starke Überschwemmungen zufolge. Damit das aber passiert, muss es jedoch noch deutlich intensiver regnen als am 14. Juli, denn derzeit ist die Steinbachtalsperre leer.
Die zufließenden Wassermengen werden aktuell über den Grundablass abgeleitet. Sollte mehr Wasser zufließen, als über das maximale Abgabevolumen des Grundablasses abgeleitet werden kann, besitzt das Bauwerk ein Stauvolumen von etwa 600 000 Kubikmetern Wasser. „Das ist ein wirklich guter Hochwasserschutz, sollte es zu erneuten starken Regenfällen kommen. Bewusst gestaut wird nicht“, sagt Lorenz.
Gerüchten widersprochen
Die e-regio betreibt die Steinbachtalsperre. Ihr Geschäftsführer Böhm widersprach Gerüchten, dass der Grundablass schon vor dem Starkregen am 14. Juli beschädigt gewesen sei. „Bis er durch die Erd- und Geröllmassen verschüttet worden ist, hat er funktioniert. Die Erde türmte sich nach dem Überlaufen der Krone auf der Luftseite des Damms bis zu sechs Meter über dem Tosbecken auf. Das hat den Grundablass verschüttet“, sagte er. Als die Krone ab etwa 20 Uhr überflutet wurde, löste sich nach und nach die Dammbefestigung. Fünf Tage lang drohte anschließend der Damm zu brechen. Durch den Einsatz eines Mechernicher Tiefbauunternehmers, der den Grundablass unter Einsatz seines Lebens frei baggerte, und das Abpumpen von enormen Wassermengen durch Feuerwehr sowie THW wurde der Druck auf den Damm letztlich so reduziert, dass er hielt.
„Die Überflutung des Damms konnte durch keine Maßnahme verhindert werden. Es war ein Starkregenereignis, dessen Folgen nach bisherigem menschlichem Ermessen nicht abzuschätzen war“, so Böhm. Man habe in den Tagen vor dem Starkregen den Pegel so gesenkt, dass er etwa 70 Zentimeter unter dem Betriebsstauziel liege. Das entspreche einen Volumen von 200 000 Kubikmetern. Dennoch sei am Mittwoch, 14. Juli, gegen 18.10 Uhr abzusehen gewesen, dass der Damm „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ überflutet werde. Was letztlich auch geschah. Maximal seien 120 000 Liter pro Sekunde aus der Talsperre geflossen. Zum Vergleich: Über den Grundablass dürfen laut Böhm gemäß Betriebsplan maximal 500 Liter pro Sekunde abgegeben werden. Drei Liter pro Sekunde seien im Normalfall vorgeschrieben, damit der Steinbach nicht austrockne.
Böhm betonte, dass die Steinbachtalsperre „in keinem Hochwasserschutzkonzept eingeplant sei.“ Die 1936 in Betrieb genommen Talsperre diente der Tuchindustrie zur Versorgung mit Brauchwasser. Heute werden regionale Industriekunden und Landwirte mit Brauchwasser beliefert. Sie beziehen zusammen laut Reichelt, der auch Verbandsvorsteher des WES ist, etwa 200 000 Kubikmeter Wasser pro Jahr. „Der wirtschaftliche Nutzen ist nicht mehr so gegeben wie früher“, sagte er.
Chronologie
In der Pressekonferenz schilderte der Geschäftsführer der e-regio, Markus Böhm, den 14. Juli aus Sicht des Betreibers der Steinbachtalsperre.
16.35 Uhr: Der Pegel erreicht das Betriebsstauziel (278,88 Meter üNN). Das Wasser läuft ab diesem Moment über die Hochwasserentlastung in den Steinbach.
17 Uhr: Der Pegel ist um 18 Zentimeter gestiegen. Das entspricht einer Wassermenge von 300 Litern pro Sekunde, die über den Überlauf abgeleitet wird. Das meldet die e-regio an Bezirksregierung und Erftverband.
18.10 Uhr: Die Bezirksregierung wird informiert, dass der Damm mit hoher Wahrscheinlichkeit überflutet wird. Auch die Leitstelle wird in Kenntnis gesetzt. Eine Stunde später steht laut e-regio fest, dass der Damm innerhalb der nächsten Stunden überflutet wird. Stetiger Austausch mit dem Krisenstab des Kreises und den Kommunen Euskirchen und Swisttal.
20 Uhr: Kronenstau: Anschließend läuft die Talsperre bis 23 Uhr über. Bis zu 120 000 Liter Wasser pro Sekunde bahnen sich ihren Weg. (tom)
Der Sicherheitsstandard der Talsperre sei hoch, berichtete Böhm. Pro Jahr werden laut dem Geschäftsführer mehr als 13 000 Werte an 200 Messstellen gesammelt – beispielsweise die Wasserstände sowie die zu- und ablaufende Wassermengen. Zudem werde jedes Jahr eine Sicherheitsprüfung durch einen externen Gutachter durchgeführt. Entsprechende Gutachten – auch aus dem Jahr 2021 – lägen der Bezirksregierung vor.
Kreis Euskirchen: Anlaufstellen und Beratung
Hotlines des Kreises Euskirchen: Bürgerfragen, Helfer
Beratung bei seelischen Krisen in der Hochwasser-KatastropheViele Menschen haben in dieser Zeit sehr belastende Erfahrungen gemacht und teilweise traumatische Situationen erlebt. Das Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen bietet unter folgender Telefonnummer entsprechende Hilfe an:
In Teilen des Kreises ist die Stromversorgung noch unterbrochen. Betroffen sind vor allem noch Bad Münstereifel und die Euskirchener Innenstadt.
Hotline der Bezirksregierung
Für Betroffene der Flutkatastrophe hat die Bezirksregierung Köln eine Hotline eingerichtet. Unter 0221/1472206.
Bargeld-Versorgung
Dokumente und EC-Karte von der Flut weggeschwemmt – was nun? Immer mehr Menschen im Kreis melden sich bei den Kreditinstituten, weil sie nicht wissen, wie sie an Bargeld kommen. Aber auch die Institute selbst sind in hohem Maße vom Hochwasser betroffen. Zahlreiche Geldautomaten funktionieren nicht, ganze Filialen sind aufgrund der Zerstörungen geschlossen. Was können die Betroffenen tun, um an Geld für das Lebensnotwendige zu kommen? Ein Überblick.
Wie es mit dem Areal weitergeht, liegt im Verantwortungsbereich der Eigentümer. Die Verbandsversammlung des WES wird darüber entscheiden. Eine Entscheidung sei für dieses Jahr nicht mehr zu erwarten, sagte der e-regio-Chef. Er fügte hinzu: „Die künftige Nutzung wird sicherlich Einfluss auf den künftigen Betreiber haben. Sollte die Steinbach nur dem Hochwasserschutz dienen, ist sie für uns wirtschaftlich nicht attraktiv.“ Erst nach der Entscheidung und der konkreten Planung der Maßnahmen, ließen sich Dauer und Kosten für die Sanierung seriös abschätzen, so Böhm.
Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt sagte, dass es bei der Steinbachtalsperre keine Tabus gebe. Er hoffe aber, dass der Naherholungsfaktor erhalten bleiben könne. „Der Hochwasserschutz steht über allem“, so der Verwaltungschef, der den Zusammenhalt der Menschen lobte.