Die Landtagsabgeordnete Grothus fordert eine konsequente Strafverfolgung. Die Gesellschaft müsse sich Hass und Hetze entgegenstellen.
Zahl mehr als verdoppeltSorge wegen drastischen Anstiegs rechtsextremer Straftaten in Rhein-Erft

In Brühl sind in den vergangenen Jahren Stolpersteine immer wieder beschmiert worden.
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Die Zahl der rechtsextremen Straftaten im Rhein-Erft-Kreis hat sich 2024 mehr als verdoppelt. 97 Delikte hat die Polizei erfasst, im Jahr zuvor waren es 43. Diese Zahlen hat die Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen beim NRW-Innenministerium abgefragt.
„Die hohe Zahl der rechtsextrem motivierten Straftaten ist alarmierend. Es ist beschämend und muss ein Weckruf sein, dass auch hier bei uns im Rhein-Erft-Kreis die Zahl der Taten gestiegen ist“, sagte Antje Grothus, Landtagsabgeordnete aus Kerpen.
Ich bin dankbar, dass sich auch im Rhein-Erft-Kreis viele Menschen in Bündnissen gegen rechts und für eine vielfältige Gesellschaft einsetzen
Sie fordert eine konsequente Strafverfolgung und dass sich die Gesellschaft immer und überall Hass und Hetze entgegenstellen müsse. „Bei uns darf kein Platz für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sein. Ich bin dankbar, dass sich auch im Rhein-Erft-Kreis viele Menschen in Bündnissen gegen rechts und für eine vielfältige Gesellschaft und starke Demokratie einsetzen,“ sagte Grothus.
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Eines dieser Bündnisse ist die parteiübergreifende Initiative „Gemeinsam für Brühl“. Ihr gehört unter anderem Susanne Bourier an. Aus ihrer Sicht könne sich die extreme Rechte in Deutschland auf eines fest verlassen: „Jedes Mal, wenn die neuesten Zahlen veröffentlicht werden, schwappt eine Welle von Empörung, Entsetzen und kollektivem Kopfschütteln durchs Land. Um dann wieder abzuebben und von anderen Themen verdeckt zu werden.“

Susanne Bourier engagiert sich in der Initiative „Gemeinsam für Brühl“
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Die kürzlich vorgenommenen „massiven Kürzungen“ im sozialen Bereich würden das Problem in Zukunft noch verschärfen, sagte Bourier. Dies gelte insbesondere für eine der wichtigsten Zielgruppen der Rechtsextremen: die Jugendlichen. Wer verunsichert sei, sich chancenlos in einer immer komplexer werdenden Welt fühle, sei empfänglich für Botschaften, die Zugehörigkeit, Heimat und Sicherheit versprächen.
Die Brühlerin kritisiert: „Die wohlfeilen Ankündigungen der Landesregierung, präventiv in den sogenannten Sozialen Netzwerken aktiv zu werden, zeigt bislang wenig bis gar keine Wirkung. Da kommt einfach zu wenig.“ Das sei der eigentliche Skandal hinter den Zahlen.
Widerspruch muss Pflicht sein
Vor diesem Hintergrund seien mehr denn je die Bürgerinnen und Bürger gefordert: „Widerspruch muss Pflicht sein: in den Medien, am Arbeitsplatz, in der Schule, im Sportverein, an der Theke. Menschenfeindliche Parolen und rechtsextreme Fake News dürfen nicht unkorrigiert stehen bleiben.“ Wer sich einreden lasse, dass man „wegen der vielen Ausländer nicht mehr auf die Straße kann, ohne getötet oder vergewaltigt zu werden“ und „wer tatsächlich an so einen Unsinn wie ‚Umvolkungspläne‘ glaubt“, verbreite die Botschaft des Rechtsextremismus.
Landesweit sind die politisch rechts motivierten Straftaten nach Angaben des Innenministeriums um fast 60 Prozent auf einen Höchststand von 5641 Straftaten seit der Einführung des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes zur politisch motivierten Kriminalität gestiegen (2023 waren es 3549).

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Antje Grothus fordert eine konsequente Strafverfolgung rechtsextremer Straftaten.
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Grothus ergänzt: „Jeden Tag werden in NRW 15 rechtsextreme Straftaten begangen. Seit 2001 das Erfassungssystem für politisch motivierte Kriminalität eingeführt wurde, hat es nie so dramatisch hohe Zahlen gegeben wie heute.“ Das zeige: „Der Rechtsextremismus ist weiterhin die größte und eine wachsende Gefahr für unsere Demokratie. Diese Angriffe treffen unsere Nachbarinnen, Kollegen und Schulfreunde. Wir müssen als Gesellschaft diese Gewalt und Menschenfeindlichkeit stoppen.“
Aus Sicht des CDU-Innenpolitikers Gregor Golland aus Brühl ist der Anstieg der rechtsextremistischen Straftaten „erschreckend und Grund zur Sorge“. Die CDU-geführte Landesregierung habe in den vergangenen Jahren Polizei und Verfassungsschutz personell und materiell massiv gestärkt. „Derzeit arbeiten wir an einem neuen, modernen Verfassungsschutzgesetz zur weiteren Verbesserung der inneren Sicherheit“, sagt Golland. Er verspricht: „Unser Land, unsere Gesellschaft und unsere Demokratie sind und bleiben wachsam und wehrhaft gegen jede Form von Extremismus.“

Gregor Golland ist Innenexperte der CDU.
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Landrat Frank Rock, der zugleich auch oberster Dienstherr der Kreispolizeibehörde in Bergheim ist, wollte die Entwicklung nicht kommentieren. Ihm lägen keine belastbaren Daten vor, ließ der CDU-Politiker über eine Sprecherin mitteilen. Daher sei ihm eine Einschätzung zur regionalen Entwicklung im Vergleich zum Landesdurchschnitt nicht möglich.
Rocks Sprecherin verwies bezüglich einer Einschätzung an die Kreispolizeibehörde. Deren Sprecher teilte mit, dass das Polizeipräsidium in Köln zuständig sei, dort sitzt der Staatsschutz, der sich unter anderem um extremistische Kriminalität kümmert.
Aus der Domstadt hieß es 24 Stunden nach einer Anfrage dieser Redaktion, allein das Innenminsterium könne detaillierte Informationen geben, beispielsweise zu der Art der Straftaten und zur Verteilung in den zehn Städten des Rhein-Erft-Kreises. Eine Antwort aus Düsseldorf steht aus.
Eine andere Entwicklung hatte 2024 zu Besorgnis geführt: So war bekannt geworden, dass die Zahl der dokumentierten antisemitischen Vorkommnisse in NRW ist 2023 dramatisch gestiegen war. Der Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Rias lieferte bedrückende Beispiele, unter anderem aus Brühl.
Über mehrere Monate hinweg seien in der Schlossstadt Stolpersteine, die an jüdische Opfer des Nationalsozialismus erinnern, beschädigt und beschmiert worden. So sei zunächst am 20. Juli festgestellt worden, dass ein Stolperstein in der Uhlstraße mit dem rechtsextremen Zahlencode „88“ („Heil Hitler“) beschmiert worden war. „Knapp zwei Monate später wurden derselbe und ein weiterer Stolperstein mit schwarzer Lackfarbe übersprüht und damit unleserlich gemacht“, heißt es in dem Bericht.
Am 22. November schließlich seien drei Stolpersteine in der Kölnstraße mit einer roten Flüssigkeit beschmiert worden, bei der es sich offenbar um echtes Blut handelte. Nicht selten seien es gerade diese dezentralen Erinnerungsorte, die immer wieder beschmiert und beschädigt werden, heißt es in dem Bericht.
2024 ist in ganz NRW ist die Zahl antisemitischer Straftaten massiv um 27 Prozent (547 in 2023, 695 in 2024) gestiegen. Es wurden 26 Prozent (269 in 2023, 338 in 2024) mehr islamfeindliche Straftaten verübt und 68 Prozent mehr queerfeindliche Straftaten erfasst (121 in 2023, 203 in 2024). (jtü)