Im Interview spricht Kölns Feuerwehrchef Christian Miller über die baufällige Feuerwache 1 und die komplizierte Suche nach einem Standort für eine Interimslösung.
Schlimmer als die Feuerwehr erlaubtSo marode ist die Kölner Innenstadt-Wache

Lose Kabel, geplatzte Leitungen, Löcher in der Decke – die Feuerwache 1 an der Agrippastraße in der Innenstadt fällt allmählich auseinander.
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- Der promovierte Chemiker Christian Miller ist seit 2019 Chef der Kölner Feuerwehr
- Die marode Feuerwache 1 an der Agrippastraße soll abgebrochen und an selber Stelle neu gebaut werden. Das dauert bis zu zehn Jahre. In dieser Zeit soll die Wache in ein Interimsgebäude ziehen.
- Als Standorte sind der Max-Dietlein-Park am Barbarossaplatz und eine Grünfläche an der Löwengasse nahe dem Waidmarkt im Gespräch – doch es regt sich Widerstand unter den Anwohnern.
Herr Miller, Sie haben schon vor fünf Jahren gesagt, man könne in der Feuerwache 1 nicht mehr vernünftig arbeiten. Warum nicht?
Christian Miller: Die Feuerwache 1 ist baulich in einem so schlechten Zustand, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die Rohrleitungen sind kaputt, ständig tritt Wasser irgendwo aus, auch Schmutzwasser. In den Sanitärräumen haben wir immer wieder mit Keimen zu tun. Die Heizungsanlage ist kaputt und so alt, dass sie nicht mehr repariert werden kann, deshalb steht jetzt ein Container auf dem Hof, der die Wärme extern zuführt. Das Gebäude wurde 1962 für 59 Feuerwehrmänner errichtet und ist längst zu klein geworden, heute arbeiten dort 160 Männer und Frauen, die sich Umkleide- und Sanitärbereich teilen müssen. Das ist höchst unangenehm und eine Zumutung für alle, zum Beispiel, weil im Alarmfall beim Wechsel von der Dienst- zur Einsatzkleidung ein fast vollständiges Entkleiden notwendig ist. Oft geht es um Sekunden, da kann man sich auch nicht nacheinander umziehen. Aus Platzgründen lässt sich außerdem keine so genannte Schwarz-Weiß-Trennung auf der Wache umsetzen. Das bedeutet: Die kontaminierte Einsatzkleidung muss unmittelbar neben den Sozialräumen gelagert werden. Sie bleibt im Umkleidebereich hängen, das ist unser Kompromiss, um die Hygiene aufrecht zu erhalten. Aber das macht man so eigentlich heute nicht mehr. Da geht es um Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit.

Der Abbruch und Neubau der jetzigen Feuerwache soll bis zu zehn Jahre dauern.
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Die Wache soll perspektivisch abgebrochen und an gleicher Stelle neu gebaut werden, das alles soll bis zu zehn Jahre dauern. Die Einsatzkräfte müssen währenddessen in ein Interimsgebäude ziehen, als Standort war die ehemalige Kaufhof-Zentrale in der Leonard-Tietz-Straße im Gespräch. Warum ist dieser Plan gescheitert?
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Der Standort wäre ideal gewesen, er liegt ganz nahe an der jetzigen Feuerwache. Aber es ist ein Bestandsgebäude. Um den unteren Bereich für unsere Einsatzfahrzeuge und die Obergeschosse für Aufenthalts- und Sozialräume zu ertüchtigen, hätte es in erheblichem Maße umgebaut werden müssen. Wir hätten zwar nicht dieselben Maßstäbe angesetzt wie bei einem Neubau, sondern hätten sie auf ein Minimum der üblichen Standards für eine Feuerwache reduziert. Aus Kostengründen wurde dieser Ansatz dann nicht weiterverfolgt. Außerdem gab es Fragen zur Nachnutzung: Was passiert mit dem Gebäude, wenn die Feuerwache wieder rausgeht?

Der stellvertretende Wachleiter Andreas Gritschke beim Rundgang durch die Innenstadtwache.
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Jetzt sind als mögliche Standorte für das Interim der Max-Dietlein-Park nahe des Barbarossaplatzes und eine Grünfläche an der Löwengasse im Gespräch. Warum dort?
Es gab ein mehrjähriges und mehrstufiges Verfahren, wo nach vielen Alternativen in der Innenstadt gesucht wurde. Wir sind mit sieben oder acht Standorten gestartet, am Ende blieben außer der alten Kaufhof-Zentrale noch zwei übrig. Beide Standorte sind gut an den Verkehr angebunden und so günstig gelegen, dass wir den gesamten Bereich der Innenstadt von dort gut bedienen könnten.

Zu eng und keine Trennung nach Geschlechtern: Die Umkleideräume der Innenstadtwache sind schon lange nicht mehr zeitgemäß.
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Vor allem unter den Anwohnern und Nutzern des Max-Dietlein-Parks regt sich aber großer Widerstand gegen eine Containerwache der Feuerwehr. Verstehen Sie das?
Persönlich kann ich das gut nachvollziehen. Grünflächen in der Innenstadt sind rar und wichtig für die Menschen, die dort wohnen und für das Binnenklima. Nicht nur die Feuerwehr, die gesamte Stadtverwaltung nimmt diese Kritik sehr ernst. Wir haben die möglichen Interim-Standorte aber nicht leichtfertig entwickelt, es ist ein sorgfältiger Abwägungsprozess. Ich verstehe die Anwohner, aber ich hoffe, dass sie auch unsere Situation verstehen. Als Feuerwehr müssen wir die Notfallversorgung der Menschen sicherstellen, das ist unsere Kernaufgabe. Und das schaffen wir nur, wenn wir schnell ausrücken können. Man muss es so deutlich sagen: Es geht darum, Menschen zu retten, die in der Innenstadt lebensbedrohlich erkrankt oder verunfallt sind, Kinder, Erwachsene. Auch diejenigen, die im Moment vielleicht kein Sprachrohr haben, aber ein hohes Bedürfnis, im Notfall von uns versorgt zu werden. Ich hoffe, dass wir zu einem Ausgleich der Interessen kommen. Es geht darum, für eine gewisse Zeit, sieben bis zehn Jahre, einen Kompromiss zu ertragen, bis wir den Neubau beziehen können. Danach ist das Thema Interim ein für alle Mal erledigt.

Der Max-Dietlein-Park an der Kirche Sankt Pantaleon ist als Standort für eine Interims-Containerwache der Feuerwehr im Gespräch.
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Und wenn beide Standorte scheitern sollten, so wie die alte Kaufhof-Zentrale? Was dann?
Sämtliche Alternativen sind geprüft, wir brauchen jetzt eine Entscheidung. Die jahrelange Planung spitzt sich zu. Ich wünsche mir einen Kompromiss. Auch wir sind zu Kompensationsmaßnahmen bereit, etwa wenn es um das Thema Lärmemission geht.

Geflickter Steinboden in der Wagenhalle der Feuerwache 1.
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Aber mal angenommen, der Park und die Löwengasse scheitern im Stadtrat: Könnte ein Interimsstandort in letzter Konsequenz auch juristisch durchgesetzt werden, nach dem Motto: Safety first, es geht um die Sicherheit der Menschen?
Als Feuerwehr schützen wir das höchste Rechtsgut, das Leben und die Gesundheit von Menschen. Wenn wir die Frage der Unterbringung der Feuerwache 1 nicht lösen können, kommt irgendwann der Punkt, an dem wir unsere Sicherstellungsverpflichtung nicht mehr einhalten können. Nicht, weil wir das nicht wollen, sondern weil wir dann den Schutz der Menschen auf dem Niveau, das wir heute haben, nicht mehr sicherstellen könnten. Ich gehe aber nicht davon aus, dass es so weit kommen wird.
Es muss hier dringend eine Entscheidung getroffen werden
Die jetzige Wache ist 63 Jahre alt. Es war lange absehbar, dass da etwas passieren muss. Platzt Ihnen als Feuerwehrchef nicht die Hutschnur, wenn Sie sehen, wie lange das alles dauert?
Ich bin 2019 als Amtsleiter zur Feuerwehr Köln gekommen. Eines meiner ersten Projekte war es, den Bauplanungsbeschluss der Feuerwache 1 auf den Weg zu bringen. Mir war vollkommen bewusst, dass es ein „Weiter so“ auf keinen Fall geben kann. Als Feuerwehrchef trage ich Verantwortung für meine Mitarbeiter, die auf dieser Wache arbeiten und unfassbar Großes leisten. Es ist auch jedem Beteiligten klar, dass nicht erst seit 2019 Handlungsbedarf besteht. Für den Neubau brauchen wir das Interim, und für das Interim brauchen wir die Unterstützung aus der Politik und aus der Stadtgesellschaft.
Haben Sie den Eindruck, dass das Projekt in der Stadtverwaltung dieselbe hohe Priorität genießt wie bei Ihnen?
Alle, die Oberbürgermeisterin, die Stadtdirektorin, die Beigeordneten und die beteiligten Ämter, bringen sich sehr konstruktiv und unterstützend ein. Es ist nun mal eine sehr komplexe Situation, eine Feuerwache in einem hochverdichteten Innenstadtnetz neu zu bauen. Es gibt viele Stakeholder mit unterschiedlichen Interessen: verschiedene Ämter der Stadtverwaltung, Grundstückseigentümer, Anwohner und die Experten, die den Neubau technisch realisieren sollen. Mein Appell wäre, zu einer Lösung zu kommen. Es muss hier dringend eine Entscheidung getroffen werden.